Es war kein guter Einstand. Bayer Leverkusens neuer Trainer Erik ten Hag hat das blamable 1:5 im Testspiel gegen die U20-Mannschaft von CR Flamengo in seiner ersten Partie als Bayer-Trainer relativiert. „Die haben so noch nie zusammengespielt“, sagte der 55 Jahre alte Nachfolger des Trainers Xabi Alonso über seine Mannschaft im Trainingslager in Rio de Janeiro.
„Ten Hag erleidet die ultimative Blamage“, spottete gleichwohl die englische „Sun“ über den vormaligen Trainer von Manchester United: „Er macht da weiter, wo er aufgehört hat: Sein erstes Spiel als Trainer von Bayer Leverkusen endet mit einer deutlichen Niederlage gegen eine Jugend-Mannschaft.“
„Ergebnisse in der Vorbereitung sind mir eigentlich scheißegal“, sagte ten Hag derweil. Ihm gehe es vielmehr darum, „was ich gesehen habe“. Und in der Schlussphase sei das ein „sehr guter Ansatz“ gewesen.
Noch bis Mittwoch absolviert Leverkusen das Trainingslager in Rio. Erstes Pflichtspiel für Bayer ist die Erstrundenpartie im DFB-Pokal am 15. August beim baden-württembergischen Viertliga-Aufsteiger SG Sonnenhof Großaspach. Zum Bundesligastart empfangen die Leverkusener am 23. August die TSG 1899 Hoffenheim. Im Interview skizziert ten Hag, worauf es ihm bis dahin ankommt.
Frage: Nach Ihrem ersten Training in Leverkusen sagten Sie einen bemerkenswerten Satz: „Mit dem Wind von gestern kann man heute nicht mehr segeln.“ Von welchem (Fußball-)Philosophen stammt das Zitat?
Erik ten Hag: (lacht) Das hat kein Philosoph gesagt. Das sollte mehr ein Wortspiel sein. Denn Ergebnisse aus der Vergangenheit sind keine Garantie für die Zukunft. Alles fängt von null an, man muss sich immer wieder neu beweisen.
Frage: Ihr Vorgänger Xabi Alonso hat die Geschichte von Bayer 04 mit dem Double 2024 auf ewig geprägt. Wie groß ist sein Schatten?
ten Hag: Xabi hat eine wahnsinnige Leistung vollbracht, das steht außer Frage. Er hat etwas geschafft, was in Leverkusen noch keiner zuvor erreicht hatte. Aber er hat das nicht alleine bewerkstelligt. Er wurde unterstützt vom Management, seinem Stab und natürlich auch von den Spielern. Viele Spieler sind noch immer da, die Qualität ist gut. Da wollen wir weitermachen – aber nicht nur weitermachen, sondern das Ganze ausbauen.
Frage: Leverkusen muss sich nach den Abgängen von Alonso, Tah, Frimpong und Wirtz in diesem Sommer neu erfinden. Wie schwer wird diese Aufgabe?
ten Hag: Ja, es ist ein Umbruch. Diese Spieler hatten großen Anteil am Erfolg. Jetzt müssen wir eine neue Mannschaft bauen – die Philosophie und die Kultur in diesem Verein ist sehr gut.
Frage: Wie wollen Sie Florian Wirtz ersetzen?
ten Hag: Jeder weiß, was für ein herausragender Spieler er ist. Er war an vielen Toren beteiligt, er hatte so viele Spielelemente, die dominant waren. Aber Florian ist weg. Jetzt müssen wir etwas kreieren, um diesen Verlust aufzufangen. Das muss natürlich über Zugänge geschehen, aber auch über Spielphilosophie und Spielmodelle. Das müssen wir schaffen. Florian ist ein Leverkusen-Boy, jeder liebt ihn hier, aber wir wollen alle, dass Bayer Leverkusen auch ohne ihn erfolgreich bleibt. Dafür müssen wir sorgen, auch gemeinsam mit den Fans.
Frage: Es hatte zwischen Xabi Alonso und Ihnen in der Sommerpause Kontakt gegeben. Wer hatte denn wen angerufen?
ten Hag: Wir haben nicht miteinander telefoniert. Simon Rolfes hatte ein Treffen im Stadion organisiert, das war kurz bevor Xabi nach Madrid gegangen ist.
Frage: Kann man das als Schlüsselübergabe fürs Trainerbüro bezeichnen?
ten Hag: Man könnte das so nennen. Er hat mir das Büro gezeigt. Aber es gab jetzt keine spezielle Botschaft von ihm. Sie müssen wissen, dass wir uns schon länger kannten. Ich war Trainer beim FC Bayern II, damals spielte Xabi unter Pep Guardiola. Ich habe ihn oft im Training beobachtet.
Frage: Sie kommen mit über drei Jahren Verspätung nach Leverkusen: Schon im Frühjahr 2022 hatte Sport-Boss Simon Rolfes versucht, Sie unter Bayer-Kreuz zu holen. Warum hatte das damals nicht geklappt?
ten Hag: Das hatte nichts mit Bayer Leverkusen zu tun, sondern lag nur an Ajax Amsterdam. Wir hatten ein sehr gutes Momentum zu der Zeit dort. Ajax ist ein großer Verein, wo alles gut organisiert ist. Ich hatte eine gute Mannschaft, wir hatten so einen positiven Lauf bei Ajax. Deshalb bin ich in Amsterdam geblieben.
Frage: Wie arbeitet eigentlich der Trainer Erik ten Hag?
ten Hag: Mit einem guten Plan. Ich bin schon hart, aber ich mag es, wenn die Spieler Spaß haben. Ein Training muss Spaß machen, so wie hier im Trainingslager in Rio de Janeiro. Hier lebt der Fußball. Aber manchmal ist im Training eben auch mal kein Platz für Spaß, weil wir Sachen in einem Spielmodell einstudieren müssen. Dann müssen wir lernen. Und natürlich ist Fußball auch ein Laufsport, dafür müssen meine Spieler auch viel investieren. Wie gesagt: Wir arbeiten mit einem guten Plan, oft mit Ball, aber Fußball ist auch eine Sportart, in der man ohne Ball viel laufen muss. Das ist auch anstrengend.
Frage: Sie sagen oft: „Meine Spieler müssen der Chef über den Ball sein.“ Ist das Ihr Credo?
ten Hag: Das ist eine von drei Säulen meiner Arbeit. Die zweite Säule ist die Intensität, wir wollen das Spiel dominieren. Und die dritte Säule hat mit Prinzipien, Regeln und Zusammenarbeit zu tun – das ist der Teamspirit. Fußball ist ein Mannschaftssport und da geht es darum, dass wir mit elf Angreifern und mit elf Verteidigern spielen.
Frage: Glauben Sie, dass die Mannschaft noch mehr Zugänge braucht?
ten Hag: Ja!
Frage: Wie viele?
ten Hag: Oh, das ist schwierig zu sagen im Moment. Aber wir sind dran, wir haben auch da einen guten Plan.
Frage: Die Zukunft von Granit Xhaka ist auch im Trainingslager in Rio ein großes Thema. Er hat Anfragen aus Saudi-Arabien und England. Haben Sie Sorgen, dass Xhaka auch noch den Verein verlässt?
ten Hag: Nein. Wenn es nach mir geht, soll er bleiben.
Frage: Es hieß, dass der erste Kontakt zwischen Ihnen und Granit Xhaka am Telefon eher unterkühlt war. Sehen Sie möglicherweise ein Problem in der Zusammenarbeit mit Xhaka aufkommen oder wird er Ihr neuer Kapitän?
ten Hag: Wir sind hier in Brasilien gerade mal ein paar Tage zusammen. Ich habe als Trainer von Manchester United gegen ihn gespielt, als er bei Arsenal war. Ich kenne natürlich seinen Spielstil sehr gut von vielen internationalen Wettbewerben – bei Arsenal, bei Leverkusen, bei der Schweiz. Aber persönlich sind wir uns erst jetzt begegnet, und ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit ihm.
Frage: Mit anderen Worten – Sie haben ihm gesagt: „Ich möchte, dass Du bleibst.“
ten Hag: Ja. Granit soll bleiben.
Frage: Ihre Hobbys sollen Tanzen, Golfen und Fahrradfahren sein. Was davon ist richtig?
ten Hag: Tanzen? Ich kann nicht tanzen. Vielleicht lerne ich mal, Tango zu tanzen. (lacht)
Frage: Und was ist mit Golf?
ten Hag: Ich sage immer: Ein guter Trainer kann eigentlich niemals ein guter Golfer sein. Denn dazu haben wir viel zu wenig Zeit. Aber ich habe mich in letzter Zeit tatsächlich etwas verbessert. Mein Handicap liegt jetzt bei 29, glaube ich.
Frage: Bei Ihrer ersten Pressekonferenz hatten Sie gesagt, dass Sie mit der Sportschau und dem legendären „Guten Abend allerseits“ von Heribert Fassbender groß geworden sind. Wir wissen, dass Herr Fassbender Ihre Vorstellung live gesehen und sich sehr über Ihren Spruch gefreut hatte.
ten Hag: Die Sportschau ist eine der besten Programme in der Geschichte des Fernsehens, einfach cool. Ich mochte auch „Match of the day“ in England. Ich habe mitbekommen, dass Heribert Fassbender immer bei unseren Heimspielen im Stadion ist. Ich bin zu hundert Prozent sicher, dass ich ihn bald treffen werde.
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild am Sonntag“ veröffentlicht.
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