Julian Nagelsmann hatte Mittwochvormittag einen besonderen Termin. Der Fußball-Bundestrainer redete rund eine Stunde im Rahmen einer Gesprächsrunde beim Internationalen Trainerkongress in Leipzig. Dabei gab er überraschende Einblicke in seinen Planungen für die WM 2026. In einer Grundsatzrede sprach er nicht nur über die wichtigsten Personalien, sondern auch über die taktische und geistige Ausrichtung seiner Mannschaft. Das Spektakel dürfe aber sofort nicht mehr über dem Ergebnis stehen, die Nationalelf müsse sich vielmehr an ihren Tugenden von einst orientieren.
Der 38-Jährige rechnet für das Turnier in den USA, Kanada und Mexiko weiter mit Marc-André ter Stegen im Tor der deutschen Auswahl. Zudem schloss er eine Rückkehr von Manuel Neuer vorerst aus. „In meinen Gedanken weiß ich, dass Marc zurückkommt im Dezember, dann die beiden Spiele machen wird im März, im Juni auch, und dann die WM spielen wird“, sagte Nagelsmann.
Der 33-jährige ter Stegen fällt nach seiner erneuten Rücken-Operation mehrere Monate aus. Damit steht der Nachfolger der langjährigen Nummer eins Manuel Neuer für die WM-Qualifikation mit Spielen gegen die Slowakei, Nordirland und Luxemburg im September, Oktober und November nicht zur Verfügung. Außerdem war ter Stegen bei seinem Klub FC Barcelona unter dem einstigen Bundestrainer Hansi Flick gerade zur Nummer drei degradiert worden.
„Für Marc ist es total bitter gelaufen. Ich habe einen super Austausch mit ihm, er kann die Situation richtig einschätzen. Er ist die Nummer eins, wenn er gesund und im Verein die Nummer eins ist. Das weiß er“, betonte Nagelsmann.
Nübel und Atubolu stehen bereit
Für die WM-Qualifikation plane er mit einem Ersatz, eine Überraschung werde es hier nicht geben. Das und vieles mehr deutet darauf hin, dass Nagelsmann weiter ter Stegens Vertreter Oliver Baumann von der TSG Hoffenheim vertraut. Zudem stehen Alexander Nübel vom VfB Stuttgart und als mögliche Nummer drei der bisherige U-21-Torwart Noah Atubolu vom SC Freiburg bereit.
Neuer war nach der EM 2024 in Deutschland aus der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zurückgetreten. Nagelsmann sagte in Leipzig über die jüngsten Leistungen Neuers: „Manu hat eine sehr gute Klub-WM gespielt“, aber die Entscheidung zum Abschied habe man ganz bewusst getroffen. Stand jetzt „gibt es die Überlegung nicht“, ihn zurückzuholen.
Der Bundestrainer gehe davon aus, dass ter Stegen „im Winter wieder die Nummer eins wird“. Grundsätzlich mache er sich „überhaupt keine Sorgen“ auf der Torwartposition.
„Stand jetzt kehrt Kimmich auf die Sechs zurück“
Seinen Kapitän Joshua Kimmich will Nagelsmann in der Nationalmannschaft zurück in die Zentrale setzen, also ins zentrale Mittelfeld. „Stand jetzt kehrt er auf die Sechs zurück“, sagte er: „Weil er einer von zwei, drei Spielern ist, die dort im Klub Stammspieler sind.“
Aufgrund der wenigen Monate bis zur WM „haben wir einfach nicht die Option, zu viel zu testen auf dieser Position“, so der Trainer. Er wolle auf Spieler setzen, die „auf dieser Position im Rhythmus sind“.
Kimmich spielt beim FC Bayern im zentralen Mittelfeld, in der Nationalelf half er aber unter anderem während der Heim-EM 2024 rechts defensiv aus.
Nagelsmann geht es aber nicht nur um einzelne Positionen. Er machte deutlich, dass er dafür taktische Anpassungen machen und die Defensive stärker ausrichten will. Auch in den „großen Jahre waren ja jetzt nicht immer zehn Edeltechniker auf dem Acker“, sagte er und sprach sich für ein bisschen „altmodisches Denken“ aus. Es gehe darum, über eine gute defensive Stabilität einen gepflegten Ball zu spielen und nicht umgekehrt: „Wir müssen nicht komplett 'back to the roots', können den Fußball aber vielleicht wieder etwas defensiver denken“, sagte der Bundestrainer beim Trainerkongress: „Dass wir erst mal zu Null spielen.“
Verlernt habe Deutschland das Verteidigen nicht, „aber wir müssen uns adaptieren an die Spieler, die wir haben. Wir haben nicht die Kaderbreite der Portugiesen, der Spanier oder Franzosen. Wir haben eine gute Anzahl von guten Fußballern, die auch Lust haben, zu verteidigen.“ Es gehe vor allem um das Mindset der Spieler.
Nagelsmann hat sich auch mit Matthias Sammer ausgetauscht, der zuletzt öffentlich unter anderem mehr Geschlossenheit und Robustheit gefordert hatte. „Ich habe ihn angerufen. Ich finde, er hat gute Ansätze“, sagte Nagelsmann.
Nagelsmann: „Hätte mit RB noch einiges erreichen können“
Er sprach auch über seine eigene Laufbahn. Und bezeichnete seinen vorzeitigen Wechsel von RB Leipzig zum FC Bayern im Nachhinein als einen „Tick zu früh“. Er sagte: „Ich hätte mit dem Klub, glaube ich, noch einiges erreichen können.“
Nagelsmann hatte RB im Sommer 2021 nach zwei Jahren verlassen. Berichten zufolge hatten die Bayern damals eine Ablöse von rund 20 Millionen Euro bezahlt. Der Rekordmeister aus München trennte sich schon im März 2023 wieder vorzeitig von Nagelsmann, im September 2023 wurde er Trainer der deutschen Nationalmannschaft.
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen.
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