Innerhalb von drei Wochen ändert sich der Gemütszustand beim FC Bayern. Der Abgang von Kingsley Coman und ein Ansage von Uli Hoeneß bringen die Gefühlswelt von Sportvorstand Max Eberl durcheinander. Zum Bundesligastart tritt er arg gereizt auf.

Über seine Gefühle möchte er nicht reden, sagt Max Eberl. Und das macht er auch nicht, zumindest nicht explizit. Am Tag vor dem Bundesliga-Auftakt gegen RB Leipzig (20.30 Uhr/Sat.1, Sky, im Liveticker bei ntv.de, Highlights bei RTL+) schimmerte aber deutlich durch, wie es emotional um den Sportvorstand des FC Bayern steht. Da versteckte er seinen brodelnden Unmut hinter ganz viel Sarkasmus.

Per "Süddeutsche Zeitung" hatte ihm Ehrenpräsident Uli Hoeneß unter der Woche ansatzlos eine Dienstanweisung auf den Tisch geknallt: "Ich würde sehr dafür plädieren, den Kader mit einem Leihspieler aufzufüllen", ließ er mitteilen. Wobei das Wort "plädieren" hier nur als Euphemismus verstanden werden sollte. Hoeneß' Wort ist beim FC Bayern Gesetz, natürlich.

Das neuerliche Spardiktat findet Eberl eher so mittelgut. "Es ist jetzt die Aufgabe, die wir zu akzeptieren haben und die nicht einfach ist", sagte er am Donnerstag und versicherte, dass er davon nicht erst aus der Zeitung erfahren hatte. "Wir müssen jetzt kreativ werden. Kaufen ist deutlich einfacher", schob er hinterher, um sich am Ende in Sarkasmus zu flüchten. Wenn der VfB Stuttgart den Verkauf von Nick Woltemade abgelehnt hat, vielleicht erlauben die Cannstätter ja stattdessen eine Leihe.

Die ständigen Einwürfe vom Tegernsee machen das Wirken von Max Eberl nicht unbedingt einfacher. Er soll einen schlagkräftigen Kader zusammenstellen, der mit den Scheichklubs mithalten soll, aber gleichzeitig Geld sparen. Er soll Verträge verlängern und gleichzeitig eine völlig missratene Gehaltsstruktur korrigieren. Jetzt soll er einen Top-Spieler leihen, obwohl eigentlich niemand Top-Spieler verleihen will. Es ist kompliziert.

Vor drei Wochen eine andere Welt

Dabei hätte alles so gut laufen können. Vor nicht mal vier Wochen konnte man den anderen Max Eberl erleben. Den vor dem neuerlichen Spardiktat. Eberl hatte gerade Luis Diaz vom FC Liverpool zu den Münchnern gelotst. Die 75 Millionen Euro sind zwar eine enorme Ablöse gewesen, hatten aber zwei entkräftende Argumente: Zum einen hatte sich Eberl nicht um das Finanzielle gekümmert (laut SZ übernahm das Vorstandsvorsitzender Jan-Christian Dreesen), zum anderen scheint der Kolumbianer nach allem, was er bislang angedeutet hat, nicht als Fehlkauf in die Bayern-Annalen einzugehen (für ein Urteil ist es natürlich noch viel zu früh).

Da stand also der gelöste Eberl, der sich auf die neue Saison freute. "Wir wussten, was wir zu tun haben. Das konnten wir jetzt umsetzen", sagte er vor der 4:0-Machtdemonstration gegen Tottenham. "Wir können jetzt abwarten und schauen, welche Möglichkeiten sich um uns herum auftun." Lange hat ein Bayern-Verantwortlicher nicht solch entspannte Sätze von sich gegeben. Eberl wusste, vielleicht bekommen sie den Woltemade noch, vielleicht auch nicht. Irgendwie war das aber auch egal.

Die Mannschaft präsentierte gegen die Spurs eine auffallend gute Frühform - trotz der nur kurzen Vorbereitung wegen der Klub-WM. Selbst Trainer Vincent Kompany war davon überrascht. Harry Kane verschoss seinen ersten Elfmeter seit Ewigkeiten, aber auch das war egal. Schließlich hatte er zuvor schon getroffen. Später brachte Kompany sogar die Teenager ins Spiel, die auch noch einmal zaubern durften. Die Allianz Arena war voll, das Wetter prächtig, die Bayern feierten ihr Mia san Mia.

"Manuel Neuer wird nicht im Sturm spielen"

Drei Wochen später sieht das irgendwie nicht mehr so aus. Der Eberl, der am Donnerstag vor die Presse trat, mutete anders an. Er wirkte aufgedreht, ruhte nicht mehr in sich. Plötzlich war Eberl wieder ein Getriebener. Seinen Frust versteckte er irgendwann nicht mal mehr hinter dem Sarkasmus. Seine Kritik an Paul Wanner, der den Klub verlassen wird, formulierte er wenig diplomatisch und unterstellte ihm mangelnde Einstellung. Die Runde schloss Eberl mit einem: "Wenigstens lobt mich einer mal" - und meinte sich selbst.

Denn die Ausgangslage hatte sich geändert. Unter der Woche verkauften die Bayern Flügelstürmer Kingsley Coman für 30 Millionen Euro nach Saudi-Arabien. Und plötzlich wirkt der eigentlich fertige Kader doch nicht mehr fertig. Selbst Harry Kane wunderte sich öffentlich, dass er sich nun in "einem der kleinsten Kader", in dem er je gespielt habe, wiederfindet. Die Abgänge von Thomas Müller, Leroy Sané und Mathys Tel sind noch lange nicht kompensiert. Kane, Michael Olise, Serge Gnabry und Luis Diaz - das ist ohne den noch lange verletzten Jamal Musiala das Münchner Offensiv-Quartett. Vielleicht kann sich auch noch der aufsehenerregende 17-jährige Lennart Karl für größere Aufgaben empfehlen.

Klar, für die Bundesliga reicht das aus. Da sind die Bayern diese Saison mutmaßlich ohne größere Konkurrenz. Bayer Leverkusen muss einen gewaltigen Umbruch verkraften, Borussia Dortmund strotzt bislang noch nicht vor Selbstbewusstsein. Doch reicht das auch international? Wenn selbst Manchester City in einem für ihre Verhältnisse unscheinbaren Transferfenster fast 200 Millionen Euro ausgegeben haben? Die Premier League hat mehr investiert als alle anderen Topligen zusammen. Was das angeht, schwimmt der FC Bayern gerade im Niemandsland.

Eberl, so berichtet die "Süddeutsche Zeitung", war offenbar davon ausgegangen, dass er die Millionen für Coman wieder in den Kader investieren darf. Doch da macht ihm das Hoeneßsche Kaufverbot einen Strich durch die Richtung. Und jetzt macht er das, was er als Sportvorstand des FC Bayern schon öfter gemacht hat: sich Absagen abholen. Zuletzt verweigerte der FC Chelsea laut übereinstimmenden Medienberichten eine Leihe für den Ex-Leipziger Christopher Nkunku.

Das Kaderpuzzle beschäftigt auch denjenigen, der für das Sportliche zuständig ist. Trainer Kompany muss die Mangelverwaltung in der Offensive betreiben. Eine sehr verkürzte Vorbereitung, ein etwas zu kleiner Kader: Der Übungsleiter will das nicht als Ausreden zählen lassen. Er möge die Opferrolle nicht, sagte Kompany neben Eberl, er hasse das sogar. Auch er flüchtet sich zumindest, was die Kaderprobleme angeht, nach vorn - nämlich in Sarkasmus. "Also, Manuel Neuer wird nicht im Sturm spielen." Sondern natürlich weiter im Tor. Alles Weitere wird sich zeigen.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke