Die deutsche Handball-Nationalmannschaft testet aktuell für die anstehende Europameisterschaft. Am Donnerstag gab es einen 42:31-Sieg des DHB-Teams gegen Island, an diesem Sonntag (17.15 Uhr, ZDF) steht das zweite Duell gegen Isländer in München an.
Die EM findet vom 15. Januar bis 1. Februar in Dänemark, Schweden und Norwegen statt. Schon in der Vorrunde warten mit Österreich, Spanien und Serbien knifflige Gegner auf die Auswahl von Bundestrainer Alfred Gislason. In der Hauptrunde könnte man neben Weltmeister Dänemark auch auf Frankreich, Norwegen und Portugal treffen. Das Halbfinale und die erste EM-Medaille seit Gold 2016 sind das klare Ziel des DHB-Teams, bei dem wieder Andreas Wolff im Tor steht. Mit 34 Jahren ist der Rückhalt des THW Kiel mit Abstand der Älteste der deutschen Auswahl. Wolff stand schon im Tor, als Deutschland 2016 den Titel holte.
Frage: Herr Wolff, Sie sind zurück bei der Nationalmannschaft. Wie fühlt es sich an?
Andreas Wolff: Ein schöner Tapetenwechsel. Man merkt, wie sehr man die Leute vermisst hat, die man sonst selten sieht – gerade hier im Süden. Und es ist immer etwas Besonderes, das Nationaltrikot zu tragen. Vor allem jetzt, wo wir auf das Turnier im Januar hinarbeiten. Das hilft auch, den Kopf freizubekommen.
Frage: Sie sprechen die EM 2026 an. Die EM 2016 in Polen war Ihr Durchbruch – das ist bereits zehn Jahre her. Ist Ihnen das bewusst?
Wolff: Spätestens, wenn Mannschaftskollegen sagen: „Du bist 33, 34 – musst du nicht mal ans Aufhören denken?“ Ich bin bei diesem Lehrgang der Älteste – mit vier Jahren Abstand zum Nächsten. Von den Jungs, mit denen ich damals angefangen habe, sind eigentlich nur noch Rune Dahmke und Jannik Kohlbacher übrig.
Frage: Heute sind Sie der älteste Spieler im Kader, der Leitwolf. Wie verändert das Ihren Blick auf die Mannschaft?
Wolff: Man bringt einfach mehr Erfahrung mit. Das heißt nicht, dass man alles besser weiß, aber man nimmt vieles anders wahr. Und ich genieße es, wie motiviert die jungen Spieler hier sind. Unsere Halblinks-Position war lange nicht so stark besetzt – wir haben da vier, fünf Kandidaten, die internationale Spitzenklasse sind. Auch in anderen Mannschaftsteilen stehen wir gut da. Es ist eine spannende Mischung aus Routiniers und Talenten – auch im Tor mit den Young Guns, die ihren Weg gehen werden, und mir.
Frage: 2016 sagten Sie beim ersten Medientermin, Sie seien angetreten, um Europameister zu werden. Gilt das auch für die EM 2026?
Wolff: Das ist 2016 ja auch eingetreten. Wenn ich an einem Turnier teilnehme, dann mit dem Ziel, es zu gewinnen. Ja. Das war immer so – egal ob WM, Olympia oder Heim-EM. Mit Dänemark ist aktuell eine Übermannschaft unterwegs, die ein ordentliches Hindernis auf dem Weg zum Titel ist. Die sind auf jeder Position mit Weltklasse besetzt. Aber auch eine Finalteilnahme oder eine Medaille ist ein Erfolg. Ich bin überzeugt, dass wir eine Mannschaft haben, die – wenn sie am Limit spielt – sich eine Medaille zum Ziel setzen darf. Aber ich stelle mich jetzt nicht hin und sage: Wir gewinnen im Januar. Das wäre vermessen. Zumal unsere letzten Auftritte nicht unbedingt von Souveränität geprägt waren.
Frage: Die Los-Fee meinte es für die EM nicht gut. Was denken Sie, wenn Sie die Hauptrunde mit Dänemark, Frankreich, Norwegen und Portugal anschauen?
Wolff: Das ist kein Los, das man sich wünscht. Das ist ein Albtraum. Aber wir können jeden schlagen – auch Dänemark, wenn wir einen perfekten Tag erwischen. Wichtig ist, dass wir schon in der Vorrunde stabil spielen. Wir müssen eine Euphorie entfachen, ein Selbstbewusstsein aufbauen, das uns – wie 2016 – ermöglicht, ins Halbfinale zu kommen. Und bei dem Anspruch, den wir haben, ist klar: Am Ende müssen wir zwangsläufig einen der Großen schlagen.
Frage: Zur Bundesliga. Wie bewerten Sie den bisherigen Saisonverlauf des THW Kiel?
Wolff: In Flensburg zu verlieren (34:36, die Redaktion), ist ärgerlich, aber kein Beinbruch. Der bitterste Punkt war der gegen die Rhein-Neckar Löwen (31:31, die Redaktion). Da haben uns mehrere Spieler gefehlt – Emil Madsen zum Beispiel. Mit ihm und Harald Reinkind zusammen hätten wir sicher andere Impulse setzen können.
Frage: Wie sehr belasten die vielen Verletzungen?
Wolff: Das ist unser größtes Problem. Spieler wie Reinkind, Madsen, Johansson, Överby mussten oft alleine durchziehen. Das funktioniert eine Zeit lang – dann kommt der Körper aber an seine Grenzen. Dazu haben wir eine neue Abwehrkonstellation. Spieler wie Laube und Nancinovic sind neu, mussten sich erst einfinden. In einem komplexen System wie bei Filip ist das keine Kleinigkeit.
Frage: Wie realistisch ist die Meisterschaft?
Wolff: Sehr realistisch. Ich glaube nicht, dass ein Team mit weniger als zehn Minuspunkten durch die Saison geht. Wenn wir bis zum Jahreswechsel ohne weitere Niederlage durchkommen – was mit Berlin, Lemgo und Magdeburg schwer genug wird – sind wir mittendrin. Gerade im Saisonendspurt, wenn die deutschen Mannschaften in der Champions League und European League weit kommen, wird die Belastung für alle hoch. Der Meister wird am Ende zweistellig Punkte lassen. Und deshalb sind wir mit aktuell vier Minuspunkten in Reichweite.
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild am Sonntag“ veröffentlicht.
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