Es ist selten, dass sich zwei Bundesligatrainer nach einem hart umkämpften Derby so einig sind. „Gott sei Dank gibt es jetzt einen Trainerkollegen, der die gleiche Meinung hat. Ich hatte bisher immer das Gefühl, ich sei allein auf weiter Flur“, sagte Lukas Kwasniok und blickte zu Eugen Polanski herüber.

Der Gladbacher Trainer nickte. „Ich bin wirklich kein Freund vom VAR, es wird auch immer schlimmer. Und ich bin es auch jetzt nicht, selbst wenn wir davon profitiert haben“, erklärte Polanski. Worauf der Kölner Kwasniok verbal locker noch einen drauf setzte. „Ich mag den VAR nicht nur nicht, ich hasse ihn.“ Rumms.

In Mönchengladbach war Samstag einiges geboten. Erst gab es den von den Gladbachern gefeierten 3:1 (1:0)-Sieg im 99. Bundesligaduell mit dem rheinischen Rivalen – dann ein Nachspiel, das bei DFB und DFL aufhorchen lassen wird. Es geht um den VAR, den Video Assistant Referee, jenes technische Hilfsmittel, das seit der Saison 2017/18 in der Bundesliga eingesetzt wird und den Fußball doch eigentlich gerechter machen soll. Und trotz gelegentlichem Gemecker der Fans schienen vor allem die Vereinsverantwortlichen, Spieler und Trainer den VAR durchaus zu schätzen.

Kwasniok und Polanski tun dies ganz entschieden nicht. Sie sind der festen Überzeugung, dass die Einmischung durch den Videoschiedsrichter dem Fußball Schaden zufügt – zumindest in den meisten Fällen. „Bei dynamischen Situationen macht der VAR keinen Sinn. Das Problem ist, dass diese Situationen am Bildschirm immer anders bewertet werden als live. Das ist schade und daher verstehe ich die Fans, dass es den Sport nicht gerechter, sondern total unsexy macht“, schimpfte Kwasniok. Samstag hatte es gleich eine Reihe von Szenen gegeben, die dies exemplarisch zu untermauern schienen.

Drei Entscheidungen – laut Kwasniok alle falsch

Schiedsrichter Deniz Aytekin hatte gleich drei Strafstöße verhängt – zweimal nach Intervention durch das VAR-Teams um Benjamin Cortus. Nach Auffassung von Kwasniok waren alle drei Entscheidungen falsch.

Aytekin war zunächst in der 44. Minute in die Review-Area gegangen. Zuvor hatte es einen Zweikampf zwischen dem Kölner Kristoffer Lund und dem Gladbacher Franck Honorat gegeben. Aytekin hatte kein Vergehen erkennen können und weiterlaufen lassen. Auf dem Monitor sei jedoch ein „klarer Knietreffer“ von Lund zu sehen gewesen. Folglich kassierte er seine ursprüngliche Entscheidung ein und zeigte auf den Punkt. Regelkonform, aber hart, denn so klar schien der „Knietreffer“ dann auch wieder nicht. Gladbachs Haris Tabakovic scheiterte vom Punkt.

Beim zweiten Strafstoß hatte Aytekin keinerlei Sicht auf die Szene. Das belegen die Bilder aus der RefCam, die seit der vergangenen Saison zum Einsatz kommt. Zu sehen ist – aus Aytekins Sicht – ein einziges Gewühl. „Ich schaue zwar hin, aber da stehen drei Spieler vor mir“, sagte er. Also ließ er weiterspielen – bis sich erneut Cortus meldete. Auf dem Monitor sah Aytekin dann ein klares, strafwürdiges Handspiel von Lund. Den Elfmeter verwandelte Kevin Diks in der 60. Minute zum 3:0 für Gladbach – die Entscheidung.

Allerdings war dies noch nicht alles. In der Nachspielzeit (90.+1) verhängte Aytekin noch einmal einen Strafstoß – diesmal für Köln, diesmal ohne technische Hilfsmittel. Ein minimaler Schieber von Lukas Ullrich an Ragnar Ache reichte ihm aus. Bemerkenswert allerdings die Aussage, die Aytekin abgab, als er nach Spielende die Bilder gesehen hatte. „Ich weiß nicht, ob ich den bei 0:0 gebe, ist ja alles theoretisch, aber es ist ein harter Elfmeter“, erklärte er. Das sah Kwasniok auch so. „Das hat er falsch bewertet. Das war kein Elfer“, so der Kölner Coach – auch wenn diesmal sein Team profitierte. Luca Waldschmidt nutzt die Gelegenheit zum 1:3-Ehrentreffer.

Schiedsrichter Aytekin wirkt zerknirscht

Fakt ist: Weder die Kölner, noch die Gladbacher waren mit dem massiven Einfluss, den der VAR auf das Derby nahm, zufrieden. Ganz zu schweigen von den ständigen Unterbrechungen, die der Partie auch Dynamik nahmen. Und selbst Aytekin wirkte zerknirscht, obwohl seiner Auffassung nach alles regelkonform entschieden worden sei. „Ich ärgere mich, weil ich diese Sachen alle selber sehen will. Dafür ist man Schiedsrichter“, sagte er. Er und sein Team würden nicht nach Hause gehen und denken: ‚Na toll, war super.‘“

Dann wurde der 47-Jährige fast schon sentimental. „Wir müssen auch mal happy sein, dass nicht alles schwarz oder weiß ist, das ist halt der moderne Fußball. Mittlerweile habe ich auch eine Kamera im Ohr und gefühlt zehn Kilo Technologie am Körper.“ Am Ende fühlte sogar der zornige Kwasniok mit Aytekin: „Ich habe das Gefühl, dass der VAR mittlerweile der Chef ist und nicht mehr der Unparteiische unten.“

Es war ohnehin ein Tag, an dem die Institution des VAR einen erheblichen Imageschaden nahm – auch aus Sicht der meisten Fans, die sich Spannung an der Ligaspitze wünschen. Am Nachmittag konnte man sich in Berlin kaum freuen, obwohl es die Unioner als erste Mannschaft diese Saison geschafft hatten, dem FC Bayern ein Remis abzutrotzen. Das lag zum einen am späten Ausgleich der Münchener zum 2:2 (1:1) – vor allem aber daran, dass den Berlinern zuvor ein Treffer aberkannt worden war, von dem wohl niemand auch nach Ansicht der Videobilder sicher sagen kann, ob Torschütze Ilyas Ansah im Abseits stand oder nicht.

Das soll er aber tatsächlich getan haben: laut der kalibrierten Linie um fünf Millimeter. Kommentar von Unions Trainer Steffen Baumgart: „Diese fünf Millimeter auf Abseits zu gehen – da hat irgendeiner Lack gesoffen.“ Es könnten auch einfach nur die modernen Zeiten gewesen sein.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke