Santi Cazorla, zweimaliger Europameister mit Spanien und inzwischen 40 Jahre alt, kehrt zu seinem Jugendverein zurück und hievt ihn in die erste Liga - nach 24 Jahren Abstinenz. Es ist der märchenhafte letzte Akt einer Karriere, den sich Drehbuchautoren nicht kitschiger hätten ausdenken können.
Nein, Druck scheint Santi Cazorla nicht mehr zu spüren. Selbst jetzt nicht, in der 39. Minute des Final-Rückspiels um den Aufstieg in La Liga, Spaniens Beletage. Es steht 0:1. Gerade hat Schiedsrichter Miguel Sesma Espinosa Cazorlas Mannschaft, Real Oviedo, einen Elfmeter zugesprochen. Alberto Reina, der Kapitän von Gegner CD Mirandés, hatte einen Kopfball aus kurzer Entfernung klar mit dem Arm geblockt. Jetzt liegt der Ball auf dem Elfmeterpunkt und Cazorla steht bereit. Er nimmt einen langen Anlauf, schießt den Ball mit rechts flach in die Mitte - ins Tor.
Es ist der so wichtige Ausgleich, jetzt kocht die Atmosphäre im Stadion. Gerade zum rechten Zeitpunkt, denn das Hinspiel hatte Oviedo mit 0:1 verloren. Die Erlösung folgt um 23:40 Uhr: Durch ein 3:1 nach Verlängerung ist Real Oviedo aufgestiegen. Nach 24 endlosen Jahren, mehreren Abstiegen und einer drohenden Insolvenz ist der Verein aus Asturien zurück.
Für Fans und Funktionäre ist es eine Erlösung. So oft waren sie kurz davor. 2022 werden sie Siebter. Im Jahr darauf kehrt Cazorla zurück zu dem Klub, für den er bereits in seiner Jugend spielte. Doch wieder verpasst Oviedo mit Platz acht die Aufstiegsplayoffs knapp. Um daran teilnehmen zu dürfen, ist Platz sechs nötig. Den erreicht der Klub zwar 2024, doch in den Entscheidungsspielen unterliegt Oviedo nach einem 1:0-Sieg im Final-Hinspiel Espanyol Barcelona mit 0:2. "Mit Oviedo aufzusteigen, wäre für mich gleichbedeutend mit dem Gewinn der ersten Europameisterschaft", sagt Cazorla im Vorfeld des Rückspiels gegen Mirandés. "Es ist das wichtigste Spiel in meiner Karriere."
Santi Cazorla drohte Amputation
Dass Santi Cazorla am vergangenen Samstag für Real Oviedo knappe 72 Minuten auf dem Platz steht, ist außergewöhnlich. Nicht nur, weil er mit seinen 40 Jahren immer noch spielt. Die meisten seiner Profi-Kollegen gehen weit vorher in Fußball-Rente. Sondern, weil Cazorla die Amputation eines Teils seines rechten Beins gedroht hatte. 2013 fängt sein Leidensweg an. Mit einem Schlag auf den Knöchel beginnen die Schmerzen. "Wenn ich aufgewärmt war, konnte ich spielen, aber sobald ich in der Halbzeit ein bisschen abgekühlt bin, hätte ich vor Schmerzen weinen können", sagt Cazorla später der spanischen Sportzeitung "Marca".
Er beißt zunächst auf die Zähne, getrieben von Leidenschaft und Ehrgeiz. Zu diesem Zeitpunkt ist er bereits zweifacher Europameister (2008 und 2012). Im Herbst 2016 aber geht es nicht mehr. Inzwischen hat sich eine Infektion in der Region am Fuß ausgebreitet. Sein Arzt Dr. Mikel Sanchez sagt dem Blatt: "Die Infektion hat den Knöchel beschädigt und einen Teil der Achillessehne gefressen. Da fehlten plötzlich acht Zentimeter der Sehne." Cazorla spielt zu dieser Zeit beim FC Arsenal, mit dem er zweimal den FA-Cup und den Supercup gewinnt. Sein Trainer damals ist Arsène Wenger, auch er beschreibt die Verletzung des 81-fachen spanischen Nationalspielers mit drastischen Worten: "Es ist die schlimmste Verletzung, die ich je gesehen habe. Sie ist immer schlimmer geworden."
Cazorla könne froh sein, wenn er noch mit seinem Sohn im Garten laufen könne, so die Einschätzung der Ärzte. Beim Gedanken an Profi-Fußball winken sie ab. Doch damit gibt der Spanier sich nicht zufrieden. Er will wieder auf dem Fußballplatz stehen, lässt mehrere Operationen über sich ergehen. Ärzte stellen seine Achillessehne wieder her, heute befindet sich an der Stelle ein Fetzen seines Tattoos vom Arm. Von dort müssen die Operateure Haut transplantieren, um Cazorla wieder zusammenflicken. Es ist ein Mahnmal des Leidens, die Erinnerung an den Tiefpunkt seiner Karriere. Cazorlas Vertrag in London läuft aus, auf dem Platz stehen wird er erst wieder in Spanien für den FC Villarreal. Über Katar kehrt er schließlich zurück nach Hause, nach Oviedo.
Stadt setzt Cazorla ein Denkmal
"Ich habe viel erlebt, doch die Verbundenheit mit diesem Verein macht das hier einzigartig", sagt der offensive Mittelfeldspieler heute über sein Verhältnis zu Oviedo. Bei seiner Rückkehr will er sogar umsonst spielen. Weil das die Liga untersagt, kickt er laut dem britischen "Guardian" für den Mindestlohn der zweiten Liga. Je nach Quelle soll der zwischen 77.000 und 93.000 Euro im Jahr liegen. "Meine Frau sagte: 'Nein, du gehst da nicht hin, um Geld zu verdienen, sondern um Spaß zu haben, um zu geben und zu helfen'", erzählt Cazorla der Zeitung. Außerdem macht er zur Bedingung, dass zehn Prozent der Trikoterlöse mit seinem Namen in die Nachwuchsabteilung fließen sollen. Cazorla ist ein exzellenter Fußballer, wenn er gesund ist. Und ein noch besserer Mensch, wie es scheint.
Durch den Aufstieg schließt sich ein Kreis. Cazorla kommt in Lugo de Llanera auf die Welt, ganz in der Nähe von Oviedo. Jetzt ist er am Ziel seiner Träume, in der ersten Liga mit Real Oviedo. "Ich bin der glücklichste Mann der Welt", sagt er dem Radiosender "Cope". Noch ist unklar, ob er auch in La Liga noch einmal das Trikot seines Herzensklubs überstreifen wird. Sein Vertrag läuft Ende Juni aus. Doch laut "Cope" arbeite Vereinspräsident Martín Peláez an einer Verlängerung. Diese Nachricht dürfte die Herzen der Anhänger von Real Oviedo höher schlagen lassen. Und Oviedos Bürgermeister Alfredo Canteli legt noch einen drauf: "Die Plaza América wird in Plaza Santi Cazorla umbenannt." Der Platz ist im Herzen der Stadt, Cazorla längst in den Herzen der Fans.
Es ist die ultimative Würdigung eines Mannes, der in der rund 226.000 Einwohner zählenden Stadt schon jetzt unsterblich ist. Vermutlich erzählen sie sich dort noch in vielen Jahren das Märchen von Santi Cazorla bei Real Oviedo.
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