Amanal Petros schmiss sich mit letzter Kraft über die Ziellinie und schlug sich dann nach seinem Sensationscoup im Marathon etwas ungläubig die Hände über den Kopf. Der 30-Jährige gewann völlig überraschend bei den Weltmeisterschaften in Tokio die Silbermedaille.

Nach einem Erfolg für die deutsche Leichtathletik-Geschichte wollte der in jungen Jahren aus Afrika geflüchtete Läufer eingehüllt in eine Deutschland-Fahne gar nicht mehr mit der Ehrenrunde aufhören.

„Für mich ist es eine riesengroße Geschichte, das zu erreichen – besonders für meine Familie, für meine Mama, die schon ewig in einem Kriegsgebiet lebt. Ich habe sie seit acht, neun Jahren nicht gesehen“, sagte Petros.

Der 30-Jährige musste sich bei extrem schwülen Bedingungen in einem enorm spannenden Schlusssprint nur Alphonce Simbu aus Tansania im Foto-Finish mit einem Wimpernschlag von nur drei Hundertsteln geschlagen geben. Im Schlussspurt gab Petros noch einmal alles, er lief vor seinem Kontrahenten ins Stadion, dieser holte aber Schritt um Schritt auf, ehe sie Schulter an Schulter an Schulter waren. Petros schmiss sich am Ende über die Linie, um Simbu mit einem Sprung vielleicht doch noch abzufangen, doch es sollte nicht sein.

Petros sagte, dass er auch „traurig“ über die verpasste Goldmedaille sei, doch am Ende überwog die Freude über den mit Abstand größten Erfolg seiner Karriere: „Ich bin sehr froh.“

„Amanal hat Geschichte geschrieben“

„Amanal hat Geschichte geschrieben“, sagte ein vollkommen überwältigter Marathon-Bundestrainer Alexander Fromm, der Freudentränen in den Augen hatte, in der ARD: „Einfach überragend.“

Petros lief die prestigeträchtige Strecke von 42,195 Kilometern in Tokio in 2:09:48 Stunden und machte von Beginn an in der Spitzengruppe ein starkes Rennen. Auf Tempoverschärfungen konnte er stets antworten. Als er mit Simbu und Aouani auf die letzten Meter in das Nationalstadion von Tokio einbog, griff Petros an. Bis wenige Meter vor dem Ziel sah er sogar wie der Sieger aus. Doch dann zog Simbu noch an dem Deutschen vorbei.

„Diese Medaille ist für mich eine riesengroße Integration als Deutscher“, sagte Petros, dessen Mutter in Tigray in Äthiopien lebt. Da die Mutter laut Petros in einem Dorf ohne Strom und Internet lebt, wolle er ihr ein paar Videos schneiden und schicken. „Hoffentlich werde ich sie mal nach Deutschland zu einem Wettkampf bringen.“ Es sei sein großes Ziel, seine Mutter „mal irgendwann nach Deutschland einzuladen“ zu einem Marathon. „Um einfach mal zu zeigen, wie ich so laufe.“

Während Petros mit seinem zweiten Platz bei den Weltmeisterschaften in der japanischen Millionenmetropole deutsche Leichtathletik-Geschichte schrieb, war seine Mutter rund 10.000 Kilometer Luftlinie entfernt in der von Krieg und Konflikten gebeutelten Region Tigray in Äthiopien.

2012 aus Ostafrika geflüchtet

Der 2012 aus Ostafrika geflüchtete Petros holte damit erst die zweite deutsche Marathon-Medaille bei den Männern in der Geschichte von Leichtathletik-Weltmeisterschaften. 1983 in Helsinki gewann der zweimalige Olympiasieger Waldemar Cierpinski für die DDR Bronze.

„Ich träume jetzt gerade. Es war wirklich eine sehr, sehr lange Reise. Endlich habe ich es geschafft. Ich habe vier Monate lang auf 2.500 Metern Höhe in Kenia trainiert. Das war für mich keine leichte Zeit, das war brutal“, sagte Petros.

Nach Silber von Weitspringerin Malaika Mihambo am Sonntag ist der Petros-Coup bereits das zweite Edelmetall für den Deutschen Leichtathletik-Verband in Japan. Bei der vergangenen WM in Budapest vor zwei Jahren waren die deutschen Sportlerinnen und Sportler noch komplett ohne Medaille geblieben.

Richard Ringer lief wie auch Petros ein couragiertes Rennen und belegte den 13. Rang. Nach etwa 34 Kilometern musste der Europameister von 2022 in München die Spitzengruppe ziehen lassen.

„Mein Ziel war Top-Acht“, sagte Ringer, der wegen des Coups seines Teamkollegen Petros trotzdem sehr glücklich war. „Die letzten Tage habe ich mit ihm auf dem Zimmer verbracht. Da haben wir uns gegenseitig gepusht.“ Man müsse den „Moment genießen“, betonte Ringer. „Amanal hat damals mit mir den EM-Titel genossen. Und heute genieße ich seine Medaille.“

Einen kleinen Plan für das Team und sich hatte Petros dafür schon aufgestellt. Die Silbermedaille wollte er mit Rotwein feiern. „Jetzt bin ich kein Läufer mehr, sondern ich bin jetzt Säufer“, sagte Petros mit einem Schmunzeln.

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