In der emotional aufgewühlten Lage ist ein Blick auf die nackten Zahlen passend. Für mehr als die Hälfte der deutschen Fußball-Fans hat der Video Assistant Referee (VAR) keine Zukunft mehr. 59,7 Prozent von 1400 Befragten haben sich in einer repräsentativen Umfrage des Sport-Informations-Dienstes für die Abschaffung des Videobeweises ausgesprochen. Dagegen wollen nur 29,7 Prozent das technische Hilfsmittel beibehalten.

Noch wesentlich dramatischer ist die Bewertung über die Wirkung des VAR. 68,3 Prozent der Befragten vertreten die Ansicht, die Technologie habe den Fußball nicht fairer gemacht. Lediglich 22,1 Prozent glauben, sie habe für mehr Gerechtigkeit gesorgt.

Zwei Jahre ist die Umfrage inzwischen alt, ihre grundsätzliche Tendenz dürfte sogar noch an Fahrt aufgenommen haben. Denn in unschöner Regelmäßigkeit müssen Fans Woche für Woche mit dem enervierenden Eingriff der Schiedsrichter leben. Statt ein Spiel unauffällig zu leiten, schwingen sie sich allzu oft zu Hauptdarstellern ihrer Sportart auf und ziehen sich den Unmut der Fans in den Stadien zu.

Als jüngstes Beispiel für diesen gefährlichen Rollentausch diente am Sonntagnachmittag Daniel Schlager. Der Unparteiische war bei der Partie des 1. FC Köln gegen den Hamburger SV im Einsatz – und ohne ihn und seine Laiendarsteller um Videoschiedsrichter Robert Schröder wäre es eine ziemlich gut anzuschauende Bundesligapartie geworden. So aber blieben verdutzte Betrachter auf beiden Seiten zurück.

Willkür statt Fingerspitzengefühl

Der HSV hatte in einer furiosen zweiten Halbzeit gerade das 1:2 durch Fabio Vieira erzielt, als Schlager zur unrühmlichen Tat schritt und massiv in den Spielverlauf eingriff. Mehr als fünf Minuten brauchten er und Schröder, um zu klären, ob beim Schuss von Vieira dessen Kollege Ransford Königsdörffer im aktiven Abseits gestanden hatte. Hatte er nicht, befanden die Unparteiischen, um dann eine Szene zu ahnden, die Schlager zuvor als unbedenklich eingestuft hatte. Das Tor wurde schließlich wegen eines vermeintlichen Vergehens von Vorlagengeber Rayan Philippe an Eric Martel annulliert. Der Zweikampf zwischen Philippe und Martel hatte sich allerdings unmittelbar vor den Augen von Schlager abgespielt – ohne dass der Unparteiische etwas auszusetzen hatte.

Dass die Partie zwischen den beiden Aufsteigern danach hektisch wurde, lag zuvorderst an Schlager und seinen Kollegen. Auch die Gelb-Rote Karte für Immanuel Pherai hinterließ nicht nur auf Seiten der Gäste um den mehr als verdutzten HSV-Trainer Merlin Polzin Rätsel. Pherai war vor seinem zweiten Vergehen weggerutscht, dann aber ziemlich übel in Kristoffer Lund gerauscht. Die zweite Gelbe Karte für den HSV-Profi wäre durchaus vertretbar gewesen, wenn nicht Schlager zuvor für genau das gleiche Ausrutscher-Foul von Kölns Linton Maina an Luka Vuskovic keine Verwarnung gegeben hätte und angesichts des regennassen Rasens Gnade vor Recht hatte walten lassen.

Ein adäquates Fingerspitzengefühl für die Situation hätte man sich dort gewünscht. Stattdessen wirkten Schlager und Schröder im Verbund wie ein Duo, das willkürlich Entscheidungen zuungunsten des Fußballs und seiner Fans trifft.

Angst statt Freude

Ähnlich war es am Tag zuvor schon den Anhängern beim Spiel von Union Berlin gegen Freiburg ergangen. Dort benötigten Schiedsrichter Sören Storks und sein VAR-Entscheider insgesamt acht Minuten, um die beiden Tore von Matthias Ginter und Andrej Ilic wieder einzukassieren. Im Sinne des Fußballs ist dies schon längst nicht mehr. Denn Storks hatte beide Treffer zunächst anerkannt, sich dann aber nach enervierend langem Videostudium umentschieden.

So wird des deutschen liebsten Kinds an nahezu jedem Spieltag in den beiden höchsten deutschen Ligen die Seele rausgerissen. Denn die originäre Spielidee, die darin besteht, ein Tor mehr als der Gegner zu erzielen, ist nicht mehr gegeben, weil inzwischen gefühlt jeder Treffer unter die Lupe genommen wird. Auch den Emotionen in den Stadien ist das alles andere als zuträglich. Denn die ehrliche Freude der Fans wird allzu oft überlagert von der panischen Angst um den folgenden VAR-Eingriff.

Statt für Gerechtigkeit und Fairness zu sorgen, trägt der VAR-Einsatz in den Augen vieler Zuschauer inzwischen zum Tod des Fußballs bei. Und vom Wortungetüm Video Assistant Referee bleibt nur Assi übrig.

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