Thomas Müller beschrieb seine Konzentration humorvoll. „Momentan ist das Finale das Wichtigste in meinem Leben“, sagte der Fußball-Weltmeister über das kommende Spiel seiner Vancouver Whitecaps gegen Inter Miami in Fort Lauderdale/Florida um die Meisterschaft in der Major League Soccer (MLS) an diesem Samstag (20.30 Uhr/Apple TV). Um dann grinsend zu ergänzen: „Das ist ein guter Spruch, hm?“
Thomas Müller vs. Lionel Messi, Lionel Messi vs. Thomas Müller – die US-Medien und die MLS vermarkten das Endspiel nahezu ausschließlich über die beiden größten Namen. Der Rekord-Spieler des FC Bayern gegen das langjährige Idol des FC Barcelona, der eine Weltmeister 2014 – mit einem Sieg über Argentinien – der andere amtierender Weltmeister mit eben jener Nationalmannschaft. Messi ist inzwischen 38 Jahre und spielt seit 2023 für Miami. „Es ist ein perfektes Finale“, so der 36-jährige Müller. Und Bayern-Trainer Vincent Kompany sagte: „Ganz München wird Vancouver unterstützen.“
Für die Whitecaps ist es ein ganz besonderes Wochenende. CEO und Sportdirektor Axel Schuster war entscheidend für Müllers Entscheidung, im vergangenen August nach Kanada zu wechseln. Der 53-Jährige ist seit 2020 Klubchef, arbeitete früher als Manager für den 1. FSV Mainz 05 sowie als Sportdirektor beim FC Schalke 04 und führte intensive und überzeugende Gespräche mit dem Offensivstar aus Bayern. Elf Spiele hat Müller in der Hauptrunde und den Play-offs für Vancouver bestritten, seine Bilanz von acht Toren und drei Vorlagen kann sich sehen lassen. „Müller ist mir für Vancouver lieber als Messi“, sagte Schuster kürzlich in „Sport Bild“.
In einer Video-Medienrunde, an der WELT teilnahm, sprach Schuster über ...
... den Einsatz von Müller, der zuletzt angeschlagen war:
„Ich gehe fest davon aus, dass er spielen kann und wird. Und da es das letzte Spiel einer langen Saison ist, ist die Fitness zweitrangig. Es geht darum, sich durchzukämpfen. Ich glaube, keiner der Spieler auf dem Platz ist hundertprozentig fit, beide Mannschaften haben viele Spiele absolviert. Aber Thomas ist gestern gelaufen, und das ist kein bisschen anders als vergangene Woche, als er das Abschlusstraining mitgemacht und dann gespielt hat. Und das hat ja zum Erfolg geführt.“
... die Entwicklung des Fußballs in den USA und Kanada vor dem WM-Jahr 2026:
„Die Entwicklung ist großartig. Es ist die am schnellsten wachsende Liga – das sieht man an den Vereinen, den Investitionen und der Steigerung aller Parameter. Noch viel beeindruckender ist aber die Anzahl der neuen Stadien und die Stimmung. Wenn man sich etwa St. Louis ansieht: dort herrscht eine wirklich beeindruckende Fußballatmosphäre, die richtig Spaß macht. Das zeigt, dass wir in die richtige Richtung gehen. Und jetzt kommen New York, Chicago, Boston – mehrere Vereine bauen eigene Fußballstadien und investieren. Ich versuche immer zu vergleichen: Wo stehen wir eigentlich? Wir sind im oberen Drittel der Zweiten Bundesliga – was Infrastruktur, Spielerqualität und Stimmung angeht. Und da können wir mithalten. Atlanta hat 50.000 Zuschauer im Schnitt, Seattle 38.000, wir 23.000. Damit spielt man sicher im oberen Drittel der zweiten Liga mit. Und das Niveau der Spiele ist ähnlich. Doch wir wollen nicht im oberen Drittel der zweiten Liga bleiben. Wir wollen jetzt den Angriff nehmen und 2026 als Sprungbrett nutzen, um ins untere Drittel der Bundesliga zu kommen.“
... Müller als Bindeglied zwischen Deutschland und Kanada/USA:
„Der Unterschied zu Vereinen wie Mainz, für die ich früher gearbeitet habe: Dort kann man herausragende Arbeit leisten und wird dafür wahrgenommen. Hier muss man sich zusätzlich gegen vier weitere große Sportarten behaupten, deren Ligen die besten Spieler der Welt haben. Da ist es wichtig, einen Gegenpol zu haben und einige Leuchtturmspieler in der Liga. Und wenn das dann ein Spieler ist, der auf dem Platz stark ist, aber auch gut darin, sich selbst, den Verein und die Liga zu verkaufen, ist das eine Win-Win-Situation. Thomas macht einen herausragenden Job. Ich habe gestern ein langes Interview in Vancouver gegeben, in dem mehr darüber gesprochen wurde, wie er die Stadt sofort umarmt und zu seiner gemacht hat, als über seine spielerischen Fähigkeiten. So wird er wahrgenommen, und das ist großartig für uns. Denn man braucht Sprachrohre, die erzählen, wie gut es hier ist. Viele Spieler kommen hierher und sagen: ,Wow, ich hätte es mir nicht so gut vorgestellt.‘ Und das wirkt viel stärker, wenn Thomas Müller es erzählt, als wenn wir es als Liga tun.“
... die Einschränkungen in der MLS wie das Salary Cap:
„Das Schwierigste an all den Regeln ist, dass Veränderungen Zeit brauchen, weil man Kaderplätze frei machen muss, wenn man etwas verändern möchte. Ich finde aber, die Limitationen sind heute gar nicht mehr so schlimm. In Deutschland wird oft gesagt: „Ihr habt da euren Cap, ihr könnt nicht richtig bezahlen.“ Aber wir können einem reinen Cap-Spieler 1,7 Millionen US-Dollar Jahresgehalt zahlen – ein sehr ordentliches Gehalt. Dafür bekommt man weltweit viele gute Spieler. Man kann zwar nicht jedem Spieler 1,7 Millionen zahlen, aber das wäre ohnehin nicht gesund. Ich sage auch immer: Es ist nicht so, als hätte ich in Mainz oder Schalke keinen Cap gehabt – dort kam er nur von der Finanzabteilung. Hier ist er festgelegt, und ich weiß für die nächsten fünf Jahre, wie er aussieht. Heute haben wir die U22-Regel, wir können drei zusätzliche Spieler unter 22 verpflichten und Ablösen außerhalb des Caps zahlen. Die Regeln werden sich weiter verändern – nicht weil die MLS die innovativste Liga sein will, sondern weil man weiß, dass Anpassungen nötig sind, um den nächsten Schritt zu gehen. Die Richtung ist klar: mehr Flexibilität. Und wir sind einer der Klubs, die das voll ausnutzen – genau wie Philadelphia. Wenn man in der MLS fragt, was die Whitecaps auszeichnet, sagt man: Kadertiefe. Dass auch ein fünfter Innenverteidiger im Conference Final eine Top-Leistung bringen kann – das ist unser großer Vorteil.“
... eine mögliche Umstellung auf den europäischen Spielkalender:
„Ich glaube, jeder findet die Idee gut. Fußball wird weltweit im europäischen Kalender gespielt, mit wenigen Ausnahmen. Es ist sinnvoll, sich dem anzupassen, weil es ein globaler Sport und Markt ist. Der Grund, warum es bisher nicht passiert ist, liegt am Klima: Wir spielen auf einem Kontinent, der von Nord-Skandinavien bis Südspanien reicht – bildlich gesprochen. In Toronto hat man im Winter minus 30 Grad. Das macht es schwierig. Jetzt aber, mit den vielen neuen Stadien und Investitionen, sind die Voraussetzungen da. Eine Anpassung würde auf zwei Ebenen helfen: Gleiche Transfer- und Vertragszyklen wie der Rest der Welt. Und eine bessere Wahrnehmung weltweit, weil Fans Fußball von Sommer zu Sommer denken. Wir würden Finals zudem nicht mehr bei minus 15 Grad austragen müssen, wie Toronto es einmal musste.“
... die Situation um das Stadion in Vancouver:
„Das Hauptproblem ist derzeit gar nicht das neue Stadion – auch wenn es langfristig geplant wird und wir daran arbeiten. Das akute Problem ist: Wir haben für nächste Saison noch keinen Mietvertrag. Und nächste Saison beginnt bald. Spiele sind terminiert, Tickets verkauft – aber der alte Vertrag ist 15 Jahre alt und völlig aus der Zeit gefallen. Obwohl wir siebter in der Zuschauertabelle sind, stehen wir beim Einkommen ganz unten. Wir versuchen nun, mit der Provinz eine marktgerechte Lösung zu finden. Die Größe des Stadions ist vielleicht nicht ideal. Aber wir hatten Spiele mit 54.000 oder 35.000 Zuschauern – das hätte man in einem kleineren Stadion nie geschafft. Dennoch bleibt ein eigenes Stadion unser Traum, und wir arbeiten konkret daran. Die Eigentümer sind bereit, zu investieren. Aber es dauert – in Vancouver wie in Deutschland. In Mainz hat der Stadionbau auch ewig gedauert. Der Grund, warum das Thema jetzt hochkocht: Wir sind derzeit der einzige Verein ohne Mietvertrag für die kommende Saison.“
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-und Sport-Ernährungs-Themen.
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