Weltmeister Jürgen Kohler war einer der besten Abwehrspieler, die Deutschland je hatte. 1990 in Italien feierte er zusammen mit der Nationalmannschaft den WM-Titel. Als er einige Jahre später seine Karriere beendete, bekam er für seine letzte Grätsche die rote Karte. Heute feiert der "Fußballgott" seinen 60. Geburtstag!

Unglaublich aber wahr: Dieser Kerl von einem "Fußballgott" wurde einst wegen "Kreuzbeschwerden" ausgemustert. Man könnte also verkürzt sagen: Nicht geeignet für die Bundeswehr, aber tauglich für den langjährigen Nahkampf-Einsatz auf dem grünen Rasen. Was auch immer die Damen und Herren damals bei der Musterung geritten haben mag, selbst der legendären Erotik-Expertin Erika Berger reichte kurz vor der siegreichen Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien ein Blick, um fasziniert über den Abwehrrecken aus dem pfälzischen Lambsheim festzustellen: "Ein Mann wie eine Eiche. Ein Mann, der nicht lange fackelt." Und der dänische Stürmer Preben Elkjær Larsen schüttelte nur ungläubig den Kopf: "Gegen den macht höchstens ein Marsmensch ein Tor."

Der "kicker" hat einmal über den "Fußballgott" geschrieben: "Da steht Jürgen Kohler, der Münchener Manndecker, spannt seinen Oberkörper wie ein Fangnetz unter der Zirkuskuppel und fängt das Leder mit der Brust. Wie Obelix den Hinkelstein auf dem Rücken hat Kohler in diesen Sekunden den Ball auf der Brust. Wie festgeklebt, das Leder fällt nicht runter." Der Mann faszinierte die Massen durch seine abgeklärte, souveräne und meist erfolgreiche Art. Die Mitspieler liebten ihn und die Gegenspieler fürchteten ihn.

"Kann noch mehr auf die Socken hauen"

In Italien haben sie Jürgen Kohler "Massino" getauft, was so viel bedeutet wie bissiger Hund oder auf den Fußball übertragen Wadenbeißer. Der Verteidiger genoss seine Zeit bei Juventus Turin damals sehr: "Hier in Italien werde ich noch abgezockter, kann noch mehr auf die Socken hauen - ohne dass es jemand merkt." Die Spielweise der Italiener passte zu der alten Devise des Mannes, der aus der berühmten Waldhöfer Verteidiger-Schule stammte: "Der Stürmer muss das Hecheln im Ohr haben. Das kann sehr unangenehm sein."

Das Glamour-Magazin "Bunte" hat seinen Lesern während der Weltmeisterschaft 1990 in Italien versucht, Kohler mit diesen Worten nahe zu bringen: "Deutschlands Abwehr-As Kohler schwört auf den Augenkontakt. Beim Aufwärmen vor den großen Spielen der WM läuft er zu seinem Gegenspieler, baut sich vor ihm auf und blickt ihm tief und drohend in die Augen. Das signalisiert: ›Du gehörst mir. Ich habe keine Angst vor dir.‹"

Jürgen Kohler ("Zuviel Denken ist immer schlecht") als beinharten Verteidiger zu beschreiben, wäre wohl untertrieben. TV-Kommentator Jörg Dahlmann meinte einmal hörbar beeindruckt: "Kohler köpft alles weg, der würde sogar eine Kiste Bier aus dem Strafraum köpfen." Für den ZDF-Mann Aris Donzelli war der "Fußballgott" quasi unkaputtbar: "Metzelder könnte einer sein, der, wenn Jürgen Kohler in 20, 30 Jahren abtritt, die Lücke schließen kann." Dabei hatte auch Kohler so seine Probleme. Nie um eine Ausrede verlegen, hatte er nach einer Niederlage die Begründung für diese gleich parat: "Gestern hat's geregnet und heute schien die Sonne - da muss sich der Körper erst mal darauf einstellen!"

"Pass war gar nicht schlecht"

Wenn es ums Filigrane ging, hatte der Nationalmannschaftsverteidiger ohnehin nicht immer alle Pressevertreter auf seiner Seite. Marcel Reif meinte einmal, nachdem Kohler einen Pass über fünf Meter gespielt hatte, der im Seitenaus gelandet war: "Für Kohlers Verhältnisse war der Pass gar nicht schlecht." Und Manni Breuckmann lachte ins Mikrofon: "Ein Hackentrick von Jürgen Kohler - das kann ja nicht gut gehen." Darüber hinaus lud der Spitzname des Abwehrspezialisten Pressevertreter zu sprachlich feinen Sätzen ein. ZDF-Kommentator Wolf-Dieter Poschmann erlebte bei der WM 1990 alleine auf dem Rasen eine Sternstunde seiner Karriere, als er sagte: "Von Jürgen Kohler, den sie alle nur 'Kokser' nennen, zurück zum heutigen Gegner Kolumbien - eine gelungene Überleitung wie ich finde."

Einen ganz besonderen Moment hatte Jürgen Kohler im Sommer 2001 mit dem BVB-Trainer Udo Lattek. Über die Sitzung vor dem entscheidenden Spiel beim VfB Stuttgart hat Matthias Sammer einmal aus dem Nähkästchen geplaudert. Lattek beschwor die Mannschaft damals mit diesen Worten: "Ich erzähl euch jetzt mal eine Geschichte. Ihr sitzt zu Hause, ganz gemütlich im Wohnzimmer, habt die Beine hochgelegt und guckt gemeinsam mit eurer Frau einen schönen Film im Fernsehen. Glas Rotwein dabei. Und plötzlich hört ihr es krachen und schwarz vermummte Einbrecher stehen bei euch im Haus. Mensch, was macht ihr da?", fragte Udo Lattek den "Kokser" und brachialen Manndecker Jürgen Kohler. Insgeheim rechnete er natürlich damit, dass der sich erregt, aufspringt und lautstark tönt: "Trainer, ganz klar. Die musst du umhauen!"

"Genau, ruhig bleibt man!"

Doch Kohler lehnte sich entspannt zurück und sagte: "Trainer, in so einer Situation muss man ganz ruhig bleiben!" Und Udo Lattek, der alte Fuchs, hielt nur für einen Moment inne und meinte dann: "Ganz genau. Ganz ruhig bleibt man. Und so müsst ihr heute spielen. Mit viel Ruhe und Augenmaß, dann haut das schon hin!"

Ein Jahr später war dann Schluss in Dortmund. Im Mai 2002 hängte Jürgen Kohler seine Schuhe an den berühmten Nagel. Der "Fußballgott" ging nach 398 Bundesligaspielen, und der "kicker" titelte ihm zu Ehren schon vor der Partie am 8. Mai 2002 im Rotterdamer Stadion De Kuip voller Pathos: "Die letzte Grätsche!" Doch da wusste noch niemand, wie tragisch die Karriere des Jürgen Kohler tatsächlich enden sollte - an diesem finalen Abend beim Endspiel des UEFA-Pokals zwischen Feyenoord Rotterdam und Borussia Dortmund.

"Ein Fußballgott nahm Abschied"

Beim Stand von 0:0 war dem "Vorstopper der Nation" ("FAZ") an diesem Abend die Kugel über den Spann gerutscht - und rollte nun in Richtung Jens Lehmann zum Tor des BVB. Der Däne in Diensten von Feyenoord, Jon Dahl Tomasson, schaltete blitzschnell und jagte dem Ball hinterher. Jürgen Kohler natürlich auch, aber in dieser Situation machte sich sein fortgeschrittenes Alter bemerkbar. Der 36-jährige Dortmunder Verteidiger wusste sich im Strafraum nur mit einer Grätsche zu helfen. Wie so viele Male zuvor in seiner Karriere. Doch diesmal traf Kohler dabei alles - aber leider nicht den Ball. Schiedsrichter Vítor Melo Pereira aus Portugal hatte gar keine andere Wahl, als auf Elfmeter für Rotterdam zu entscheiden - und nur einige Sekunden später dem Mann vom BVB auch die Rote Karte zu zeigen.

Später sollte der Präsident der Borussia, Gerd Niebaum, sagen: "Der Schiedsrichter hätte bedenken können, dass ein Fußballgott Abschied nimmt. Das haben wir vergessen, ihm zu sagen." Und so endete die Karriere des legendären Abwehrrecken fast schon standesgemäß. Eine letzte Grätsche zum Schluss einer großartigen Laufbahn. Heute feiert der "Fußballgott" seinen 60. Geburtstag. Alles Gute und Glück auf, lieber Jürgen Kohler!

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