Gabriela Sabatini war einst die große Rivalin von Steffi Graf auf dem Tennisplatz. Bereits im Teenageralter feierte sie mit 15 Jahren als jüngste Halbfinalistin bei den French Open ihren Durchbruch und gewann insgesamt 27 Einzel- sowie 14 Doppel-Titel auf der WTA-Tour. Ihr größter Triumph war der Gewinn der US Open 1990 gegen Graf, sie verweilte blieb über ein Jahrzehnt in den Top Ten der Weltrangliste. Sabatini beendete ihre Karriere im Alter von nur 26 Jahren und widmete sich erfolgreich Geschäftsfeldern wie Parfüms. Sie lebt heute zurückgezogen in der Schweiz.
Als Botschafterin des neuen 125er-WTA-Turniers Mallorca Women’s Championships im Country Club in Santa Ponsa übergibt Sabatini am Sonntag die Trophäen an die Siegerinnen. Zuvor gab die 55-Jährige uns eines ihrer wenigen Interviews.
Frage: Frau Sabatini, nach ihrem Karriereende 1996 haben Sie jahrelang überhaupt kein Tennis mehr gespielt. Warum eigentlich?
Gabriela Sabatini: Ich habe das Spiel einfach nicht mehr genossen. Das begann schon einige Zeit vor dem Karriereende. Dabei war ich damals erst 26 Jahre alt. Das hat mir die Entscheidung auch besonders schwer gemacht. Ich habe das sogar mit meinem Psychologen besprochen, um sicherzugehen, dass ich es nicht bereuen würde. Letztlich war ich mir dann aber sicher, dass ich aufhören wollte. Ich war mental müde von den Zwängen und dem Druck des Profi-Tennis.
Frage: Was genau hat Sie müde gemacht?
Sabatini: Das Müssen – trainieren zu müssen, auf meine Ernährung achten zu müssen, zu Turnieren reisen zu müssen. Ich erinnere mich daran, dass ich mich nach meinem letzten Profispiel innerlich noch oft gefragt habe, wann ich zum Training muss und wann ich ins Bett gehen sollte. Ich musste mir erst mal selbst erklären, dass ich plötzlich tun konnte, was ich wollte. Und genau das war mein Wunsch: zu leben wie ein normaler Mensch. Beispielweise mit meinen Freundinnen essen zu gehen, ohne auf die Uhr zu schauen. Das hatte ich zuvor jahrelang nicht mehr, weil ich ja schon mit 14 Jahren professionell Tennis gespielt habe. Als ich diese Freiheit wieder hatte, war ich total glücklich. In der Zeit wollte ich einfach keinen Schläger mehr in die Hand nehmen und habe es kein bisschen vermisst. Das ging jahrelang so.
Frage: Inzwischen spielen Sie wieder …
Sabatini: Ja. Auf größerer Bühne ging es aber erst 2022 wieder richtig los. Da wurde ich gemeinsam mit meiner Freundin Gisela Dulko zum Legenden-Turnier von Roland Garros eingeladen. Es mag unglaublich klingen, aber wir waren damals supernervös. Denn insbesondere in Argentinien war das eine große Sache. Wir mussten wieder Interviews geben, und es fühlte sich an, als würden wir wieder ins Profi-Tennis zurückkehren (lacht). Aber ich habe das letztlich sehr genossen und deswegen danach immer wieder an solchen Legenden-, Show- und Benefizturnieren teilgenommen. Besonders gerne erinnere ich mich an ein Showmatch, in dem ich mit Rafa Nadal gegen Gisela Dulko und Casper Ruud gespielt habe.
Frage: Wie sieht Ihr Leben abseits des Platzes heute aus?
Sabatini: Ich lebe gerade in der Schweiz. Ich versuche, morgens täglich Sport zu machen. Ich fahre seit Jahren leidenschaftlich gerne Rad. Beruflich kümmere ich mich noch immer um meine Parfüms, die ich in den 1980ern mit einem deutschen Unternehmen auf den Markt gebracht habe. Ich habe auch zwei Barista-Kurse gemacht, weil ich ein großer Kaffee-Fan bin. Ich spiele schon länger mit der Idee, mal ein eigenes Café aufzumachen. Zuletzt war ich auch als Botschafterin für eine Automarke bei Roland Garros – das Tennis begleitet mich irgendwie doch immer.
Frage: Nun sind Sie zur Botschafterin der Mallorca Women’s Championships ernannt worden, einem neuen WTA-125-Turnier im Country Club in Santa Ponsa. Wie kam es dazu?
Sabatini: Die Organisatoren sind auf mich zugekommen, und es hat perfekt gepasst. Auch, weil ich oft auf Mallorca bin. Die Insel ist ein Paradies, insbesondere für meine Fahrradtouren. Das ist für mich ein magischer Ort. Vor allem fand ich aber die Idee schön, ein Turnier zu unterstützen, auf dem sich viele junge Spielerinnen beweisen und für noch größere Wettbewerbe in Stellung bringen können. Ich habe ein besonderes Herz für junge Sportler, die sich nach oben kämpfen wollen – denn ich war auch mal an ihrer Stelle und weiß, was sie alles für ihren großen Traum geben.
Frage: Mit Mariella Thamm, Julia Stusek und Noma Noha Akugue waren auch junge deutsche Starterinnen dabei. Verfolgen Sie denn das deutsche Damentennis?
Sabatini: Die ganz jungen Spielerinnen hatte ich noch nicht gesehen. Ich habe mich aber sehr darüber gefreut, sie zu sehen. Denn Deutschland hatte immer wieder großartige Spielerinnen – ich weiß, wovon ich rede.
Frage: Sie spielen auf ihre große Rivalin Steffi Graf an, gegen die Sie 40 Mal gespielt haben – und das regelmäßig in großen Halbfinals und Finals.
Sabatini: Steffi war und ist für mich eine der größten, wenn nicht sogar die Allergrößte! Ich hatte zwar einige bittere Niederlagen gegen sie, bin ihr aber dankbar. Denn sie hat mein bestes Tennis aus mir herausgekitzelt. Unsere sportliche Rivalität hat außerdem für unvergessliche Momente gesorgt, an die ich bis heute gerne zurückdenke.
Frage: Vor allem das Finale der US-Open, das Sie 1990 in zwei Sätzen gegen Graf gewannen?
Sabatini: Das war der Höhepunkt meiner Karriere. Ich war zuvor schon mehrfach so nah dran, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, aber es klappte über viele Jahre einfach nicht. Der Titel bei den US Open war der Moment, in dem sich all meine Arbeit der Vorjahre endlich auszahlte. Ich kann dieses Gefühl gar nicht beschreiben. Aber wenn ich heute an Steffi denke, kommt mir gar nicht unbedingt dieses Spiel in den Sinn.
Frage: Sondern?
Sabatini: Ihre sportliche und menschliche Größe. Sie hat sich selbst unglaublich viel abverlangt und dadurch alle besser gemacht. Und auch privat habe ich sie über die Jahre hinweg immer mehr zu schätzen gelernt. Nachdem mit unseren Karrieren auch unsere Rivalität als Sportlerinnen zu Ende gegangen war, haben wir uns als Menschen besser kennenlernen können. Ich mag ihre Art unheimlich gerne. Sie ist sehr bodenständig und privat. Sie lebt für ihre Familie und die Kinder.
Frage: Haben Sie nach wie vor Kontakt?
Sabatini: Ja, wir telefonieren immer mal wieder – zum Beispiel zum Geburtstag. Wir haben uns fest vorgenommen, uns möglichst bald mal wieder zu treffen.
Frage: Denken Sie nie daran, wie viele Titel Sie wohl gewonnen hätten, wenn Steffi Graf nicht ausgerechnet zur selben Zeit aktiv gewesen wäre?
Sabatini: Ehrlicherweise nicht. Zu meiner aktiven Zeit war es schon ärgerlich, so oft kurz vor dem Titelgewinn zu stehen und ihn dann doch nicht zu holen. Heute kann ich aber sagen, dass ich mit meiner Karriere total zufrieden bin. Das darf man sein, wenn man alles gegeben hat – und das habe ich. Ich kann mir nichts vorwerfen. Über die Jahre bin ich auch gereift und kann erkennen, was ich dem Tennis alles zu verdanken habe. Damit meine ich nicht nur Materielles oder die Tatsache, dass ich so viele schöne Orte kennenlernen durfte. Ich meine vor allem den Sport an sich. Er gibt gerade jungen Menschen so viel. Ich habe Tennis deswegen von klein auf geliebt und liebe das Sportmachen insgesamt noch heute.
Frage: Tennis-Deutschland hofft seit Jahren auf eine neue Steffi Graf. Können Sie Hoffnung machen?
Sabatini: Steffi war und ist einmalig. In den vergangenen Jahren wurde immer wieder deutlich, wie unglaublich schwer es selbst für Topspielerinnen ist, sich so lange Zeit an der Weltspitze zu halten, wie Steffi es gemacht hat. Ich finde, wir sollten deshalb auch wertschätzen, was Angelique Kerber geschafft hat. Sie war immerhin die Nummer eins der Welt – das ist unfassbar schwer! Dasselbe gilt für Tatjana Maria, die es nach einer Schwangerschaft bis ins Halbfinale von Wimbledon geschafft hat. Das alles, auch mehrere Spielerinnen in den Top 100 der Welt zu haben, sind Erfolge. Erfolg kann man nicht nur daran messen, eine Nummer eins der Weltrangliste hervorzubringen. Das geht nun mal nicht so oft! Ich glaube aber, dass das deutsche Tennis auch in Zukunft gute Geschichten schreiben wird. Denn Deutschland hatte schon mehrere großartige Spieler wie Boris Becker oder aktuell Alexander Zverev. Und das ist kein Zufall: Tennis war in Deutschland schon immer sehr beliebt und es gab und gibt viele tolle deutsche Trainer. Das sind gute Voraussetzungen, um gute Spieler herauszubringen.
Frage: Was halten Sie vom aktuellen Damentennis generell?
Sabatini: Es hat sich brutal entwickelt. Das Spiel ist so viel schneller und physischer geworden als zu meiner Zeit. Das beste Beispiel dafür ist Aryna Sabalenka, die gerade besonders oft um die großen Titel mitspielt und schon einige gewonnen hat. Ich persönlich mag Karolína Muchová sehr, weil sie variantenreich spielt und ich mich damit irgendwie identifizieren kann. Das kann auch den körperlich besonders starken Spielerinnen Probleme machen. Dieser Mix macht die Weltspitze gerade spannend, weil es mehrere verschiedene Spielerinnen gibt, die große Titel holen können.
Frage: Kommt für Sie eigentlich auch ein Trainerjob infrage?
Sabatini: Ich hatte tatsächlich schon ein paar Angebote. Bisher kam das für mich aber nicht infrage, weil ich mich mit der Vorstellung der vielen Reisen nicht anfreunden konnte. Aber wer weiß: Vielleicht kommt ja ein Projekt, das mich total überzeugt? Ich bin grundsätzlich für alles offen und genieße das Privileg, dass ich vieles machen kann, aber nicht unbedingt etwas machen muss.
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in BILD AM SONNTAG veröffentlicht.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke