In den letzten Wochen hatten Stefan Kuntz und Eric Huwer beide gute Nachrichten zu verkünden. Mit Sport-Vorstand Kuntz kehrte der HSV nach sieben Jahren in die Bundesliga zurück. Und Finanz-Boss Huwer sanierte den Klub in der 2. Liga und baute über die Jahre im Unterhaus 75 Millionen Euro Schulden ab.

Schuldenfrei zurück in der 1. Liga – der 62 Jahre alte Kuntz und der 41-jährige Huwer stehen dabei vor einer der größten Aufgaben im deutschen Fußball: Schaffen sie es, aus dem HSV wieder einen stabilen und beständigen Erstligisten zu machen?

Frage: Wie wird der HSV wieder ein „richtiger“ Bundesligist?

Eric Huwer: Ich kann mir keine spannendere Aufgabe vorstellen. Die Tradition und die Strahlkraft wurden für uns häufig als Rucksack interpretiert. Durch den Aufstieg hat sich die negative Energie in eine positive gedreht. Mit der Stadt, dem Potenzial und der Wucht unserer Fans macht das gerade richtig Spaß. Das wird uns weiter Rückenwind geben.

Stefan Kuntz: Mit dem Abstieg in die 2. Liga ist am Anfang wahrscheinlich erstmal etwas kaputtgegangen. Dann hat sich in Hamburg etwas Besonderes entwickelt. Die Loyalität in der Fankultur, die Zuschauerzahlen. Wir brauchen den HSV nicht neu zu erfinden. Aber wir haben eine neue Situation, sind wieder Erstligist. Es wäre klasse, wenn das jetzt das erste Jahr einer Epoche ist, in der wir die Geschichte des HSV positiv fortschrieben.

Frage: Wie fühlt sich die Rückkehr in die 1. Liga an?

Huwer: Als wir 2018 abgestiegen sind, haben in der Bundesliga viele Leute gesagt, es ist für den HSV jetzt mal Zeit. Wie wir da aufgetreten sind, jedes halbe Jahr das Personal getauscht und überdurchschnittlich für Durchschnitt bezahlt haben … Inzwischen wird wahrgenommen, dass der HSV ein anderer Klub ist als der Verein, der sich damals den Abstieg ein bisschen erarbeitet hat. Die Bundesliga freut sich auf uns, wir freuen uns auf die Bundesliga.

Frage: Wirtschaftlich haben Sie es geschafft, den HSV in der 2. Liga komplett zu sanieren.

Huwer: Es hat lange gedauert, bis wir diese Schuldenfreiheit erreicht und den Klub nachhaltig profitabel aufgestellt haben. Wir haben es uns hart erarbeitet, dass wir in einer Verhandlung „Nein“ sagen können. Es braucht kein amerikanischer Investor anzurufen, um uns Geld anzubieten oder Sponsoring-Forderungen abzukaufen. Uns interessiert nur die Selbstbestimmtheit. Das ist das Gut, worauf wir maximal aufpassen werden.

Kuntz: Durch unsere Entwicklung – gerade auch in den Bereichen, die Eric verantwortet – können wir aus einer Position der Stärke in Verhandlungen gehen. Wir müssen nicht nach einem Signingfee fragen, sondern können um den Leistungskatalog bitten – und den dann mit anderen Unternehmen vergleichen, die auch Interesse haben, mit uns zusammenzuarbeiten.

Frage: Sportlich müssen Sie als Aufsteiger trotzdem kleine Brötchen backen. Platz 18 in der TV-Geld-Tabelle, 40 Millionen Gehalts-Etat. Kommen Sie damit klar?

Kuntz: Wir gehen realistisch mit den Erwartungshaltungen um. Wir haben Abstand zu Augsburg, Mainz oder Freiburg, die schon viele Jahre in der Liga sind und 20 oder 30 Millionen Euro TV-Gelder mehr bekommen. Das kann man auch in einer finanzkräftigen Stadt wie Hamburg nicht von einem auf den anderen Tag ausgleichen.

Frage: Was bedeutet das für Ihre Kader-Planung?

Kuntz: Nach dem Aufstieg haben mir einige Leute geschrieben: Thomas Müller ist frei, Luka Modrić auch. Vielleicht, weil man in Hamburg früher den Anspruch hatte, jetzt müssen Namen her. Wir sehen das anders …

Frage: Wie denn?

Kuntz: Wir gehen unseren eigenen Weg, von dem wir überzeugt sind, dass wir durch ihn in der Liga bleiben können. Wir haben die Anforderungen der Bundesliga analysiert. Denen müssen wir uns anpassen. Ein Punkt sind dabei die läuferischen Intensitäten.

Frage: Das Ergebnis der Analyse war, dass Ihre Aufstiegs-Mannschaft im Bereich der intensiven Läufe und der Sprints kein Bundesliga-Niveau hat. Darauf haben Sie mit einem Kader-Umbruch reagiert.

Kuntz: Wir haben in den Bereichen geschaut, was müssen wir leisten können, um überhaupt eine Chance zu haben, in der Liga zu bleiben. Wir sind zum Entschluss gekommen, dass wir da eine neue Basis brauchen.

Frage: Sie haben Ihren Anhängern sehr deutlich erklärt, dass in der neuen Spielzeit nur der Klassenerhalt das Ziel sein kann.

Kuntz: Es geht darum, dem Umfeld die Wahrheit zu sagen. Und ehrlich aufzuzeigen, was in der Bundesliga auf uns zukommt.

Huwer: Wir wollen einen nachhaltigen Weg beschreiten. Die Bäume dürfen nicht zu schnell in den Himmel wachsen. Jedoch werden wir nicht auf die Euphorie-Bremse treten. Wir sehen, wie sich die Menschen gerade auf die Bundesliga freuen. Das geht uns genauso. Der Wettbewerb ist aber brutal, da müssen wir auch Erwartungsmanagement betreiben.

Frage: Sehen Sie sich gegenüber möglichen Keller-Konkurrenten wie St. Pauli, Köln oder Heidenheim ausreichend gut aufgestellt?

Kuntz: Zum Ende der Transferphase möchten wir so aufgestellt sein, dass wir sagen können: Die Basis ist geschaffen, um mindestens drei Mannschaften hinter uns zu lassen. Bis dahin brauchen wir aber noch etwas Zeit. Zwei, drei Transfers würden wir gerne noch relativ zeitnah machen. Danach können wir warten, ob in der Endphase des Transferfensters noch eine besondere Tür aufgeht oder jemand günstiger wird.

Frage: Wie wollen Sie den HSV in den kommenden Jahren entwickeln?

Huwer: Natürlich ist es für uns ganz wichtig, dass wir die Klasse halten. Wir haben zwar Vorsorge dafür getragen, dass wir nicht wie 2018 existenzielle Sorgen haben würden, dennoch wäre es natürlich ein Rückschlag auf unserem Weg. Vorausgesetzt, die etablierenden Schritte gelingen uns, dann werden wir uns entlang unseres strategischen Kompasses in den kommenden drei bis fünf Jahren stetig verbessern. Dafür brauchen wir auch ein entsprechendes Erlösniveau, damit wir uns wieder ein Gehaltsniveau erlauben können, das die Wahrscheinlichkeit auf sportlichen Erfolg erhöht.

Frage: Mit Erlösniveau meinen Sie Transfereinnahmen?

Huwer: Auch. Wir müssen und wollen wieder andere Transfererlöse erzielen, als es uns in den letzten Jahren gelungen ist. Das ist auch in unseren strategischen Überlegungen ein fester Bestandteil. Mit den Transfer- und TV-Einnahmen wollen wir die Kader-Kosten decken.

Frage: Wo sehen Sie noch Potenzial?

Huwer: Damit wir das Einnahmenniveau in drei bis fünf Jahren haben, müssen wir jetzt schon in Bereichen wie Stadion-Infrastruktur, Cateringkonzept und neuen Geschäftsfeldern ansetzen. Wie schaffen wir es, unsere Partnerschaften weiter zu pflegen und gemeinsam zu wachsen? Wie gewinnen wir neue Partner und ruhen uns nicht auf der Nachfrage im Hospitality- und Public-Bereich aus? Wie wird das Stadion-Erlebnis noch besser?

Frage: Die Fanbasis ist Ihr großes Pfund. Das Stadion ist immer voll. Beim Merchandising-Umsatz ist der HSV hinter Bayern, Dortmund und Frankfurt die Nummer vier in der Bundesliga.

Huwer: Wir tun sehr viel dafür, dass die Menschen zu uns kommen. Stecken viel Arbeit in die Fankultur und das Miteinander mit unseren Fans. Wir sind vor sieben Jahren mit knapp 70.000 Mitgliedern abgestiegen und haben die Zahl in der 2. Liga beinahe verdoppelt (127.000 Ende Juni, die Redaktion). In der Altersstufe unter 18 Jahren haben wir jetzt 20.000 Mitglieder, weil wir mit ihnen auch andere Themen besetzen.

Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild am Sonntag“ veröffentlicht.

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