Giovanna Hoffmann hat viel erleiden müssen, um für das DFB-Team bei der EM anzutreten. Ohne die Bibel und Gottvertrauen wäre ihr das nicht gelungen, glaubt sie. 

Giovanna Hoffmann muss manchmal noch immer über sich selbst staunen – obwohl sie Nationalspielerin ist und Stürmerin bei RB Leipzig. "Am Anfang ist man eine Träumerin", sagt Hoffmann, 26, in einem Gespräch im deutschen EM-Camp in Zürich. "Ich wusste damals gar nicht, was es heißt, in die Bundesliga zu kommen." 

Sie hatte ja keine Ahnung als Kind, dass es Jugend-Nationalmannschaften gibt und dass man in der Frauen-Bundesliga spielen kann. Sie hatte als Kind am Zaun gestanden, um bei Werder Bremen beim Training zuzuschauen. Sie sah damals Diego und Miroslav Klose. Männerprofis, Idole ihrer Jugend. Und dass sie beim TSV Imsum mit Fußball begann, war eigentlich Zufall: Sie war nachmittags bei einem Freund aus der Grundschule zum Fußballspielen verabredet, als seine Mutter gesagt hatte, dass er eigentlich Training hätte: "Und dann bin ich mit neun Jahren einfach mitgegangen."

Hoffmann galt schon mit 14 Jahren als großes Talent

Schon damals hatte sie der Ehrgeiz gepackt. Sie weinte, wenn sie irgendwo auf dem Dorf in der Nähe von Bremerhaven ein Spiel verlor. Ein Beispiel fällt ihr ein: "Ich war damals mal in einem Fußball-Camp, und da gab es einen Wettbewerb, wer den Ball am längsten hochhalten konnte. Gewonnen hat ein Junge. Das war für mich das Ende der Welt, obwohl er sechs Jahre älter war." 

Das Streben, früh besser zu werden, fällt auf. Die "Nordsee-Zeitung" brachte über sie eine Story als 14-Jährige, die in der Jugendabteilung beim SV Werder herausragte. Drei- bis viermal fuhr sie in dieser Zeit in der Woche aus Bremerhaven nach Bremen zum Training. Wenn am Wochenende Spiele anstanden, schlief sie bei einer Freundin. Eigentlich war der Weg vorgezeichnet, als der erste große Rückschlag passierte. 

Hoffmann erinnert sich genau: "Es lief mit 15, 16 Jahren alles gut für mich. Ich hatte schon Spiele in der 2. Bundesliga für Werder gemacht, war nach Bremen gezogen, der Bundesliga-Aufstieg war sicher, als ich mir in der letzten Woche der Saison das Sprunggelenk gebrochen habe. Da stand meine Welt erst mal Kopf, und ich wusste nicht mehr, wo vorne und hinten war." In ihrer letzten U17-Saison, kurz vor dem Übergang zur ersten Mannschaft. Sie wohnte nicht im Werder-Internat, sondern in einem anderen Haus: "Ich war das einzige Mädchen – und die einzige unter 18 Jahren." 

Nach einer schweren Verletzung findet sie Halt in der Bibel

Die erste lange Auszeit machte sie nachdenklich – und sie sagte sich, dass sie bei der nächsten schweren Verletzung wohl aufhören würde. An diesen Punkt kam sie später in ihrer Zeit beim SC Freiburg, als ein Kreuzband riss. 

"Ich wusste nicht, ob ich weiterspielen soll. Ich habe gebetet und die Bibel aufgeschlagen: Ich bekam eine klare Wegweisung, dass ich weitermachen soll. Sonst wäre ich heute nicht hier." Die Bibel begleitet sie auch in der Schweiz, denn: "Für mich bedeutet gläubig zu sein, das zu glauben, was in der Bibel steht. Ich habe die Entscheidung getroffen, dass das zu meinem Leben gehören soll. Dass das mein Leben ist." 

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Dass sie für Deutschland eine Hoffnungsträgerin auf den neunten EM-Titel im Frauenfußball ist, verdankt sie also ihrem Glauben. Darüber redet sie recht frei, denn nach dem Viertelfinal-Thriller gegen Frankreich (6:5 im Elfmeterschießen) entstand ein Foto, das kaum Spielraum für Interpretationen ließ. Die Nummer 18 kniete und betete, während die Mitspielerinnen im Hintergrund feierten. "Für mich war das ein sehr persönlicher Moment", sagt sie. "Wenn man ein so großes Geschenk bekommt, nämlich in solch einem Spiel mit einem so positiven Ausgang spielen zu dürfen: Dafür bin ich vor Dankbarkeit auf die Knie gegangen." 

Giovanna Hoffmann hat Lea Schüller im Sturm verdrängt

Sie erweckt nicht den Eindruck, als sei sie mit einem missionarischen Eifer am Werk. Aber ohne diesen Halt, das ist herauszuhören, hätte sie nicht Lea Schüller verdrängt. Jene doch recht renommierte Torjägerin vom FC Bayern, die sowohl gegen Polen (2:0) und Dänemark (2:1) traf, doch letztlich nie so richtig eingebunden wirkte. Hoffmanns Körpersprache ist eine andere – und steht für all das, was die deutschen Fußballerinnen nach dem von 10,7 Millionen TV-Zuschauern verfolgten Kraftakt vergangenen Samstagabend auszeichnet. Nicht aufgeben, alles raushauen.

Die ganze Nacht konnte sie danach nicht schlafen. Hoffmann: "Irgendwann ging die Sonne auf, und ich hatte immer noch kein Auge zugemacht. Ich hatte so viel Adrenalin im Körper. Das ging vielen von uns so. Es war das anstrengendste Spiel meiner Karriere. Mit Abstand." 

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Kann solch ein Kraftakt gegen die vor Spiellaune sprühenden Weltmeisterinnen wiederholt werden? Warum nicht? "Man hat im letzten Spiel gesehen, dass Widerstände uns nicht zurückwerfen, sondern eher noch stärker machen. Dass wir eine unheimlich hohe Resilienz in unserer Mannschaft haben und jede in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen."

Was natürlich nach der Roten Karte gegen Kathrin Hendrich nach nicht einmal einer Viertelstunde nicht so leicht war. "Es gab schon Momente, in denen ich durchgeatmet und gedacht habe: Das kann doch nicht wahr sein. Es ist noch ziemlich lange zu spielen", erzählt Hoffmann. Danach sei man im Kreis zusammengekommen und habe besprochen, wie es taktisch weitergeht: "Dann haben wir uns in die Augen geguckt und gesagt: Egal, was heute passiert: Wir schaffen das. Und das haben wir uns auch noch oft im Spiel gesagt." 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diesen Satz in der Flüchtlingskrise gesagt – er wird ihr immer noch um die Ohren gehauen. Hoffmann meinte damit bloß die deutschen Tugenden, aber jetzt will Merkel-Kritiker Friedrich Merz sogar zum Finale nach Basel am nächsten Sonntag kommen. Dafür aber müsste erst mal noch Weltmeister Spanien geschlagen werden. Hoffmann, die in elf Länderspielen drei Tore erzielte, ist davon überzeugt, dass es mit dem Coup klappen kann. "In einem Halbfinale müssen wir alle über uns hinauswachsen."

Der Bundestrainer ist Hoffmanns größter Förderer

Christian Wück hält große Stücke auf Hoffmann. Der Bundestrainer, der selbst in der Bundesliga stürmte, sieht in ihr die ideale Angreiferin, die Bälle festmachen, Gegner beschäftigen, Lücken reißen kann. Sie verneint die These nicht, dass es ohne Wück mit dem DFB-Debüt wohl nichts mehr geworden wäre: "Das gehört auch dazu, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist; dass man Menschen hat, die einem vertrauen. Ich weiß auch nicht, ob es ohne den personellen Umbruch in der Nationalelf für mich so gekommen wäre." 

Hoffmann muss nach der EM überlegen, wohin ihr Weg im Vereinsfußball führt. Ein Klub wie Leipzig, der im Frauenfußball eher mit langsamen Schritten vorwärtskommen will, ist eigentlich zu klein. Ihrem Berater hat die Nationalstürmerin gesagt, sie wolle nur Glückwünsche hören. Keine Anfragen anderer Klubs. Kann aber noch kommen. Gerade England wäre für ihre Spielweise interessant. 

Was nach der Karriere passiert, da hat sie konkretere Vorstellungen. Hoffmann hat von 2016 bis zum ersten Staatsexamen 2021 Jura studiert. Für das zweite Staatsexamen fehlt nur noch das Referendariat. "Aber durch den Fußball ist das aktuell nicht möglich. Deshalb habe ich das ein bisschen auf Pause gelegt." In ihrer Freiburger Zeit habe sie an der Universität am Lehrstuhl für Strafrecht gearbeitet. "Irgendwann werde ich hoffentlich noch mein Referendariat machen." 

Ihr Wunsch: Richterin oder Staatsanwältin werden, "aber mal sehen, was in der juristischen Welt noch passiert". Dann steht sie auf und geht, um sich noch mal hinzulegen. Ausreichend Schlaf, das will sie noch sagen, sei vor dem Halbfinale gegen Spanien das Wichtigste.

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