Es sind harte Zeiten für den deutschen Rekordmeister. Jamal Musiala fällt nach einer nur schwer anzusehenden Szene im Spiel gegen PSG monatelang aus, auf dem Transfermarkt hagelt es Absagen. Der Blick in die eigene Vergangenheit könnte eine Lösung aufzeigen.
Es wird gebangt, vermutlich auch gebetet. Die Diagnose zur Verletzung von Jamal Musiala hält den FC Bayern in den Stunden nach dem Klub-WM-Aus auf Trab. Fernab des Feldes ist die Diagnose hingegen seit Monaten klar: immer wieder blutige Nasen. Die holt sich der FC Bayern erst im vergangenen Sommer von etlichen Trainern, 2025 scheint sich der Trend auf dem Spielermarkt fortzusetzen. Der Verein konnte Florian Wirtz seine künftige Rolle offenbar nicht deutlich genug aufzuzeigen, Nico Williams wollte zu viel Geld und bleibt letzten Endes in Bilbao. Für Nick Woltemade fordert der VfB Stuttgart eine Ablösesumme jenseits von Gut und Böse (was sein gutes Recht ist). Und all diese Entwicklungen kann die Republik quasi in Echtzeit mitverfolgen.
Die Verletzung von Musiala kommt für den Rekordmeister zur Unzeit. Bedarf gab es vorher schon, jetzt droht die Offensive vollkommen auseinanderzufallen. Sollte sich Thomas Müller wie geplant verabschieden, stehen neben dem klaren Fixpunkt Michael Olise noch Kingsley Coman, dessen Abgang noch nicht völlig ausgeschlossen war, und Serge Gnabry im Kader. Lennart Karl (17) und Paul Wanner (19), ergänzen das Aufgebot. Zumindest noch, Wanner ist ein heißer Kandidat für eine Leihe, nach Stuttgart womöglich. Die Not des FC Bayern, mehrere Spieler auf verschiedenen Positionen zu benötigen, könnten sich etliche abgebende Vereine vergolden lassen. Es sei denn, der Rekordmeister selbst nutzt ebenfalls eine Notlage aus.
Drastische Zeiten, drastische Maßnahmen
Eine Idee: Ebenjene Notlage ist bei Manchester United längst zum Dauerzustand verkommen. Der einst große Klub ist in der vergangenen Saison vollends in sich zusammengefallen. Platz 15 (!) in der Liga. Etliche Spieler stehen auf der Abschussliste. Darunter auch der argentinische Außenstürmer Alejandro Garnacho. Der 21-Jährige ist im Winter 2023 innerhalb eines Monats gleich zweimal im Fokus der Fußballwelt. Am 24. Oktober zertritt er in einem Europa-League-Spiel den Elfmeterpunkt, nachdem der Gegner aus Kopenhagen einen Strafstoß zugesprochen bekommt. Am 26. November trifft er mit einem unglaublichen Fallrückzieher gegen Everton. Später wird der Treffer mit dem Puskas-Award für das Tor des Jahres ausgezeichnet.
Das beschreibt das Spektrum, auf dem Garnacho wandelt, ziemlich treffend. In der vergangenen Saison überwirft er sich mit Trainer Ruben Amorim. Besonders die kurze Spielzeit von 19 Minuten im verlorenen Finale der Europa League gegen Tottenham stößt dem Kreativspieler sauer auf. Der Coach fordert ihn laut Medienberichten vor versammelter Mannschaft dazu auf, sich einen neuen Verein zu suchen. Auf einer Saison-Abschlusstour durch Malaysia zeigt er Fans mehrfach den Mittelfinger.
Torgefährlicher als Sané und Gnabry
Trotz Karriere-Bremsklotz Manchester United und dem ständigen Wandel zwischen Genie und Wahnsinn kommt Garnacho in der abgelaufenen Spielzeit auf 21 Scorerpunkte. Mehr als Serge Gnabry. Mehr als der mittlerweile abgewanderte Leroy Sané. Noch interessanter als der Ist-Zustand Garnachos ist sein Potenzial. Mit 21 ist er noch weit von der Hochphase seiner Karriere entfernt. Er ist trickreich, enorm schnell und entwickelt im vergangenen Jahr einen guten Instinkt im Strafraum. Wirkt er zu Beginn seiner Karriere wie ein Bilderbuch-Linksaußen, der Konter läuft oder den Ball mit rechts ins lange Eck hängt, sind einige seiner Treffer der vergangenen Monate klassische Stürmer-Momente. Richtig stehen, schnell reagieren, Tor. Genau das, was der FC Bayern auch gegen PSG mal wieder gebraucht hätte. Die zehn Assists bezeugen aber auch, dass Garnacho kein schwarzes Loch ist, das einfach jeden Ball auf den Kasten pöhlt. Die Kirsche auf der Torte ist Garnachos Vielseitigkeit. Neben seiner Stammposition auf dem Flügel kann er auch auf der Zehn agieren - und könnte so zumindest kurzfristig das Musiala-Loch stopfen.
Doch natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Hart gesagt: Wenn es an einem Spieler wie Garnacho keine Zweifel gäbe, wäre er für den FC Bayern nicht erreichbar. Zu viele Red Flags für die Red Devils. Warum sollten die Bayern den schlafenden Giganten nun also von ihrem Leid erlösen? Dafür reicht ein Blick in die Vergangenheit des Klubs: Der FC Bayern hat stets sehr gute Erfahrungen mit Enfant Terribles gemacht. Mario Basler, Stefan Effenberg, Mark van Bommel, Franck Ribéry. Alles nicht die einfachsten Charaktere, aber für den Rekordmeister von enormer Wichtigkeit.
Ein Risiko, aber ein überschaubares
Garnacho steht stellvertretend für einen Spielertypen, der für den FC Bayern schon immer wichtig war - und in Zukunft vielleicht noch wichtiger wird. Mit Blick auf die Ausgaben der Konkurrenz versucht der Rekordmeister in der Champions League immer häufiger über seiner Gewichtsklasse zu boxen. Die ganz großen Namen der Fußballwelt extern dazukaufen war nun zwar noch nie das Manifest des Münchener Erfolgs. Doch der Pool der Unerreichbaren wird in den vergangenen Jahren stetig größer. Weder die besten deutschen Spieler, noch die besten Kicker der Bundesliga sind dieser Tage garantierte Zugänge für den FCB, wie seit Kevin De Bruyne auch Kai Havertz, Christopher Nkunku, Josko Gvardiol oder jüngst Florian Wirtz bewiesen haben.
Ein Garnacho-Transfer wäre eine wahrscheinlich recht kostspielige Wette. Die Ablöse für den Argentinier dürfte irgendwo rund um 40 - 60 Millionen Euro liegen. Zum Glück ist der FC Bayern der eine Bundesligist, der es sich leisten kann, solch eine Summe beim Roulette auf Rot zu setzen. Im schlechtesten Fall fällt Garnacho auch im Trikot des Rekordmeisters durch mangelnde Disziplin und ein zu großes Ego auf. Dann macht er gegen die untere Tabellenhälfte der Bundesliga wahrscheinlich trotzdem noch genug Scorer-Punkte, um ihn in anderthalb Jahren mit etwas Verlust zu verkaufen.
Das neue Gesicht des FC Bayern
Oder aber, er schlägt ein. Die Bayern kriegen ihn in die Spur, er bringt Abwehrreihen Deutschlands neben Michael Olise und einem irgendwann zurückgekehrten Jamal Musiala zur Verzweiflung und wird für den FC Bayern nach Jahrzehnten der Abwesenheit endlich mal wieder zu einem vermarktbaren Gesicht in Südamerika. Und in einigen Jahren lachen sich Eberl, Hoeneß und Co. kaputt, was für ein Schnäppchen der Argentinier mit der Nummer 7 (nur eine vage Prognose) war.
Er wäre keine so sichere Bank wie der Leipziger Xavi Simons, der die Bücher allerdings auch deutlich stärker belasten dürfte. Freiburgs Ritsu Doan oder Brightons Kauro Mitoma könnten für schmaleres Geld zu haben sein, verfügen aber nicht über Garnachos Potenzial. Und auch in die aktuelle Situation des FC Bayern passt ein solches Experiment. Rund um den jungen Coach Vincent Kompany, den hoffentlich bald wieder genesenen Jamal Musiala, Flügel-Sensation Michael Olise (und bald auch Nick Woltemade?) formiert sich derzeit der FC Bayern der Zukunft. Ohne Thomas Müller, ohne Manuel Neuer.
Egal, mit wem sich der Klub auf den Flügeln verstärkt: Der Gewinn der Liga ist so wahrscheinlich wie der Angriff auf den Henkelpott ambitioniert. Garnacho kann nicht viel kaputtmachen, aber eine Menge aufbauen. Und sollten die Zweifel an seiner Reife doch zu groß werden: Jadon Sancho und Marcus Rashford stehen ebenfalls auf der Abschussliste der Red Devils. Und mindestens einen der beiden wieder zurück zu alter Größe zu führen, sollte sich ein Verein wie der FC Bayern schon zutrauen.
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