Soufiane El-Faouzi wusste gar nicht, in welche Richtung er sich drehen sollte. Von allen Seiten wurde sein Name gerufen – von der Haupttribüne, der Gegengeraden, der Südtribüne und von der Nordkurve, wo die Schalker Hardcore-Fans stehen, sowieso. „Um ehrlich zu sein: Ich kann das Gefühl überhaupt nicht beschreiben“, sagte der Mittelfeldspieler, der noch bis zum vergangenen Sommer bei Alemannia Aachen in der 3. Liga gekickt hatte – und der in den vergangenen Wochen immer mehr zur Symbolfigur des Schalker Höhenflugs geworden ist. Am Freitag stand El-Faouzi nach dem 1:0 (1:0) über Darmstadt 98 auf dem Rasen der Arena und nahm mit einem etwas verlegenen Lächeln die Ovationen entgegen.

„Es ist jedes Mal aufs Neue schön. Das ganze Stadion ist wach und hat Bock. Und wir nehmen diese Euphorie mit“, sagte der Deutsch-Marokkaner, der mit einer für ihn typischen Aktion maßgeblichen Anteil an dem Sieg hatte – dem fünften in Folge und bereits achten in der laufenden Zweitligasaison.

In der 9. Minute hatte sich der 23-Jährige entschlossen in einen Zweikampf geworfen – und den Ball anschließend zielgenau in den Laufweg von Moussa Sylla gespielt. Der rannte seinen Bewachern davon und vollendete im Stile eines eiskalten Torjägers. „Das ist das, was der Trainer will: Dass ich Bälle erobere und sie dann direkt nach vorn, in die Tiefe spiele“, erläuterte El-Faouzi den einstudierten, im Training x-mal probierten Spielzug.

In der 78. Minute schoss Darmstadt erstmals auf das Schalker Tor

Die Schalker, die in der vergangenen Saison ihre Fans permanent an den Rand der Verzweiflung gebracht hatten, überrumpeln ihre Gegner derzeit reihenweise. Gegen ihre Mischung aus Zweikampfhärte, Geschlossenheit und Tempo finden auch technische versierte Teams wie die Darmstädter kaum Mittel. Die Mannschaft von Trainer Miron Muslic gestattete ihnen kaum konstruktive Spielzüge, geschweige denn Torchancen. Am Freitag dauerte es bis zur 78. Minute, ehe die Südhessen zum ersten Mal auf das Schalker Tor schießen konnten. Es ist kein Zufall, dass die Königsblauen bislang nur vier Gegentore kassierten. Fünfmal spielten sie zu null.

„Wir verteidigen im Kollektiv. Wir lassen nie einen gegnerischen Spieler auf dem Flügel dazu kommen, in ein direktes Duell gehen zu können – um so nach Möglichkeit erst gar nicht in die Situation zu kommen, im eigenen Strafraum verteidigen zu müssen“, sagte Muslic, der im Sommer vom englischen Zweitligisten Plymouth Argyle geholt worden war. „Dies bedingt Struktur, Organisation und vor allem Intensität“, so der 43-Jährige über seine Herangehensweise, die in ihrer Reinform ein wenig an die ganz auf Pressing und Gegenpressing basierende Spielweisen der Anfangsjahre von Ralf Rangnick oder Jürgen Klopp erinnern. Es ist nicht unbedingt filigran, aber wirkungsvoll. Oder, wie Klopp es einmal formulierte: Heavy Metal.

Damit hat Muslic Erfolg – auch, weil durch das Selbstvertrauen mittlerweile erheblich gewachsen ist. „Das ist echt der Wahnsinn hier. Du musst diese Euphorie leben, diese Begeisterung. Du musst auf dieser Welle mitschwimmen“, sagte er. Durch den erkennbaren Willen der Spieler, sich in jedem Spiel zu zerreißen, ist tatsächlich eine Aufbruchstimmung entstanden. Die Mannschaft glaubt wieder an sich – und die Fans wieder an Schalke.

Das schien noch vor wenigen Monaten utopisch. „Historisch schlechteste Platzierung – schöne Sommerpause, ihr Versager“, hatte auf einem Transparent gestanden, mit dem die enttäuschten Anhänger die Profis beim letzten Spiel der vergangenen Saison in den Urlaub verabschiedet hatten. Da hatte sich Schalke gerade noch auf den 14. Tabellenplatz retten können – nachdem sie monatelang im Abstiegskampf waren. Wie, fragten sich viele, soll der Traditionsverein, der zudem mit internen Querelen und großen finanziellen Problemen zu kämpfen hatte (letztere gibt es nach wie vor) überhaupt wieder eine Perspektive haben?

„Jeder weiß, was hier letzte Saison los war. Es war keine gute Zeit. Aber wir hatten Gespräche mit dem Trainer und mit Frank. Wir wussten alle, dass wir einige besser machen müssen“, sagte El-Faouzi. „Frank“ ist Frank Baumann, der neue Sport-Vorstand, der ebenfalls im Sommer nach Schalke gekommen war. Mit dem langjährigen Geschäftsführer von Werder Bremen ist endlich auch Ruhe auf der Führungsebene eingekehrt.

Den entscheidenden Input zur Trendwende gab jedoch Muslic. Ihm gelang es, eine Spielweise zu implementieren, die zu den Spielern passt – darüber hinaus bedient er auch noch die Sehnsucht der Fans nach Identifikation. In der vergangenen Woche verblüffte Muslic die Anhänger, indem er beim Sender „Sky“ ein 28 Jahre altes Lied anstimmte: das über die legendären „Eurofighter“. Die Mannschaft, die 1997 den Uefa-Pokal gewinnen konnte. Damit hat er endgültig in das Schalker Herz geschafft.

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