Wenige Tage vor dem Start der Weltmeisterschaften legt eine Doku einen Schatten über die deutsche Leichtathletik: Mehrere Athletinnen berichten von sexuellem Missbrauch durch Trainer. Mit dabei auch eine, die in Tokio an den Start gehen wird.
Aufdringliche Liebesbekundungen, übergriffige Chats oder anzügliche Massagen: Kurz vor der WM in Tokio (13. bis 21. September) berichtet die ZDF-Sendung Frontal in einer Dokumentation (Dienstag, 21 Uhr oder in der Mediathek) über Fälle sexuellen Missbrauchs in der deutschen Leichtathletik. Trainer sollen dabei gezielt die Macht ihrer Position ausgenutzt haben, um sich ihren teilweise minderjährigen Athletinnen genähert zu haben. Die Recherchen haben bereits in zwei Fällen zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft geführt. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat einem Beschuldigten bereits die Trainerlizenz entzogen und bei einem anderen "umgehend ein A-Lizenzentzugsverfahren eingeleitet", wie es auf Anfrage heißt.
Unter anderem berichtet Eileen Demes, die für Deutschland über 400 Meter Hürden in Tokio an den Start gehen wird, über ihre Erfahrungen. Als 17-Jährige habe ihr damals doppelt so alter Trainer sie mit Liebesbriefen unter Druck gesetzt. Oder sie an seinem Geburtstag zum Essen eingeladen. "Da hat er mir dann gesagt, dass er mich liebt und dass er es schön fände, jeden Tag neben mir aufzuwachen", erzählt Demes, die beim Interview gezittert habe, wie das ZDF berichtet.
Warum sie sich erst jetzt, zehn Jahre nach den Übergriffen öffnet? Sie habe sich hilflos gefühlt, heißt es in der Recherche. Ihre Angst: Wenn sie sich beschwert, gibt es keinen anderen Trainer, keine andere Trainingsgruppe in der Nähe. Sie wollte ihre Leidenschaft, die Leichtathletik, nicht verlieren und schwieg. Erst sieben Jahre später schafft sie es, Verein und Trainer zu wechseln. Sie sagt niemandem warum. Der Trainer bleibt im Verein.
Andere Sportlerinnen, die teilweise anonym bleiben, berichten von nächtlichen Nachrichten ("Mich interessiert, wie du beim Sex abgehst") oder sexuellen Übergriffen: "Er wollte, dass ich mich ausziehe. Und daraufhin hat er sich ausgezogen. Und hat mich dann angefasst." Der Trainer habe sich auch selbst befriedigt.
"Wusste nicht, dass das der Preis ist"
Eine Athletin aus Niedersachsen erklärte dem ZDF, warum sie Übergriffe nicht sofort angezeigt habe: "Ich hatte ein Ziel. Ich wollte an die Weltspitze, ich wollte was erreichen. Ich habe ihm wirklich mein vollstes Vertrauen dafür gegeben, und es hat ja auch funktioniert. Ich wusste zuvor einfach nur nicht, dass das der Preis ist, dass ich mich entblößen muss oder dass ich etwas preisgebe, dass Grenzen überschritten werden." Der Trainer, gegen den sich die Vorwürfe richten, ließ nach Angaben des ZDF alle Anschuldigungen von einer Anwältin zurückweisen.
"Aus meiner Sicht hat der Sport massive Schutzlücken. Das liegt genau auch daran, dass Tatpersonen, die letztlich das Ziel der sexuellen Ausbeutung haben, sehr leicht in einen anderen Verband wechseln können", sagt Kerstin Claus, die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, in der Doku. Der DLV will diese Lücke im System jetzt so schnell wie möglich schließen. Damit Athletinnen in Zukunft nicht mehr das erleben müssen, was Demes und andere durchgemacht haben.
Der Verband schreibt in einer Stellungnahme: "Der Schutz der Athletinnen und Athleten hat für uns allerhöchste Priorität. Missbrauch im Sport ist ein zutiefst erschütterndes Vergehen, das für uns alle unvereinbar mit den Werten des Sports ist. Kinder und Jugendliche verdienen unseren besonderen Schutz, denn sie sind uns anvertraut und auf unser verantwortungsbewusstes Handeln angewiesen."
Der DLV, der bereits 2010 ein Schutzkonzept zum Thema "Prävention sexualisierter Gewalt im Sport (PSG)" erarbeitet hat und auf seiner Website Hilfsangebote für Betroffene macht, teilt weiter mit: "Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem sie sich frei entfalten und ihre sportlichen Ziele ohne Angst verfolgen können. Jeder einzelne Fall von Gewalt oder Missbrauch ist nicht tolerierbar und fordert von uns sofortiges, entschiedenes und konsequentes Handeln."
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