Für das Ferrari-Team endet die erste Saisonhälfte mit großem Frust. Lewis Hamilton empfiehlt, sich selbst auszutauschen, Charles Leclerc schimpft am Teamfunk. "Große Baustellen" sieht auch ntv-Motorsportexperte Felix Görner beim Formel-1-Rennstall. Und dann gibt es noch den Täuschungsvorwurf von George Russell.

Bei Ferrari beginnt die Sommerpause mit mächtig Ärger. Statt den ersten Saisonsieg einzufahren oder immerhin das Podest zu erklimmen, steht Charles Leclerc als Vierter beim Grand Prix von Ungarn nur daneben. Trotz seiner Pole-Position, trotz einer ersten Rennhälfte auf Siegkurs. "Ich bin extrem frustriert", klagte der Monegasse, nachdem er unfassbar eingebrochen war.

Den Tagessieg sicherte sich Lando Norris vor seinem McLaren-Teamkollegen Oscar Piastri. Norris holte damit in der WM-Wertung auf, liegt nur neun Punkte (275) hinter Piastri (284), McLaren fährt derzeit in einer eigenen Liga. Titelverteidiger Max Verstappen im Red Bull liegt bereits 97 Punkte hinter Piastri. In Budapest wurde George Russell im Mercedes Dritter, nachdem er in der 62. Runde an Leclerc vorbeigezogen war.

Im Funk hatte Leclerc eine Schimpftirade losgelassen: "Das ist so unglaublich frustrierend. Wir haben jegliche Wettbewerbsfähigkeit verloren. Ihr müsst mir einfach zuhören - ich hätte einen anderen Weg gefunden, mit diesen Problemen umzugehen." Und weiter: "Jetzt ist das Auto einfach unfahrbar, unfahrbar. Es wäre ein Wunder, wenn wir überhaupt noch aufs Podium kommen."

Tatsächlich war Leclerc ab Runde 40 von 70 beständig langsamer geworden. "Gegen Ende waren wir zwei Sekunden langsamer als die Pace - das Auto war schlichtweg unfahrbar", sagte er. Für seinen Vorwurf am Teamfunk aber entschuldigte er sich: "Ich dachte, das Problem hätte eine bestimmte Ursache, aber nachdem ich aus dem Auto ausgestiegen bin, habe ich deutlich mehr Informationen bekommen. Tatsächlich kam das Problem vom Chassis und war nichts, was wir durch eine andere Strategie hätten verhindern können." Was genau er meinte, blieb unklar. Stattdessen habe es sich um ein "technisches Problem, einen Ausreißer" gehandelt. "So etwas sollte nicht noch einmal vorkommen."

Russell: "Fast illegal"

Allerdings witterte Mercedes-Konkurrent George Russell eine andere Ursache für den Leistungsabfall von Leclerc. Er unterstellte Ferrari einen Versuch der Täuschung. "Ich habe gesehen, wie langsam er war und habe meine Schlussfolgerung gezogen, dass da etwas nicht stimmt. Das Einzige, was wir uns vorstellen können, ist, dass sie das Auto zu niedrig eingestellt hatten und deshalb den Reifendruck für den letzten Stint anpassen mussten. Sie haben am Ende eine Motoreneinstellung verwendet, die sie am Ende der Geraden langsamer gemacht hat. Das ist die Stelle, an der man die Bodenplatte besonders stark abnutzt", sagte er bei Sky England.

Dass Leclerc den Leistungsabfall mit einem technischen Problem begründete, hielt Russell nicht von seinem Vorwurf ab: "Ja klar, er wird nicht sagen, dass sie fast illegal gewesen wären." Beim Großen Preis von China, dem zweiten Saisonrennen, war Lewis Hamilton disqualifiziert worden, weil die Bodenplatte seines Ferrari zu stark abgeschliffen war. Russell wagte also den Blick zurück für seinen Vorwurf.

"Vorwurf durch nichts zu belegen"

Allerdings wurde auch nach diesem Rennen in Ungarn jedes Auto untersucht und keine Unregelmäßigkeiten festgestellt. "Der Vorwurf der Illegalität ist durch nichts zu belegen", sagt ntv-Motorsportexperte Felix Görner. Aus Russell habe vielmehr der Frust über den Kampf mit Leclerc im Rennen gesprochen. Denn Platz drei hatte Leclerc dem Konkurrenten nicht kampflos überlassen wollen. "Das Fahren von Leclerc hat Russell extrem gestört", so Görner.

Vor Kurve eins in Runde 61 hatte Russell bereits versucht, an Leclerc vorbeizukommen, scheiterte aber. Da beschwerte sich der Brite, Leclerc habe sich auf der Bremse bewegt. Eine Runde später machte Leclerc dies deutlicher, es wäre beinahe zur Kollision gekommen, als Russell letztlich vorbeizog. Zu viel Einsatz im Defensivverhalten urteilten die Rennkommissare und bestraften Leclerc mit einer Fünf-Sekunden-Strafe.

Leclerc war sich keiner Schuld bewusst: "Ich wusste, dass ich am Limit war. Ich habe dazu keine starke Meinung, aber das Gefühl, dass ich vor dem Bremsen die Linie gewechselt habe, dann gebremst und das Auto zur Kurve hin eingelenkt - so mache ich das eigentlich immer." Er fügte an: "Aber ich kann mir vorstellen, dass George sich wieder lautstark über Funk beschwert hat - das ist bei ihm ja nichts Neues."

Hamilton als "40-Millionen-Euro-Irrtum"

Der neuerliche Einbruch wird Ferrari nun auch in der dreiwöchigen Rennpause - weiter geht es erst Ende des Monats in den Niederlanden - beschäftigen. Hamilton schaffte es als Zwölfter noch nicht einmal in die Punkte und hatte schon nach dem Qualifying gesagt: "Immer liegt es an mir. Ich bin nutzlos. Das Team ist nicht das Problem, das andere Auto steht ja auf Pole. Das Team muss wahrscheinlich den Fahrer wechseln."

Ferrari-Teamchef Fred Vasseur sagte nach dem Rennen: "Wir haben einfach die Pace komplett verloren." Und über Leclercs Einbruch: "Ehrlich gesagt war die Situation ziemlich merkwürdig. Wir hatten die ersten 40 Runden des Rennens unter Kontrolle - der erste Stint lief sehr gut, der zweite war etwas schwieriger, aber noch beherrschbar", so Vasseur: "Der letzte Stint jedoch war eine Katastrophe - das Auto war sehr schwer zu fahren, das Gleichgewicht stimmte überhaupt nicht mehr." Sein Team wisse nicht genau, was passiert sei. Vasseur betonte, dass er mit dem vierten Platz schon fast zufrieden ist: "An einem Punkt dachte ich sogar, dass wir das Rennen gar nicht beenden würden - umso glücklicher können wir sein, dass wir mit P4 überhaupt Punkte geholt haben."

Görner zufolge steht Ferrari vor einem riesigen Berg Arbeit: "Ferrari hat definitiv, sowohl was die Rennstrategie bei Leclerc angeht, als auch was die Leistung des Ferrari angeht, große, große Probleme. Das, was Vasseur macht, ist eine rote Schönrederei. Er sprach davon, dass man im Kampf gegen McLaren um die Weltmeisterschaft ist. Das ist natürlich eine Lachnummer in Rot." Schließlich würden alle Ferraristi seit Jahren enttäuscht, den letzten WM-Titel holte Kimi Räikkönen im Jahr 2007, ein Jahr später gelang noch die Team-Weltmeisterschaft. Seitdem aber - seit 17 Jahren - herrscht Titel-Ebbe bei Ferrari.

"Die Baustellen von Ferrari sind sehr, sehr groß", so Görner. "Man merkt dann halt auch, dass der Frust immer größer wird." So sei auch der Frust von Leclerc im Teamfunk zu erklären. Noch schlimmer als um den Monegassen steht es aber um den Rekordweltmeister. Für den Experten ist Hamilton ein "40-Millionen-Euro-Irrtum". Nach 14 Rennen hat er gerade einmal 109 Punkte eingefahren, steht nur auf Platz sechs. Lediglich beim Sprint in China gelang ihm ein Sieg. Görner prophezeit: "Das wird nichts mehr mit Hamilton und Ferrari."

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