Es war die Geburtsstunde des internationalen Shootingstars Thomas Müller. Vor fünfzehn Jahren holte sich der Bayern-Spieler im DFB-Dress nicht nur den Titel des Torschützenkönigs, sondern begeisterte auch durch seine lockere Art. Doch dann kam das WM-Aus - ohne Thomas Müller.
"Aufstehen, Fräulein Müller. Ansonsten hole ich gleich den Hubschrauber!" Bayerns damaliger Amateur-Trainer Hermann Gerland hatte es sich schnell zur Aufgabe gemacht, diesen jungen Mann, den er da mit seinen Storchenbeinen vor sich sah, richtig fit zu machen. In der Jugend noch hatte Thomas Müller gerne einmal ab der 70. Minute mit Krämpfen auf dem Boden gelegen und um seine Auswechslung gebeten. Doch das gab es dann unter Hermann Gerland nicht mehr. Von nun an lief der neue Shootingstar der deutschen Nationalmannschaft - und lief und lief. Und bei der Weltmeisterschaft vor fünfzehn Jahren in Südafrika sah das erstmals die ganze Welt - und staunte.
Denn dieser Thomas Müller spielte so unkonventionell und locker und befreit, dass sich die Zuschauer im Stadion und an den Bildschirmen zu Hause nicht selten fragten: Was macht dieser junge Deutsche da unten auf dem Rasen gerade eigentlich? Die Antwort war eigentlich ganz einfach. Er spielte sein Spiel - und wusste selbst auch nicht immer so recht, was er da genau machte. "Das sind ja keine Spielzüge. Es kommt einfach aus mir heraus", meinte Thomas Müller und lächelte spitzbübisch. Am Ende teilte sich die zwanzigjährige Nachwuchshoffnung des FC Bayern München den Titel des Torschützenkönigs überraschend, aber völlig verdient mit den drei anderen Spielern Diego Forlán, Wesley Sneijder und David Villa.
Gerd Müller gibt Nummer vor
Vor der WM noch hatte Müller selbst nicht so recht daran geglaubt, dass es soweit einmal kommen würde. Als ihm sein Idol und ehemaliger Trainer bei den Amateuren, der Weltmeister von 1974 und größte deutsche Stürmer aller Zeiten, Gerd Müller, vor dem Turnier angeraten hatte, auf das Trikot nur ja die richtige Zahl schreiben zu lassen ("Du musst unbedingt meine alte Nummer 13 nehmen. Die bringt dir Glück"), hatte Thomas Müller noch gelacht. Doch als dann plötzlich nur noch die 4, die 14 und - nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Michael Ballack - die 13 übrig waren, musste der jüngste Spieler im Kader der DFB-Elf nicht lange überlegen. Und siehe da: Die Nummer brachte ganz offensichtlich genau das Glück, das sich sein Namensvetter Gerd für ihn erhofft hatte.
All das führte dazu, dass sich die Reporter und die Zuschauer daheim schnell in diesen kecken, jungen Mann verliebt hatten. Müller war bei der Weltmeisterschaft in Südafrika der mit Abstand beliebteste Interviewgast der Medien. Und das völlig zu Recht. So antwortete er beispielsweise auf die Frage, wie er sich denn die Stimmung in Deutschland während der grandiosen WM vorstelle, mit einem breiten Grinsen, als er meinte: "Traurige Gesichter bei schlechtem Wetter - und kein Grillfleisch." Seine lockere Art - spontan grüßte er live via TV seine Oma zu Hause in Deutschland - kam nicht nur an, sondern löste auch bei seinen Teamkameraden emotional die angezogene Handbremse.
"Egal, wann wir die raushauen"
Und so setzte die gute Stimmung zudem ungeahnte Kräfte und ganz viel Euphorie frei. Der ansonsten eher schüchterne und zurückhaltende Marko Marin zeigte sich vollkommen unbeeindruckt, als ein Reporter ein mögliches Spiel gegen England in Aussicht stellte: "Ist doch egal, ob wir die früher oder später raushauen." Und tatsächlich gewann Deutschland diese legendäre Partie im Achtelfinale der WM mit 4:1. Hinterher meinte Miroslav Klose in Erinnerung an Wembley angesichts des klaren Treffers der Engländer zum 2:2, der aber nicht gegeben worden war: "1966 ist es anders ausgegangen. Jetzt steht es 1:1."
Im Viertelfinale schließlich gegen Argentinien (4:0) hatte sich Thomas Müller mit einer Galavorstellung und seinem frühen Tor zum 1:0 endgültig ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit gespielt - doch leider auch die zweite Gelbe Karte eingehandelt. Bereits in der 36. Spielminute hatte Schiedsrichter Ravshan Irmatov ein vermeintliches Handspiel von Müller gesehen. Doch trotz der persönlichen Enttäuschung opferte sich der Bayern-Star für das Team auf. Sogar so intensiv, dass er wieder einmal leichte Krämpfe bekam und in der 84. Minute ausgewechselt werden musste. Hermann Gerland war trotzdem stolz auf seinen Spieler. Er hatte schließlich alles gegeben - und noch ein bisschen mehr!
Doch dann kam das Halbfinale. Deutschland gegen Spanien. Eine Neuauflage des EM-Endspiels von 2008. Und da der Shootingstar der deutschen Nationalmannschaft und der WM gelbgesperrt pausieren musste, war Bundestrainer Jogi Löw gezwungen, umzustellen. Für Thomas Müller kam Piotr Trochowski ins Spiel. Doch schon nach wenigen Minuten war allen deutschen Fans und internationalen Beobachtern klar: Hier und heute stand eine andere deutsche Mannschaft auf dem Platz. Von der lockeren, selbstbewussten Spielweise war nur noch wenig zu sehen. Deutschland verkrampfte.
"Plötzlich geht er den Laufweg"
Wie hatte Philipp Lahm noch einige Tage zuvor über seinen Mitspieler in der Nationalmannschaft und beim FC Bayern gesagt: "Thomas hat den richtigen Riecher für Situationen. Ich sehe ihn ja immer im Mittelfeld rumschleichen. Und plötzlich geht er den Laufweg, den es für den Gegner unheimlich schwer macht, zu verteidigen. Und dann ist er auch noch vor dem Tor eiskalt!" All das fehlte an diesem 07. Juli 2010. Und so geschah zwangsläufig genau das, was passieren musste. Deutschland gelang kein Treffer, dafür erzielte in der 73. Minute erzielte Puyol nach einer Xavi-Ecke mit dem Kopf das entscheidende 1:0 für Spanien. Deutschland war raus. Die Hoffnung auf den vierten Stern vorbei. Der sollte erst vier Jahre später kommen.
Seit damals weiß Fußball-Deutschland, wie es ist, Thomas Müller schmerzlich zu vermissen. Daran wird sich die Nation, fünfzehn Jahre später, nun wieder gewöhnen müssen. Aber eins ist jetzt schon klar: Seine erfrischende, lockere und sympathische Art wird fehlen - nicht nur auf dem Platz. Genau so wie damals in Südafrika gegen Spanien!
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