Der Griff ist so deutlich wie fatal: Kathrin Hendrich packt ihre Gegnerin am Zopf - und fliegt mit Rot aus dem Viertelfinale der Fußball-EM. Ihre Hinausstellung sorgt gleich für zwei unrühmliche Turnier-Rekorde.
Nach Abpfiff lag sie in den Armen von Giulia Gwinn und heulte. In die Freudentränen und die Erleichterung mischten sich bei Kathrin Hendrich ganz sicher auch großer Frust. Denn die 33-Jährige wird im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft gegen Spanien definitiv zuschauen müssen. Sie hatte sich einen fatalen Aussetzer gegen Frankreich geleistet.
Erstmals hatte Bundestrainer Christian Wück die Innenverteidigerin, die nach dem Turnier vom VfL Wolfsburg zum Chicago Red Stars FC wechselt, in die Startelf beordert. Bislang hatte sie Rebecca Knaak den Vortritt lassen müssen, nun spielte sie mit ihr gemeinsam im defensiv verstärkten Team in einer Fünferkette. Allerdings nur 13 Minuten lang. Dann flog sie in ihrem 86. Länderspiel mit einer Roten Karte vom Platz.
Was war passiert? Die so routinierte Verteidigerin, die ihr siebtes Turnier spielt, griff schon in der 11. Minute in die Haare ihrer Gegenspielerin Griedge Mbock Bathy, zog deren Kopf am Zopf nach hinten. Die Französinnen führten gerade einen Freistoß aus, Mbock und Hendrich waren sich im Strafraum begegnet. Es dauerte einige Zeit, nach einem Hinweis des VAR aber schaute sich Schiedsrichterin Tess Olofsson aus Schweden die Aktion am Bildschirm an und entschied: Platzverweis für Hendrich, Elfmeter für Frankreich. Grace Geyoro verwandelte zum zwischenzeitlichen 1:0 (15.).
Wück will nichts sagen
Es ist unklar, was Hendrich sich in dieser Situation gedacht hat oder ob sie überhaupt mitbekommen hat, dass sie Mbock am Zopfe packte. Denn sie selbst äußerte sich nach dem Spiel nicht. Wück wollte sich im ZDF gar nicht zu der Situation äußern, nach der er übrigens selbst noch Gelb wegen Meckerns kassiert. In der anschließenden Pressekonferenz überlieferte er lediglich: "Ich kann nur sagen, dass sie überrascht war, dass sie da die Rote Karte bekommt."
Das spiegelte sich auch in der Situation wider: Hendrich schaute die Schiedsrichterin vollkommen entsetzt mit weit geöffnetem Mund an, schlug dann die Hände vors Gesicht. Packte sich mit einer Hand an die Stirn, ehe sie sich auf den Weg zur Auswechselbank machte.
Doch Überraschung schützt vor Strafe nicht. Die Rote Karte war die früheste bei dieser EM. Und es gibt noch gleich einen zweiten Rekord oben drauf: Das DFB-Team ist das einzige, das bei der EM jetzt schon zweimal glatt Rot kassierte. Gegen Schweden (1:4) hatte Carlotta Wamser den Ball vor dem Tor mit der Hand abgewehrt, da sie Verteidigerin und nicht Torhüterin ist, musste sie nach 31 Minuten vom Platz. Zum zweiten Mal dezimierte sich das DFB-Team also selbst. Nur vier weitere Spielerinnen sahen bei dieser EM bislang die Rote Karte - keines der Teams ist noch im Wettbewerb dabei.
Zum zweiten Mal musste Wück durchs Hendrichs Griff seine Abwehrkette umsortieren. Und das wird er wieder tun müssen. Zwar darf Wamser wieder mitwirken, doch Hendrich wird mindestens ein Spiel von der UEFA gesperrt. Zudem muss Sechserin Sjoeke Nüsken wegen der zweiten Gelben Karte aussetzen. Und ob Sarai Linder einsatzbereit sein wird, muss sich erst noch zeigen. Die Frau, die bislang als linke Verteidigerin gespielt hatte und gegen Frankreich auf die rechte Seite wechselte, musste nach einer Verletzung in der 6. Minute erst lange vor der deutschen Bank behandelt und getaped werden. Doch es half nichts, nach 20 Minuten musste sie vom Platz, Sophia Kleinherne kam zu ihrem Turnier-Debüt.
War's das?
Für Hendrich könnte die Angelegenheit noch haariger werden. Es ist fraglich, ob die 33-Jährige noch ein Turnier spielen wird. Nachdem mit der langjährigen Kapitänin Alexandra Popp, mit Abwehrchefin Marina Hegering und der degradierten Torhüterin Merle Frohms im vergangenen Jahr mehrere Leistungsträgerinnen aus dem DFB-Team zurückgetreten waren, sagte sie, dass auch sie einen Rücktritt in Betracht zog: "Klar denkt man immer wieder darüber nach, weil vor allen Dingen in den letzten Jahren die Belastung auch extrem hoch ist und man natürlich gucken muss, wie man mit den Kräften haushaltet."
Sie entschied sich dann, weiterzumachen: "Solange ich Spaß habe, solange mein Körper mitmacht und solange ich gebraucht werde, werde ich auf jeden Fall in der Nationalmannschaft bleiben", war ihre Begründung. Doch die Sache mit dem "Gebraucht werden" wandelt sich unter Wück. Früher Stammspielerin, musste sie in der Gruppenphase auf der Bank Platz nehmen. Mit ihrem Wechsel in die USA verschwindet sie zudem etwas aus dem Fokus der Öffentlichkeit, noch zudem ist Chicago als Tabellen-Vorletzter kein Topteam. Und die Reisen aus den USA zu Länderspiel-Aktivitäten werden anstrengend, für Geist und Körper. Das nächste Turnier findet außerdem erst 2027 statt, die WM in Brasilien. Nach drei Sommern voller Wettbewerbe (2022 EM, 2023 WM, 2024 Olympia), gibt es im kommenden Jahr eine Pause. Sollte das DFB-Team nicht das Finale dieser EM erreichen, könnte es gut sein, dass Hendrich ihr letztes DFB-Turnierspiel bereits nach 13 Minuten beendete.
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