Im deutschen Spitzentennis sind Erfolgsmeldungen rar. Für die wenigen sorgten bei den noch bis zum Sonntag dauernden US Open zwei Außenseiter. Und dass einer von ihnen auch noch Altmaier heißt, passt zum Zustand des deutschen Tennis im September 2025.
Jan-Lennard Struff, in New York der zweite Lichtblick, zuckte mit den Schultern. Ob ein Anruf Alexander Zverev nach dessen frühem Aus doch noch für den Davis Cup umstimmen könne, wisse er nicht. Struff, einziger deutscher Achtelfinalist in Flushing Meadows, hat jedenfalls Lust, die Tennis-Herren im Nationen-Wettbewerb zur Titelchance zu führen. Der Davis Cup könnte das deutsche Tennis in ein positives Licht rücken, zumindest später in der Finalrunde.
Für das Gastspiel in Tokio am 12. und 13. September hatte Zverev „aufgrund des vollen Tourkalenders“ abgesagt. Nun reiste er Tage früher als erhofft aus New York ab. Dass der einzige deutsche Tennisspieler, der Weltklasse verkörpert, deswegen doch für die auch ohne ihn machbare Aufgabe nach Japan fliegt, wo die Qualifikation für die Finalrunde im November ansteht, ist unwahrscheinlich.
Auch wenn er weiter auf seinen ersten Grand-Slam-Titel wartet, überstrahlt Zverev seit Jahren, dass hinter ihm im deutschen Tennis wenig los ist. Das weiß auch Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann. Ein paar Spieler würden zwar momentan verletzt fehlen. Aber: „Wir können nichts schönreden“.
Bloß sechs Deutsche standen in den Einzel-Konkurrenzen im Hauptfeld der US Open, weniger waren es bei einem der vier bedeutendsten Tennis-Turniere zuletzt 1983. Damals war schon Steffi Graf dabei, aber die Grand-Slam-Ära von Boris Becker hatte noch nicht begonnen.
Ähnlich ernüchternde Zahlen hatte es im Sommer schon beim Turnier von Wimbledon gegeben. Bei den Männern waren nur drei Deutsche im Hauptfeld dabei – auch an der Church Road schlugen damit so wenige Spieler wie zuletzt 1983 auf.
Eine derartige Ansammlung deutscher Profis wie 1995 in Wimbledon, als 28 – 14 Damen und 14 Herren – mitmischten, ist lange her. Aber auch 2016, als Kerber bei den US Open triumphierte, waren insgesamt 18 Deutsche am Start. Das diesjährige Rumpfaufgebot, sei nicht der Anspruch, sagte Kohlmann. „Das zu ändern, geht leider nicht von heute auf morgen.“
Marias Tochter spielt für Frankreich
Wer jetzt in New York nach Einzeln mit deutscher Beteiligung sucht, muss schon die kleinen Courts besuchen, auf denen die Junioren ihren Wettbewerb austragen. Im Gespräch über mangelnde Breite wies Kohlmann darauf hin, dass Tennis ein teurer Sport und der Weg zum Profi ein finanzieller Kraftakt sei. Er warnte aber auch, mit „Work-Life-Balance“ könne man kein erfolgreicher Tennisprofi werden.
In New York kam nur Struff bis ins Achtelfinale. Für ihn persönlich ein Erfolg. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er 35 Jahre alt ist. „Lange bleibt mir nicht mehr, aber ich fühle mich gut und möchte noch ein bisschen weiterspielen“, sagte er. Auch Ex-Wimbledon-Halbfinalistin Tatjana Maria (38) und Wimbledon-Viertelfinalistin Laura Siegemund (37) haben die längst 30 überschritten. Dazu passend scherzte Tim Pütz (37), der ein Weltklasse-Doppel mit Kevin Krawietz (33) bildet, auf die Frage, was das Duo auszeichne: „Wir sind ziemlich alt.“
Maria möchte vor ihrem Karriereende mit ihrer Tochter Charlotte (11) auf der WTA-Tour Doppel spielen. Auf die Frage nach der Zukunft des deutschen Tennis antwortete sie: „Meine Hoffnung ist meine Tochter.“ Allerdings wird ihre Tochter für Frankreich spielen, Vater Charles-Edouard Maria ist Franzose.
Es habe zwar auch Gespräche mit dem deutschen Verband gegeben, in Frankreich sei aber die Unterstützung für eine Spielerin in diesem jungen Alter besser, hatte Maria einmal erklärt. Dazu hätten die Verbände Frankreichs und auch der USA, erster Wohnort der Familie Maria, durch die jeweiligen Grand-Slam-Turniere in Paris und New York „viel mehr Geld, viel mehr Optionen“.
Nachwuchs weckt Hoffnung
„Ich glaube, dass im Tennis jeder seinen eigenen Weg finden muss. Es geht im Leben auf und ab, manche bekommen es dadurch auf dem Platz nicht hin“, sagte Maria. Hoffnungsträgerin bei den Damen ist Ella Seidel (20), die ihre US-Open-Premiere in der Qualifikation denkbar knapp verpasste.
Bei den Herren lässt eine Gruppe junger Talente hoffen, dass es auch nach der Zeit von Zverev Erfolge geben könnte. Dazu zählen Justin Engel (17) und Diego Dedura (17), die die ersten Schritte auf der ATP-Tour machen. Dazu gehören Niels McDonald (17) und Max Schönhaus (18), die sich im Junioren-Endspiel der French Open gegenüberstanden.
Die Perspektive, dass sich mittelfristig wieder mehr Erfolge einstellen, das deutsche Tennis in Spitze wie Breite eine positive Entwicklung nehmen wird, ist da. „In zwei, drei Jahren wird sich das ändern“, prognostiziert auch Zverev selbst: „Die ältere Generation ist deutlich über 30, die jüngere unter 20, und dazwischen haben wir nicht viel. In der neuen Generation kommt aber gut etwas nach“, so Zverev.
Dass das keine Erfolgsgarantie ist, wird zwar gerade auch dadurch deutlich, dass McDonald in New York in der Junioren-Konkurrenz nun in Runde eins verlor. Schönhaus aber steht zumindest im Achtelfinale, und auch bei den Juniorinnen ist die an Nummer fünf gesetzte Julia Stusek noch im Wettbewerb.
„Bei uns kommen gerade Struktur und Glück zusammen. Wir haben eine sehr, sehr gute Turnierlandschaft in Deutschland, vor allem im Jugendbereich. Und wir haben einige Spieler, die wirklich talentiert sind und diesen Ehrgeiz haben, so richtig etwas zu bewegen“, sagte Nachwuchs-Bundestrainer Philipp Petzschner jüngst im Gespräch mit WELT AM SONNTAG.
Es gab in den vergangenen Monaten viele Erfolge für den Deutschen Tennis Bund (DTB), nicht nur bei den großen Turnieren, vor allem auch bei den kleineren. Die Indikatoren sind eindeutig. Und die Gründe für die positive Entwicklung verstehen die Funktionäre durchaus als Beleg ihrer funktionierende neuen Philosophie.
Während der von seinem Vater ausgebildete Alexander Zverev dem Verband ohne viel eigenes Zutun in den Schoß fiel, ist die neue Generation auch das Produkt eines veränderten Verbandskonzepts. „Es ist großes Potenzial da, nachdem uns leider von einigen Experten und Idolen lange Zeit vorgeworfen wurde, dass da nichts kommt“, sagte Veronika Rücker, beim DTB als Vorstand für den Nachwuchsleistungs- und Spitzensport zuständig, gegenüber WELT AM SONNTAG.
Man habe sein Konzept verändert und gehe deutlich flexibler und individueller mit den Talenten um, beschreibt Rückert: „Wir versuchen, uns inhaltlich stärker in die Zukunftsplanung einzubringen, zu schauen, wie der Athlet aufgestellt ist und wie wir ihn unterstützen können. Das war früher anders. Da wurde einfach nur Geld hereingegeben.“
Was die 55-jährige ehemalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) meint, erläuter sie am Beispiel Justin Engel. „Es war der Wunsch der Familie Engel, am Stützpunkt in Oberhaching zu bleiben. Da haben wir dann den Kontakt zu ,Kohli‘ (Ex-Profi und Trainer Philipp Kohlschreiber – d. Red.) hergestellt und uns mit allen Parteien zusammengesetzt. Das ist ein Punkt, den es in der Vergangenheit so vielleicht nicht gegeben hätte. Wir haben dann gesagt: ,So, der Bayrische Tennisverband will etwas dazu beitragen, wir als DTB wollen etwas dazu beitragen, ,Kohli‘ ist bereit, das zu machen, Familie Engel will sich auf den Weg begeben.‘ Und alle gemeinsam haben wir versucht, dieses Konzept für Justin bestmöglich aufzustellen.“
Der DTB hat zuletzt viel Lob für seine Arbeit erhalten und auch neue Kräfte eingebunden. Zuletzt wurde Ex-Spielerin Andrea Petkovic als Mentorin für den Nachwuchs eingebunden. Doch es gibt auch Kritik: Der Kontakt zwischen den aktiven Spielerinnen und dem Nachwuchs werde nicht vermittelt, monierte etwa Laura Siegemund eine mögliche verpasste Chance. Sie sei offen, wenn es die Zeit zulasse, mit dem Nachwuchs zu trainieren oder ihre Erfahrungen weiterzureichen. „Dieses Angebot wurde bisher nicht abgerufen“, sagte sie. „Ich sehe auch, dass eine Lücke entsteht“.
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