Sportlich spielte Jess Carter bei Englands Halbfinal-Drama gegen Italien (2:1 n.V.) kaum eine Rolle. Die Verlobte der deutschen Torhüterin Ann-Katrin Berger wurde erst in der Nachspielzeit der Verlängerung eingewechselt, um die späte Führung über die Zeit zu retten. Und doch stand Carter rund um das Spiel irgendwie immer im Mittelpunkt.
Das begann schon vor Anpfiff, als die BBC ein Video der englischen Fans postete. Sie skandierten lautstark Carters Namen. Es war das erste Zeichen der Solidarität für die Spielerin des Gotham FC, die vor dem Spiel rassistische Anfeindungen öffentlich gemacht hatte. Sie wolle sich deshalb aus den sozialen Netzwerken zurückziehen, kündigte Carter an. Von den Anhängern erhielt sie für ihren Weg an die Öffentlichkeit am Dienstagabend nur Rückendeckung. Auch im Stadion, wo die Fans mit Plakaten ihre Unterstützung ausdrückten und nach 16 Minuten – in Anlehnung an ihre Rückennummer – applaudierten.
„Es bedeutete mir alles“, sagte Carter der BBC im Anschluss an den englischen Finaleinzug über die Reaktionen aus dem Publikum. „Ohne die hätte ich nicht das Selbstvertrauen gehabt, aufs Spielfeld zu gehen, weder für die letzten drei Minuten noch sonst.“ Carter zeigte sich den Fans gegenüber „unendlich dankbar“. „Die Liebe, die ich gespürt habe, war unglaublich.“
„Ich habe versucht, mich zu konzentrieren, nicht zu weinen“
Auch die Spielerinnen setzten ein Zeichen. Sie verzichteten wie üblich auf den Kniefall vor Anpfiff, da die Anti-Rassismus-Geste aus ihrer Sicht zunehmend ihre Wirkung verfehlen würde. Stattdessen standen die Auswechselspielerinnen, darunter Carter, zum Anpfiff geschlossen Arm in Arm an der Seitenlinie. Auch dieses Zeichen habe in Carter große Emotionen ausgelöst. „Ich habe versucht, mich darauf zu konzentrieren, nicht zu weinen“, beschrieb die 27-Jährige die Aktion.
Mit dem Zusammenstehen an der Bank hätten die Lionesses „das Bewusstsein für Rassismus wieder schärfen“ wollen. Der Schritt, mit den Beleidigungen an die Öffentlichkeit zu gehen, sei Carter schwergefallen. „Aber es kam zu einem Punkt, an dem ich mich nicht mehr wohl oder selbstbewusst fühlte.“
Und dann wollte Carter noch eines klarstellen. Ihr gehe es bei der Thematik nicht um Kommentare zu ihrer Leistung als Fußballerin. Auch sie dürfe kritisiert werden, wenn sie schlecht spiele. „Aber meine Hautfarbe hat nichts mit meinen Füßen zu tun. Ich werde weiterhin alles für mein Land geben.“ Das kann sie am Sonntag noch einmal unter Beweis stellen. Dann trifft Carter mit dem englischen Team im EM-Finale (18 Uhr, im Sport-Ticker der WELT) auf Spanien oder Deutschland – und damit möglicherweise auch auf ihre Verlobte.
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