Es ist ein nasskalter Tag, als Bernd Neuendorf in seinem Büro auf dem DFB-Campus in Frankfurt zum Termin empfängt und an einen ovalen Tisch bittet. Der 64-Jährige ist seit März 2022 Präsident des weltweit größten Sportverbandes – und steht vor einer zweiten Amtszeit. Die Regional- und Landesverbände des DFB und die Deutsche Fußball Liga (DFL) haben ihn für die Wiederwahl beim Bundestag am 7. November vorgeschlagen. Während des Gesprächs schaut Neuendorf immer mal wieder in ein kleines schwarzes Buch, das vor ihm liegt und in dem er sich einige Stichpunkte zu den aktuell wichtigen Themen gemacht hat.

WELT AM SONNTAG: Herr Neuendorf, nach Ihrem Amtsantritt als Präsident 2022 haben Sie den DFB finanziell konsolidiert, interne Machtkämpfe beendet, das Verhältnis zur Bundesliga befriedet und wichtige Lobbyarbeit im politischen Berlin betrieben. Am 7. November ist Ihre Wiederwahl auf dem DFB-Bundestag in Frankfurt beschlossene Sache. Welche Herausforderungen stehen in den nächsten vier Jahren an?

Bernd Neuendorf: Wir haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren tatsächlich eine Art Wurzelbehandlung beim DFB vorgenommen. Die Erfolge können sich sehen lassen. Oder in der Fußballersprache: Wir haben geliefert. Wir können jetzt aus einer Phase der Konsolidierung in eine Phase der Gestaltung übergehen. Unter anderem mit dem Geld aus dem neuen Ausrüstervertrag mit Nike (ab 2027 bis 2034 für angeblich 100 Mio. Euro jährlich, d. Red.) werden wir diverse Projekte verfolgen, die den Fußball in Deutschland voranbringen sollen.

WAMS: Was für Projekte?

Neuendorf: Wir werden definitiv nicht mit der Gießkanne übers Land ziehen. Wir haben vor eineinhalb Jahren einen aufwendigen Strategieprozess unter Beteiligung des Präsidiums, des Aufsichtsrats, der Geschäftsführung und DFB-Mitarbeitern gestartet. Dabei sind klare Bereiche definiert worden, denen wir uns in den nächsten vier Jahren in besonderer Weise widmen werden. Zusätzliche Mittel – wie eben die Gelder aus dem Nike-Vertrag – sollen in erster Linie dann auch in diese Schwerpunktthemen fließen. Wir reden unter anderem über unsere Nationalmannschaften, wir brauchen sportliche Erfolge und müssen gute Voraussetzungen schaffen, um dauerhaft in der Spitze zu bleiben. Es geht um Verbesserungen im Nachwuchsbereich und ganz sicher auch um gute Rahmenbedingungen für unsere Amateure und das Ehrenamt.

WAMS: Weitere Schwerpunkte?

Neuendorf: Beim Frauenfußball wird in der nächsten Wahlperiode unter anderem der Wachstumsplan der Frauen-Bundesliga eines der Fokusthemen sein. Hier werden wir gemeinsam mit den Klubs der Frauen-Bundesliga deutlich mehr Geld investieren. Die Ausgliederung der Frauen-Bundesliga in eine neue Gesellschaft wird sich allein der DFB rund 100 Millionen Euro kosten lassen. Wir brauchen dringend eine Professionalisierung dieser Spielklasse, um international nicht den Anschluss zu verlieren.

WAMS: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kritisierte in „Bild am Sonntag“: „Die Achtung vor dem deutschen Fußball hat international leider abgenommen.“ Gehört zu Ihren Herausforderungen auch, dem DFB als größtem Sport-Fachverband der Welt wieder mehr Durchschlagskraft zu verleihen?

Neuendorf: Ich widerspreche Herrn Söder ausdrücklich. Ich bin international viel unterwegs, wir sind immer noch wichtiger Ansprechpartner für die Fifa und die Uefa – gerade auch, wenn es um die Ausrichtung großer Turniere oder von Finalspielen in den Klubwettbewerben geht. Wir haben nicht nur die wundervolle EM 2024 in Deutschland erlebt, sondern auch das Nations-League-Finalturnier und das Champions-League-Endspiel 2025. Im nächsten Jahr findet das Conference-League-Finale in Leipzig, 2027 das Europa-League-Finale in Frankfurt statt. Sportlich haben wir bei den Männern und den Frauen das Final Four der Nations League erreicht, waren und sind also unter den besten Teams in Europa. Darüber hinaus haben unsere Frauen Bronze bei Olympia in Paris gewonnen und zuletzt in der Schweiz das EM-Halbfinale erreicht. Last but not least: Unsere U17 hat den WM- und den EM-Titel geholt. Das kann sich sehen lassen. Alles schlechtzureden, finde ich unangemessen.

WAMS: Sie sitzen im Fifa-Rat, können hier Einfluss nehmen – etwa was eine mögliche Aufstockung der WM 2030 auf 64 Mannschaften betrifft. Ihre Meinung?

Neuendorf: In der Tat wird das Thema insbesondere von den Südamerikanern vorangetrieben. Ich glaube: Das ist keine gute Idee. Der Fifa-Rahmenterminkalender ist ohnehin voll. Die Belastung der Spieler wäre enorm und es gäbe gravierende Folgen für die nationalen Ligen. Aus sportlichen und organisatorischen Gründen halte ich diesen Vorschlag für nicht zustimmungsfähig. Die nächste WM in den USA, Kanada und Mexiko wird erstmals mit 48 Mannschaften ausgetragen. Das bedeutet 104 Spiele in knapp 40 Tagen. Mehr sollte es nicht werden.

WAMS: Der Fifa liegt ein Antrag des palästinensischen Verbandes auf den Ausschluss Israels wegen Diskriminierung vor und weil israelische Klubs auf palästinensischem Gebiet an Israels Liga teilnehmen. Welche Position nehmen Sie im Fifa-Rat ein?

Neuendorf: Zunächst einmal bin ich froh, dass die Geiseln zurück sind und ein Waffenstillstand ausgehandelt wurde. Der angesprochene Antrag ist an zwei zuständige Fifa-Kommissionen weitergeleitet worden. Es wird jetzt ein Rechtsgutachten eingeholt, insbesondere was den Ligabetrieb in Israel betrifft. Das soll vor Weihnachten vorliegen, dann wird es seitens der Kommissionen sicher einen Bericht an den Fifa-Rat geben. Ob es dort dann tatsächlich zu einer Entscheidung über einen Ausschluss kommt, wird man sehen. Für mich – und das sage ich auch als Historiker und im Bewusstsein der Nazi-Verbrechen am jüdischen Volk – ist ein Ausschluss von Israel überhaupt kein Thema und nicht denkbar.

WAMS: Söder gibt mit Blick auf die WM 2018 und die Querelen um das Foto von Nationalspieler Mesut Özil mit dem türkischen Despoten Recep Tayyip Erdogan sowie den Armbinden-Streit des DFB mit der Fifa bei der WM 2022 in Katar den Rat: „Raus mit der Politik aus dem Sport!“ Werden die Nationalspieler und DFB-Verantwortlichen seinen Rat bei der WM in den unter Präsident Donald Trump Unvereinigten Staaten von Amerika beherzigen?

Neuendorf: In Katar sind Fehler gemacht worden, das war für mich als Präsident nach einem halben Jahr Amtszeit ein Learning. Der Fokus der Mannschaft muss 2026 eindeutig auf dem Sport liegen. Ich hoffe, dass wir keine großen politischen Debatten rund um die WM bekommen, ansonsten würden wir diese auf jeden Fall versuchen, von der Mannschaft fernzuhalten.

WAMS: Schließen Sie aus, dass diese Debatten aus dem DFB selbst angezettelt werden, etwa durch Sport-Geschäftsführer Andreas Rettig, der schon 2022 – noch ohne DFB-Amt – die Menschenrechtsverletzungen in Katar angeprangert hat?

Neuendorf: Vor und während so einem wichtigen Turnier weiß jeder, wo sein Platz im DFB ist, es gibt in allen Bereichen viel zu tun. Politische Fragestellungen – gerade wenn es um internationale Themen geht – werden im Fifa-Rat oder im Exekutivkomitee der Uefa diskutiert und entschieden. In diesen Gremien sind DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke und ich vertreten. Wir beide wären bei der WM die Ansprechpartner.

WAMS: Wenn Sie das so klar formulieren, hätten die Spieler am Ende auch kein Alibi, sollte es sportlich nicht laufen.

Neuendorf: Ja. Aber ich glaube ohnehin nicht, dass es hierzu kommen wird.

WAMS: Zuletzt hat die Nationalmannschaft nicht immer überzeugt. Wie groß ist Ihre Zuversicht, dass sie bei der WM besser performt – zumal Bundestrainer Julian Nagelsmann den Titel zum Ziel erklärt hat?

Neuendorf: Wir haben die vergangenen zwei Länderspiele gegen Luxemburg und Nordirland gewonnen – und auch noch zu Null. Das war wichtig, auch mit Blick auf das Selbstvertrauen für die letzten zwei Spiele in der Qualifikation. Mein Eindruck ist: Wenn wir uns für die WM qualifizieren, wird es wenige Mannschaften geben, die sich wünschen, bei der WM gegen uns zu spielen.

WAMS: Wie hat Nagelsmann zuletzt auf Sie gewirkt?

Neuendorf: Ich bin froh, dass wir einen Bundestrainer haben, der voller Energie ist und immer einen großen Tatendrang versprüht. Das sind zentrale Eigenschaften von ihm. Ich erlebe Julian hin und wieder auch im Umgang mit den Spielern. Und da spüre ich, welche Fähigkeiten er hat, diese zu begeistern und zu motivieren. Deshalb schätzen wir ihn auch, deshalb ist er unser Bundestrainer geworden. Mit ihm und seinen Eigenschaften sowie den Spielern, die aktuell zur Verfügung stehen, und denen, die noch zurückkommen nach Verletzungen, haben wir gute Voraussetzungen, ein erfolgreiches Turnier zu spielen.

WAMS: Aus der Liga kam Kritik auf, dass Nagelsmann, der auch repräsentative Aufgaben hat, zu wenig präsent in den Stadien sei. Sie selbst, ist zu hören, hätten ihn daran auch mal erinnert.

Neuendorf: Es ist ja durchaus erkennbar, dass er in jüngster Vergangenheit häufiger im Stadion war. Man darf sein Engagement und seine Einsatzbereitschaft aber bitte nicht auf seine Anwesenheit in den Stadien reduzieren. Das finde ich nicht fair. Julian kommuniziert viel mit seinem Trainerstab, mit dem gesamten Staff. Und seine Assistenten besuchen ja auch viele Spiele, die im Nachgang gemeinsam ausgewertet werden. Julian ist auch im regelmäßigen Austausch mit seinen Spielern, das weiß ich. Er hängt sich rein in seine Arbeit. Kommende Woche fliegt er in die USA, um sich mögliche WM-Quartiere anzuschauen. Das alles belegt, dass er seine Aufgabe sehr professionell wahrnimmt.

WAMS: Wie viele Quartiere schaut sich der DFB an?

Neuendorf: Es wurde eine Vorauswahl von Quartieren getroffen, die jetzt genauer inspiziert werden, um nach der hoffentlich erfolgten direkten Qualifikation und nach der Gruppenauslosung im Dezember bei der Fifa schnell zu hinterlegen, wo man sein Quartier aufschlagen möchte. Denn die Begehrlichkeiten werden bei 48 Teams sicher groß sein.

WAMS: Hat sich die DFB-Führung schon Gedanken gemacht, wie viel Geld für Prämien zurückgelegt werden muss?

Neuendorf: Es ist besprochen, dass wir uns nach der Auslosung mit dem Mannschaftsrat unterhalten. Aus Erfahrung gehe ich davon aus, dass die Gespräche zügig und fair verlaufen werden. So habe ich es in der Vergangenheit zumindest immer erlebt. Es wird kein Pokerspiel geben.

WAMS: Wird die Prämienregelung der WM 2022 als Basis dienen, da hätte es 50.000 Euro für den Gruppensieg gegeben und 250.000 Euro pro Spieler für das Finale?

Neuendorf: Die Spieler haben sicher ihre Idee, wir haben unsere Ideen. Zahlen vom letzten Mal können natürlich als Grundlage dienen. Zugleich wird man gemeinsam analysieren, ob sich bestimmte Rahmenbedingungen und Parameter geändert haben, die gegebenenfalls eine Anpassung erforderlich machen. Ein normaler Prozess.

WAMS: Vielleicht sitzt Manuel Neuer mit am Verhandlungstisch. Die Debatte über seine mögliche Rückkehr hat die zwei vergangenen Länderspiele überlagert. Verstehen Sie das?

Neuendorf: Die anhaltende Diskussion überrascht mich und ist für mich auch nicht ganz nachvollziehbar. Manuel Neuer ist ein super Torwart. Aber wir müssen uns an den Fakten orientieren. Im August letzten Jahres hat er seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt. Und ganz ehrlich: Ich finde nicht, dass wir in der Nationalelf aktuell ein Torwartproblem haben. Oliver Baumann hat es zuletzt hervorragend gemacht und ist ohne Gegentor geblieben, wurde von allen Seiten gelobt – und trotzdem gibt es die Debatte. Oliver Baumann ist ein sehr guter Torwart. Das will ich an dieser Stelle einmal ausdrücklich sagen.

WAMS: Der DFB plant während der WM ein „Deutsches Haus“ in New York. Was steckt dahinter?

Neuendorf: Es ist ein Gedanke, den wir verfolgen, um beim Turnier, ähnlich dem DOSB bei Olympischen Spielen, einen Anlaufpunkt zu schaffen für Fans, Sponsoren und alle Menschen, die die deutsche Nationalmannschaft mögen. Ziel ist es, Veranstaltungen während der WM oder auch Public Viewings anzubieten, wo Fans aus Deutschland aber auch mit amerikanischen Fans der deutschen Mannschaft in den USA in Kontakt treten können.

WAMS: Bereitet es Ihnen Sorgen, dass Trump seine Ankündigung in die Tat umsetzen und demokratisch regierten WM-Städten möglicherweise Spiele entziehen könnte, wenn es dort Proteste gegen seine umstrittene Politik gibt?

Neuendorf: Es wäre sicher ein kompliziertes Unterfangen, Spielorte zu verlegen. Es gibt Verträge zwischen den Ausrichterstädten und der Fifa. Und auf dieser Grundlage ist in Stadien und die Infrastruktur investiert worden. Das ist also auch ein mögliches juristisches Thema mit Blick auf potenzielle Schadensersatzforderungen. Ich glaube, dass die Fifa diese Debatte sorgsam begleiten und alles dafür tun wird, um die Spielorte so sicher wie möglich zu machen.

WAMS: Aufgrund der Erfahrungen der Klub-WM im letzten Sommer in den USA gibt es Überlegungen, die Anstoßzeiten wegen der Hitze nach hinten zu verlegen. Das würde bedeuten, in Europa würden Spiele mitten in der Nacht übertragen werden.

Neuendorf: Die Anstoßzeiten stehen noch nicht endgültig fest. An einigen Spielorten kann es in der Tat sehr heiß werden. Einige Stadien haben allerdings verschließbare Dächer, sodass dort auch mittags gespielt werden könnte. Mein Eindruck ist, dass man bei der Fifa für dieses Thema insgesamt eine hohe Sensibilität hat.

WAMS: Die WM 2034 in Saudi-Arabien soll wegen der Hitze wie schon die WM in Katar auf den Winter 2035 verlegt werden. Akzeptabel?

Neuendorf: Der große Unterschied zu Katar ist, dass 2034 der Vorlauf viel länger ist, sodass man sich bei der Erstellung des Fifa-Rahmenterminkalenders ab 2030 früh darauf einstellen könnte. Gerade im Winter 2034/35 findet eine Fülle von Großereignissen in Saudi-Arabien und Asien statt, die einer parallelen Austragung der Fußball-WM eher entgegenstehen. Da muss die Fifa genau abwägen.

WAMS: Neu ist, dass der DFB-Bundestag künftig alle zwei Jahre stattfindet. Die nächsten Veränderungen könnte es also schon 2027 geben. Es wird zum Beispiel eine AG eingerichtet, die sich mit der möglichen Abschaffung der DFB-Altersgrenze von 70 Jahren und der alternativen Einführung einer Amtszeitbeschränkung von bis zu drei Perioden (zwölf Jahre) beschäftigt. Ein erster Anlauf der DFB-Satzungskommission wurde von den Präsidenten der Landesverbände abgeschmettert aus Sorge vor dem „ewigen“ DFB-Funktionär. Ihre Meinung?

Neuendorf: Es wird keine Festlegung von mir geben, bevor die AG überhaupt die Arbeit aufgenommen hat. Grundsätzlich müssen wir aber in der Tat beim DFB schauen, dass wir die gesellschaftliche Realität im Verband noch besser abbilden. Insbesondere junge Männer und Frauen in unseren Gremien, in den Ausschüssen und Kommissionen empfinde ich als Bereicherung. Sie haben noch mal einen anderen Blick auf den Fußball.

WAMS: Eine AG wird auch für eine mögliche Regionalliga-Reform eingesetzt. Nur vier der fünf Regionalliga-Meister steigen in die 3. Liga auf, was gerade im Nordost-Verband für viel Unmut sorgt. Haben Sie eine Lösung parat?

Neuendorf: Das ist ein sehr komplexes Thema. Der Schlüssel für eine Lösung liegt aber nicht beim DFB, sondern bei den Regionalverbänden. Trotzdem habe ich mich mit den Initiatoren der Initiative „Aufstiegsreform 2025“ getroffen, denn ich sehe die Problematik und biete an, eine moderierende Rolle zu übernehmen.

WAMS: Der DFB ist durch seine 3. Liga sehr wohl betroffen.

Neuendorf: Ich habe Vertretern der Initiative klar gesagt: Es kommt nicht infrage, dass wir die 3. Liga antasten. Weil sich die 3. Liga phänomenal entwickelt hat. Diesen Erfolg wollen wir nicht gefährden, etwa durch eine Aufstockung auf 22 Teams und einen fünften Absteiger. Das wurde letztlich auch akzeptiert. Der Ball liegt im Spielfeld der Regionalverbände und der Klubs.

WAMS: Ist es nicht zu kurz gesprungen, nur über eine Regionalliga- statt über eine Struktur-Reform zu diskutieren? Es gibt 16 Bundesländer, warum braucht es 21 Landesverbände? Bei einer Reduzierung auf 16 könnten vier Verbände pro Regionalliga spielen – und die vier Meister steigen auf.

Neuendorf: Die Landes- und Regionalverbände sind autonom, sie entscheiden eigenständig über ihre Strukturen. Das Selbstbewusstsein der Regional- und Landesverbände im DFB ist sehr ausgeprägt. Und das ist auch gut so. Es wird sehr genau darauf geachtet, was Aufgabe des DFB ist und was eben nicht in seine Zuständigkeit fällt. Das ist gelebter Föderalismus.

WAMS: Ihnen wird medial vorgeworfen, durch die Einschränkung der Arbeit des durch Ihren Vorgänger Fritz Keller installierten Vergütungsausschusses werde der DFB wieder zum Selbstbedienungsladen. Was entgegnen Sie?

Neuendorf: Für mich ist die Aufregung nicht nachvollziehbar. Ich bin der Allerletzte, der auch nur den Anschein erwecken will, dass wir ein Selbstbedienungsladen sind. Einen unabhängigen Vergütungsausschuss habe ich uneingeschränkt unterstützt. Wir dürfen nicht in die Situation kommen, dass wir über die Zuwendungen an die Präsidiumsmitglieder selbst entscheiden. Was hier erfolgt ist: eine operative Erleichterung der Arbeit des Ausschusses bei der Ermittlung und Dokumentation der Zeitaufwände. Das wird jetzt von unserem Compliance-Beauftragten erledigt. Die letzte Entscheidung über die Vergütung der Präsidiumsmitglieder trifft aber wie bisher der Vergütungsausschuss. Alles andere ist für mich auch nicht darstellbar.

WAMS: Nach dem Bundestag wird es einen neuen DFB-Generalsekretär geben: Holger Blask, der schon Geschäftsführer der DFB GmbH & Co. KG ist, in die Anfang 2022 alle Bereiche ausgegliedert wurden, die Geld bringen. Macht das Sinn: erst klare Trennung von DFB e.V. und GmbH, jetzt wieder Zusammenführung?

Neuendorf: Uneingeschränkt ja. Es war schon 2022 in der Diskussion, diese beiden Positionen in der Person von Generalsekretär Friedrich Curtius zusammenzuführen, was allerdings letztlich scheiterte. Heute hat sich die Lage geändert: Wir haben viele Schnittmengen zwischen e.V. und KG, die neue Strategie gilt gleichermaßen für beide, und deshalb ist auch diese personelle Verknüpfung der richtige Schritt – auch als Signal an den Amateurbereich. Denn die Gewinne aus der KG fließen ja zum Großteil in den e.V. und damit auch ins Amateurlager.

WAMS: Auf Sie und Blask kommt Ungemach zu: eine Milliarden-Sammelklage der niederländischen Organisation „Justice for Players“ auf Schadensersatz gegen Fifa, DFB und eine Handvoll weiterer Verbände als Folge des EuGH-Urteils im Fall des französischen Ex-Profis Lassana Diarra. Sind Sie gewappnet?

Neuendorf: Das beschäftigt uns natürlich. Die Fifa hat eine niederländische Rechtskanzlei beauftragt und verhandelt nun mit „Justice for Players“. Wir warten ab, mit welchem Ergebnis die Fifa aus den Gesprächen kommt. Das werden wir dann juristisch prüfen.

WAMS: Die Uefa will die Qualifikation für die EM und WM für Fans und TV-Sender attraktiver machen und hat ihre Nationalmannschafts-Kommission beauftragt, Modell-Vorschläge zu machen. Sehen auch Sie Handlungsbedarf?

Neuendorf: Es ist vollkommen richtig, dass laufende Wettbewerbe immer wieder analysiert werden und überprüft wird, ob es Optimierungsbedarf gibt. Neben den angesprochenen kommerziellen Aspekten müssen mögliche Veränderungen unter anderem auch hinsichtlich der Auswirkungen auf den Spielkalender untersucht werden. In der Tat soll sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema im Hinblick auf anstehende Ausschreibungsprozesse beschäftigen. Ich begrüße das.

WAMS: Bundeskanzler Friedrich Merz plädiert für die Abschaffung des Videobeweises. Ihre Antwort?

Neuendorf: Knut Kircher hat als Geschäftsführer der DFB Schiedsrichter GmbH den Bundeskanzler in einem Schreiben in den Kölner Keller eingeladen, damit er sich davon überzeugt, wie dort gearbeitet wird, dass es um Fairness und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen geht. In der letzten Saison ist die Zahl der VAR-Eingriffe in der Bundesliga übrigens um 30 Prozent zurückgegangen. Das hat sicherlich auch mit der öffentlichen Debatte über zu niedrige Eingriffsschwellen zu tun. Man hat daraufhin gesagt: ‚Wir müssen das zurückfahren und uns auf das Notwendigste beschränken.‘ Mal gucken, ob der Kanzler die Einladung annimmt.

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