Ihr Nachbar während der besonderen Mission hat riesige Füße und lange Ohren. Und ist weltbekannt. Seit dieser Woche wohnt die Mannschaft des FC Bayern neben Goofy, im Hotel „Four Seasons“ am Walt Disney World Resort in Orlando/Florida. Der deutsche Fußball-Rekordmeister bereitet sich hier auf die Klub-WM vor, sein erstes Spiel bei dem Turnier bestreitet er am Sonntag (18 Uhr, Sat. 1 und DAZN) in Cincinnati gegen Auckland City FC aus Neuseeland.
Es könnte ein langer Aufenthalt für die Münchner in den USA werden: Das Turnier geht über vier Wochen, 63 Spiele steigen in zwölf Stadien, das Finale am 13. Juli in New Jersey. In Gruppe C treffen die Bayern zudem in Miami auf die Boca Juniors aus Argentinien (21. Juni, 3 Uhr) und in Charlotte auf Benfica Lissabon aus Portugal (24. Juni, 21 Uhr). In den weiteren Runden könnten sie gegen Topklubs wie Real Madrid, Manchester City, Paris St. Germain oder den Bundesliga-Rivalen Borussia Dortmund spielen. Das Ziel der Bayern ist klar: der Titel. „Natürlich hoffe ich, dass wir als Erste draufstehen“, sagte Vorstandschef Jan-Christian Dreesen über die Trophäe des Wettbewerbs.
Die Klub-WM mit 32 teilnehmenden Mannschaften ist sportlich umstritten. Jürgen Klopp, lange Trainer des FC Liverpool, nannte das Turnier „nutzlos“, die Vereinigung der europäischen Ligen hat mit der Spielergewerkschaft Fifpro eine Beschwerde gegen den Weltverband Fifa bei der EU-Kommission eingereicht. Doch für die Bayern ist die Klub-WM aus mehreren Aspekten sehr relevant.
Nicht nur deshalb sind die Wochen für den Klub intensiv. Sportvorstand Max Eberl muss von Florida aus den Kader für die neue Saison planen. Es gilt, Abgänge zu kompensieren. Und weitere Spieler zu verkaufen oder zu verleihen. Neben Goofy und Micky Maus werden wichtige Entscheidungen für die Zukunft des Klubs gefällt. Für die Bayern ist es eine Mischung aus Turnier, Saisonvorbereitung, PR-Reise und Abschiedstour der Vereinslegende Thomas Müller.
Trainer Vincent Kompany lässt seine Mannschaft auf dem „ESPN Wide World of Sports Complex“ trainieren, ein mehr als 220 Hektar großes Areal in Disney World. Seine Spieler durften zu Beginn des Trainingslagers sogar ihre Partnerinnen und Kinder mit ins Quartier bringen. Auf dem Areal gibt es einen Golfplatz, Pools und ein Spa.
Seit Ende dieser Woche liegt der Fokus allerdings klar auf dem Turnier. Für die Bayern geht es um viel Geld. Allein die Teilnahme an dem Wettbewerb bringt 30 Millionen Euro – mit der Finalteilnahme könnten es rund 125 Millionen werden. „Es ist keine Lustreise, sondern eine echte Challenge“, sagte Dreesen. Und Ehrenpräsident Uli Hoeneß machte im Interview mit WELT AM SONNTAG klar: „Die Klub-WM führt in diesem Jahr dazu, dass wir keinen großen Verlust machen.“
Den Spielern der teilnehmen Klubs wird nach einer strapaziösen Saison und den letzten Einsätzen für ihre Nationalmannschaften viel abverlangt. Ihr Urlaub war kurz. Und jetzt sechs Stunden Zeitumstellung und ein Klimawechsel mit Temperaturen über 30 Grad. „Wir möchten es den Spielern so angenehm wie möglich machen, wenn sie diesen Stress nach der Saison haben“, so Dreesen. Die Nationalspieler hatten etwas länger frei vor der Reise in die USA.
Leroy Sané ist noch bei der Klub-WM dabei
Kompany hat in den USA 29 Spieler dabei. Leroy Sané zählt zum letzten Mal zum Kader, der 29-jährige umstrittene Offensivprofi wechselte in dieser Woche zu Galatasaray Istanbul. In der Türkei empfingen die Fans Sané euphorisch, er wird bei dem Klub wohl mindestens zwölf Millionen Euro netto plus Boni pro Jahr erhalten. Trotz des Wechsels reiste Sané am vergangenen Freitag in die USA nach. Er könnte in den Gruppenspielen und im Achtelfinale für die Bayern zum Einsatz kommen, am 30. Juni endet sein Vertrag bei den Bayern.
Zudem kann Kompany die Zugänge Jonathan Tah (Bayer Leverkusen) und Tom Bischof (TSG Hoffenheim) einsetzen – die Bayern-Bosse um Eberl erzielten im Sondertransferfenster der Fifa eine Einigung über vorzeitige Wechsel. Dafür wurde eine „Mini-Ablöse“ fällig, zudem sparen Leverkusen und Hoffenheim die Juni-Gehälter für Tah und Bischof, der gerade in der Nationalmannschaft unter Bundestrainer Julian Nagelsmann debütierte.
Nach längeren Verletzungspausen sollen Offensivstar Jamal Musiala und Innenverteidiger Dayot Upamecano wieder spielen. Auch Abwehrprofi Minjae Kim ist nach seinen langwierigen Achillessehnenbeschwerden überraschend in den USA dabei. Auf Trainer Kompany kommen in Amerika intensive und komplizierte Wochen zu. Seine Mannschaft muss liefern – sportlich und damit auch finanziell. „Das Ziel zu gewinnen, ist da. Ich habe nicht das Talent, unmotiviert zu sein“, sagte der Belgier. Und Müller betont: „Ich freue mich darauf, wenn wir das erste Mal die Stimmung spüren vor Ort. Der Spirit ist gesetzt, der Trainer hat da auch keine Fragezeichen gelassen, sondern Ausrufezeichen gesetzt. Wir wollen das Ding gewinnen!“
Für den 35-Jährigen sind es sehr besondere Tage. Es sind seine letzten Wochen als Spieler des FC Bayern. Der Klub gab im vergangenen April bekannt, dass Müller nach 25 Jahren im Verein in diesem Sommer als Profi des Klubs aufhören wird. Für die Klub-WM gab der Meister Müller einen „Mini-Vertrag“ für einige Wochen, der bisherige Kontrakt endet am 30. Juni. Müller ist das Gesicht des Vereins – und wird in den USA entsprechend vermarktet.
Bei zahlreichen Terminen wirbt er für den Klub, dem die Internationalisierung sehr wichtig ist. In den Fanshops gibt es sogar ein spezielles FCB-Trikot: Auf Höhe der Trikotnummer sind alle 33 Titel vermerkt, die Müller mit dem Klub gewonnen hat (zweimal Champions League, zweimal Uefa-Supercup, zweimal Klub-WM, 13-mal Deutsche Meisterschaft, sechsmal DFB-Pokal und achtmal Deutscher Supercup), dazu ein Jubel-Foto des Weltmeisters.
Nach einem Training in Orlando posierte Müller diese Woche mit Goofy und Micky Maus. Ob und falls ja wo er künftig spielen wird – das ist weiter offen. Die Klärung dieser viel diskutierten Frage rückt aber näher. Müller deutete in den USA an, dass während der Klub-WM eine Entscheidung fallen könnte. „Selbst, wenn sich – was meine berufliche Zukunft betrifft – während des Turniers etwas tun sollte, werde ich mich davon nicht ablenken lassen“, sagte der Publikumsliebling. „Ich mache mir ständig Gedanken über meine Zukunft, vor allem über die kurzfristige. Und die wird hier bei der Klub-WM stattfinden, da sind die Hauptgedanken. Das ist ein Prozess, der noch andauert.“
Die US-Profiliga MLS gilt als Option. Müller wird die Zeit bis zu einem möglichen Finale außerhalb des Fußballs intensiv zur Beobachtung der USA und des Lebens dort nutzen. „Klar ist es auch eine Möglichkeit für mich. Vor allem, wenn wir weit kommen, dann kommen wir in unterschiedlichste Regionen in den USA.“ Er könne da „nochmal ein bisschen reinzuschnuppern“.
Ein Interessent ist Los Angeles FC. Der Klub hat offenbar sogar bereits ein Angebot abgegeben. Er wünscht sich wohl, dass Müller nach der Klub-WM in den USA bleibt und beim derzeit Fünften der Western Conference einen Vertrag unterschreibt. Eine Delegation von Los Angeles FC war bereits in München, um Müller die Pläne des Klubs zu präsentieren. Der FC Bayern unterstützt diese Bemühungen, weil FC ein Partner-Klub des Meisters ist. Sponsoren sollen finanziell helfen, den Deal zu realisieren. Bislang gelang dies nicht.
Was auch immer Müller demnächst machen wird – seine Kollegen genießen die letzten Wochen mit ihm als Mitspieler. „Wir wollen die Saison für ihn erfolgreich beenden“, sagte Superstar Harry Kane. „Wenn das Finale der Klub-WM sein letztes Spiel für Bayern München wäre, wäre der Titel der perfekte Abschluss für ihn.“ Seine Mannschaft sei einer der Favoriten auf den Titel.
Müller und Sané sind künftig nicht mehr dabei, Florian Wirtz von Bayer Leverkusen hat den Bayern abgesagt und wechselt wohl zum FC Liverpool – wer wird die Münchner Mannschaft also prägen? Eberl macht sich intensive Gedanken. Die Bayern sollen sehr an Nico Williams interessiert sein. Der 22-jährige Offensivprofi Athletic Bilbaos überzeugte zuletzt in der spanischen Nationalmannschaft in der Nations League, ist ein sehr schneller und dynamischer Außenstürmer.
60 Millionen Euro Ablöse für Nico Williams
Eberl soll sich mit den Beratern des Spielers getroffen haben. Williams, dessen Vertrag in Bilbao bis Sommer 2027 gilt, hat dem Vernehmen nach eine Ausstiegsklausel in Höhe von knapp 60 Millionen Euro in seinem Arbeitspapier stehen. Dazu werden offenbar Boni und ein Gehalt 15 bis zu 20 Millionen Euro diskutiert. Auch der FC Arsenal soll an Williams interessiert sein.
Zu den weiteren Kandidaten bei den Bayern gehören der 26-jährige Rafael Leão vom AC Mailand, Nationalspieler Portugals, und der 27-jährige Christopher Nkunku vom FC Chelsea. Nkunku spielte früher für RB Leipzig, die Münchner waren bereits im vergangenen Winter an ihm interessiert. Auch der 26-jährige Ritsu Doan vom SC Freiburg beobachten die Bayern ganz genau, zudem wird über den 22-jährigen Bradley Barcola von Champions-League-Sieger Paris St. Germain spekuliert.
Nach der Absage von Wirtz steht Eberl unter Druck. Die Bayern brauchen einen neuen Flügelspieler. Dass er in den Verhandlungen mit Sané hart blieb, wird Eberl im Klub hoch angerechnet. Und schafft finanziellen Spielraum, der Nationalspieler war ein Top-Verdiener. Sané soll bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr erhalten haben. Die internationalen Klubs wissen natürlich um Bayerns Bedarf in der Offensive nach dem Sané-Abgang – und dürften dementsprechend finanzielle Forderungen in möglichen Verhandlungen vorbringen.
Es könnte bei den Münchnern auch deshalb zu weiteren Abgängen kommen. Verteidiger Kim, Mittelfeldprofi João Palhinha und Außenstürmer Kingsley Coman würden sie bei entsprechenden Angeboten wohl verkaufen. Auch, um Geld für einen neuen Offensivstar wie Williams zu haben. Palhinha ist bislang ein Flop, spielte nur wenig und brachte zuletzt selbst einen Wechsel ins Gespräch. Bei Verteidiger Sacha Boey, den die Bayern 2024 für 30 Millionen Euro von Galatasaray kauften und bis 2028 an sich banden, ist ein Leihgeschäft im Gespräch, er könnte wie Sané in die Türkei wechseln.
Wie lange spielt Manuel Neuer noch?
Eine weitere Frage, welche die Bayern klären müssen, um mittel- und langfristig die Torhüterposition planen zu können: Will Manuel Neuer nach der neuen Saison aufhören? Oder noch länger spielen? Der Vertrag des 39-Jährigen gilt bis 30. Juni 2026. Jede Menge Arbeit für Eberl.
Zunächst will der Sportvorstand mit den Bayern erfolgreich in die Klub-WM starten. Und den Titel holen.
Ihr neuer Nachbar Goofy wäre sicher begeistert.
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen. Als FCB-Reporter war es zuletzt die elfte Meisterschaft des Klubs, die er erlebte. Bei der Ersten war Jupp Heynckes Trainer.
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