Es ist eine Rückkehr an eine alte Heimat für die NFL, wenn die Indianapolis Colts am Sonntag in Berlin gegen die Atlanta Falcons spielen (Kickoff: 15.30 Uhr, live bei RTL und DAZN). Zwischen 1990 und 1994 fanden in Berlin bereits fünf Vorbereitungsspiele unter dem Namen „American Bowl“ statt. 1991 traten dort sogar die Legenden Joe Montana (heute 69) und Jerry Rice (62) mit ihren San Francisco 49ers an. Vor 66.876 Zuschauern gewann das Team 21:7 gegen Chicago.

Der frühere NFL-Profi Björn Werner (35) ist für RTL als TV-Experte am Sonntag im Einsatz und spricht über die Indianapolis Colts, die Zukunft der NFL in Berlin und seinen Trikot-Coup als Topverkäufer in Deutschland.

Frage: Herr Werner, Sie sind globaler Botschafter der Indianapolis Colts, für die Sie früher spielten. Jetzt kommt das Team mit der besten NFL-Bilanz am Sonntag in Ihre Geburtsstadt Berlin zum Deutschland-Spiel gegen die Atlanta Falcons. Wie überrascht sind Sie von der Colts-Stärke?

Björn Werner (35): Extrem überrascht, wie jeder Colts-Fan. Ich glaube, nicht einmal die Colts-Verantwortlichen haben das kommen sehen. In den ersten Spielen ist viel Positives zusammengekommen, das Selbstbewusstsein wurde aufgebaut, und dann ergibt sich so eine Eigendynamik. Im Trainingslager hat sicher kein Spieler der Colts gesagt: Das wird unser Jahr! Der Head Coach saß auf dem heißen Stuhl, keiner wusste, wer der Stamm-Quarterback wird. Es sah eher danach aus, dass es sich verschlimmern würde. Dass sie jetzt als eines der besten Teams der NFL nach Berlin kommen, ist absurd.

Frage: Wie erleichtert es Ihre Arbeit als Botschafter, der für die Colts neue Fans gewinnen soll?

Werner: Ich finde es einfach lustig! Die vergangenen zwei Jahre bekam ich nur Häme von allen Seiten, zum Beispiel von Patrick Esume (TV-Experte bei RTL und Podcast-Partner von Werner; d. Red.). Alle sagten: Die Colts kriegen nichts hin! Doch auf einmal sind sie das heißeste Team. Ich freue mich darauf, dies im Stadion zu feiern. Am Ende bringt Siegen neue Fans und ist mitunter ein entscheidender Faktor.

Frage: Welches Wort fällt Ihnen für Colts-Quarterback Daniel Jones ein? Erst aussortiert, jetzt ein Top-Spielmacher der NFL.

Werner: Es ist eine Cinderella-Story, also wie Aschenputtel. Alle fragen sich, wo das herkommt. In der NFL zeigt sich wieder einmal, dass die Rahmenbedingungen viel ausmachen, und es hilft, wenn der Druck, den er bei den New York Giants noch hatte, weg ist. Er war abgeschrieben. Keiner wollte ihn mehr. Und dann das. Unfassbar! Es hilft, dass jeder in dieser Offense gerade den besten Football seines Lebens spielt.

Frage: Jones hat einen auslaufenden Einjahres-Vertrag über 12,1 Millionen Euro.

Werner: Das war das Einzige, was er noch bekommen hat. Jetzt wird er von den Colts einen 100-Millionen-Vertrag bekommen, wahrscheinlich noch während der Saison.

Frage: Erstmals seit 1994 spielt die NFL wieder in Berlin. Damals waren es nur Vorbereitungspartien, jetzt ein Punktspiel. Warum ist das ein Meilenstein?

Werner: Ich sage es nicht nur als Berliner, aber das NFL-Spiel ist ein so großes Event, das einmal im Jahr stattfindet. Das gehört in die Hauptstadt, auch wegen der internationalen Strahlkraft. Das Fußball-EM-Finale 2024 war auch in Berlin. Es sind noch 2027 und 2029 jeweils Spiele geplant. Danach hoffe ich auf eine Verlängerung und jedes Jahr ein Berlin Game.

Frage: Wie hat sich die deutsche NFL-Fan-Landschaft über das vergangene Jahrzehnt verändert?

Werner: Zu Beginn hatten wir eine sehr spezialisierte Fangruppe mit einer engen Community. Das hat sich über die Jahre verändert. Manchen ist es vielleicht auch zu groß geworden, und sie sind abgesprungen. NFL ist mehr Mainstream geworden. Ich werde von Leuten erkannt, gerade erst von einem Piloten oder in der Stadt. Früher waren es vielleicht 95 Prozent männliche Fans, inzwischen sind auch unheimlich viele Frauen dabei. Pärchen gucken uns. Wir packen auch Leute, die sonst keinen Sport gucken, denn die NFL ist auch Entertainment. Daher können wir auch nicht vier Stunden lang Statistiken und Taktiken runterrattern, sonst erreichst du die Masse nicht. Es gibt immer Spezialisten, die mehr tiefe Analyse wollen. Aber das interessiert die Masse nicht. Die verlierst du in den ersten Minuten. Wir müssen es so erklären und präsentieren, dass wir neue Zuschauer gewinnen und die halten, die nicht überfordert werden möchten.

Frage: Eine Kuriosität: 2024 war Ihr Colts-Trikot mit der Nummer 92 das meistverkaufte in Deutschland. Dabei hörten Sie 2016 auf. Selbst überrascht?

Werner: Ich wusste, dass es passiert. Ich spüre ja über Social Media, wie die Community hinter mir steht. Die Amerikaner kommen damit gar nicht klar. Die sagen: Als Spieler warst du einer unter vielen, und jetzt schreien in Deutschland die Fans deinen Namen im Stadion. Das kannst du keinem erklären. Ich verstehe es selbst nicht und bin dankbar. Ich habe den Colts vorher angekündigt: Bringt mein Trikot noch einmal raus, und es wird der Kassenschlager. Keiner hat es von denen geglaubt. Der Händler „Fanatics“ hat erst einmal sehr konservativ hergestellt – und der erste Schwung war in zwei Minuten ausverkauft. Erst danach wurde mit mir im NFL-Shop geworben, weil sie gesehen haben, dass man damit Geld verdienen kann. Ich bekomme vier Euro pro Trikot, den Rest teilen sich jeweils zu einem Drittel die NFL, Fanatics und Nike. Mir geht es also nicht ums Geld. Es ist einfach eine geile Story, dass wir das hinbekommen haben.

Frage: Sie sind für RTL als Experte im Einsatz, auch beim Spiel in Berlin. Wie lautet Ihr Super-Bowl-Tipp?

Werner: Ich muss ja sagen: die Indianapolis Colts. Vor der Saison hätten alle gemeint: Du bist ja irre und sagst es nur, weil du Botschafter bist. Hauptkonkurrent in der AFC (American Football Conference, eine der beiden Teile der NFL; d. Red.) sind die Kansas City Chiefs. Die sind am Kommen und unfassbarer Weise in der Rolle des Underdogs. Die mussten so viel Hass und Kritik einstecken. Das spornt sie auch noch zusätzlich an. In der NFC (National Football Conference; d. Red.) ist es ziemlich offen: Green Bay ist gut. Ich traue Meister Philadelphia überhaupt nicht. Aber ich tippe, dass Detroit in den Super Bowl kommt. Doch den gewinnen die Colts.

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.

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