Sie rückt noch kurz Ihr Telefon zurecht, dann kann das Interview via Videoschalte beginnen. Laura Wontorra ist gut aufgelegt, als wir sie am Vormittag erreichen. Die 36-Jährige ist eine der bekanntesten Sport- und Show-Moderatorinnen Deutschlands. Erst vor wenigen Wochen hat sie, die von vielen TV-Sendern umworben war, ihren Vertrag beim Streamingdienst DAZN um zwei Jahre verlängert. Sie präsentiert dort die Champions-League-Spiele und ab der kommenden Saison neben Einzelpartien aus der Fußball-Bundesliga auch die beliebte Konferenz am Samstag. Wontorra besticht durch exzellente Gesprächsführung, großes Fachwissen und viel Wortwitz.
WELT: Diejenigen, über die Sie berichten, sind oder gehen demnächst in die Sommerpause. Wie ist es mit Ihnen?
Laura Wontorra: Ich würde sagen, die größte Baustelle in meinem Leben ist die Work-Life-Balance. (lacht)
WELT: Oha.
Wontorra: Zum Glück verhält es sich inzwischen so, dass nicht nur mein Vater ein guter Berater ist, den ich kontaktieren kann. Mit den Aufgaben, die ich habe, ist ein Team mit Menschen um mich herum gewachsen, die auf mich achten. Dadurch, dass nun, wo die Bundesliga-Saison und auch die Spielzeit in der Icon-League vorüber sind, die RTL-Formate anstehen, die ich abseits des Sports mache, also „Ninja Warrior“ und „Grill den Henssler“, ist der kommende Monat vollgepackt. Ich mache im Juli komplett frei und bin in dieser Zeit nicht erreichbar – ich habe mir fest vorgenommen, wirklich mal abzuschalten.
WELT: Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei Ihnen aus?
Wontorra: Da es mein Anspruch an mich als Sportjournalistin ist, all das selbst vorzubereiten, was ich für eine Sendung brauche, bin ich sehr eingespannt. Früher hatte ich vielleicht etwas mehr Freizeit, die fällt aber mehr und mehr weg, da Laura Wontorra heute auch eine Marke und durch die veränderte Medienwelt auf vielen verschiedenen Plattformen präsent ist. Da gibt es viel zu besprechen, viel zu organisieren. Doch das funktioniert sehr gut, da ich viele gute Menschen für die unterschiedlichen Bereiche an meiner Seite habe, ob für das Management oder für das Bespielen der Social-Media-Kanäle. Die Verpflichtungen nehmen zu, doch mir macht es Freude, mit den Menschen zu arbeiten, mit denen ich wachse und die mit mir wachen. An der Red Laver Arena in Melbourne steht ein Spruch von der Tennislegende Billie Jean King. „Pressure is a privilege“ – ich finde die Worte ganz gut.
WELT: Nehmen Sie sich dennoch am Tag auch mal bewusst eine Auszeit?
Wontorra: (überlegt) Ich gehe schon eine hohe Pace. Als kürzlich das arbeitsintensive Pokalwochenende vorüber und es am Sonntag schon sehr spät war, fragte mich mein Bruder in Berlin, ob ich denn schon etwas gegessen habe. Also sind wir Mitternacht an ein Büdchen und haben uns geschwisterlich noch Pommes geteilt. Das hat Spaß gemacht, geht aber nicht jeden Tag. Und natürlich achte ich darauf, mir Zeit für mich zu nehmen. Ein schöner Ausgleich ist für mich zum Beispiel, wenn ich Zeit mit meinem Hund verbringe. Dann bin ich teilweise eine Stunde mit ihm unterwegs – und lasse ab und an mal das Handy daheim. Wie jeder Mensch brauche auch ich eine Tankstelle, einen Happy Place, um durchzuatmen, um Kraft zu tanken. Und das ist mein Zuhause, das ist meine Familie, das sind meine Freunde. Wenn ich mit ihnen Zeit verbringe, hilft mir das. Ich empfinde es als angenehm, wenn es dann mal nicht um mich und meinen Job, sondern in den Gesprächen um andere Themen geht. Das ist toll.
WELT: Sie genießen eine große Aufmerksamkeit. Wie schwierig gestaltet es sich, Rückzugs-Orte oder Rückzugs-Momente zu finden?
Wontorra: Ich komme aus einer sehr lebensbejahenden Familie – und unsere Hymne ist das Lied „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros. Wir haben also eine positive Grundeinstellung. Als Journalistin bin ich neugierig – und von daher auch interessiert an dem, was um mich herum passiert. An den Menschen und ihren Geschichten. Aber klar, ich muss da hin und wieder auch etwas achtgeben. Und das gelingt mir. Ich habe kein Problem damit zu sagen: Okay, ich bin mal einen halben Tag raus.
WELT: Je mehr man in der Öffentlichkeit steht und je prominenter man ist, umso mehr wird hingeschaut und hingehört, wie gut man das macht, was man macht. Wie gehen Sie damit um, ständig im Fokus zu stehen – oder auch mal in der Kritik?
Wontorra: Natürlich merke ich, dass sich meine Rolle in der Wahrnehmung verändert hat. Aber ich mochte die große Bühne schon immer, deshalb stört mich das nicht, solange der Fokus auf meiner Arbeit und vor allem auf dem Gesprächspartner liegt. Es geht nicht um mich, die das Gespräch leitet. Wissen Sie, mein Vater ist ein wunderbarer Geschichtenerzähler, doch er hat seine Gäste stets glänzen lassen. Ich will nicht im Mittelpunkt stehen – und wenn über mich berichtet wird, wünsche ich mir, dass etwas thematisiert wird, was ich dem Interviewpartner entlockt habe. Wenn es dann doch mal über eine ausgefallene Jacke geht, die ich getragen habe, ist das so.
WELT: Sie sind eine der bekanntesten Frauen im deutschen Fußballjournalismus. Wie hat sich die Rolle der Frauen in diesem Bereich in den vergangenen Jahren verändert?
Wontorra: Für mich war das Frauen-Thema nie ein großes Thema, weil ich immer schon gesagt habe, dass die Qualität über dem Geschlecht steht.
WELT: Seit Jahren stehen den Moderatorinnen und Moderatoren Experten zur Seite. Sie arbeiten im Wechsel mit Michael Ballack und Sami Khedira. Wie erleben Sie die zwei ehemaligen erfolgreichen Fußballer?
Wontorra: Ich bin dankbar dafür, dass ich mit ihnen arbeiten darf. Dadurch entsteht eine unheimliche Dynamik, eine wahnsinnige Tiefe. Und als Fußball-Fan, der ich nun mal auch bin, kann ich nur sagen, es ist schön, dass es diese Zusammenarbeit gibt. Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich eine Autogrammkarte von Michael Ballack mit Widmung bekommen. Die habe ich immer noch. Und als Sami Khedira 2014 in Rio den WM-Titel gewonnen hat, habe ich in Köln mit Freunden auf der Zülpicher Straße das Finale geschaut. Jahre später stehe ich mit Michael und Sami vor der Kamera. Wir ergänzen uns sehr gut, durch sie gibt es einen großen Mehrwert, da sie nicht nur aus Erfahrung sprechen, die sie in ihrer Karriere gesammelt haben. Sie sind immer perfekt und bis ins kleinste Detail auf ihre Einsätze vorbereitet. Auch Sandro Wagner war das immer. Er hat mich nachhaltig geprägt, da er eine unheimliche Ausstrahlung und eine große Expertise hat. Er kann Menschen begeistern, weshalb er auch so gut als Trainer funktioniert.
WELT: Sie und viele andere sind mit Live-Spielen, der „Sportschau“ oder dem „Sportstudio“ groß geworden. Das gibt es alles immer noch, aber die Sehgewohnheiten der Kids haben sich geändert. Sie schauen lieber kurze Sequenzen, sind Fans von einzelnen Spielern – oder von neuen, kurzweiligen Ligen, wie der Icon-League, in der mit den Wontorriors FC ein Team von Ihnen am Start ist.
Wontorra: Das ist ein sehr interessantes Thema, über das ich mir viele Gedanken mache. Als DAZN vor einigen Jahren an den Start gegangen ist, waren sie die ersten, die alle Plattformen berücksichtigt haben. Sie hatten einen Content-Creator bei den Übertragungen dabei, bespielten nebenher die Kanäle in den sozialen Medien. Da hat die Konkurrenz inzwischen nachgezogen – auf einem Markt, der im Wandel ist. Vor Jahren hieß es, Print oder Radio werden irgendwann verschwinden. Aber dem ist nicht so. Wichtig ist, bereit für Veränderungen zu sein, sich neu zu definieren – und mit der Zeit mitzugehen. Live-Spiele wird es im TV oder im Stream immer geben, glaube ich. Wissen sie …
WELT: … ja, bitte.
Wontorra: Ich bin Werder-Fan und schaue, wann immer es geht, die Spiele live. Aber wenn wir, so wie in der vergangenen Saison, 0:3 in Mönchengladbach zurückliegen, kann es passieren, dass ich anfange, meine Mails zu checken oder einen Post bei Instagram vorzubereiten. Das könnte mir bei einer Partie in der Icon-League bei einer Spieldauer von nur 24 Minuten nicht passieren. Denn wenn es da drei Minuten vor Schluss 0:4 steht, so wie kürzlich beim Finale, hat das nichts zu bedeuten. Am Ende ging es mit einem 5:5 in die Verlängerung. Das war Drama pur – so etwas holt die junge Zielgruppe ab, die überwiegend nur noch 30 Sekunden lange Schnipsel mit 15 Schnitten konsumiert. Aber ein 0:3 in Mönchengladbach kann dann schon mal Ablenkung bedeuten. Und trotzdem sage ich: Wettbewerbe wie die Icon-League werden die herkömmlichen Wettbewerbe nicht ersetzen, aber wir alle müssen versuchen, den Sport, den wir so lieben, moderner zu leben.
WELT: In den vergangenen Monaten ging es auf dem Markt der Moderatoren und Kommentatoren wie auf dem Transfermarkt der Fußballprofis zu. Es gab erstaunlich viel Bewegung – auch Sie waren bei vielen anderen Sendern im Gespräch, bevor Sie bei DAZN verlängert haben.
Wontorra: Wir sind auch nur ein Teil eines Systems, in dem bestimmte Parameter passen müssen. Da geht es um Kontakte, Angebote, Qualität und das eigene Bauchgefühl. Egal, welchen Job du auch machst, ich glaube, dass du Interesse weckst, wenn du gut bist. Mein Anspruch ist es, gut zu sein. Und dafür übe ich mich auch in Verzicht. Fragen Sie mal die ganz großen Sportler, die sind und waren bereit, auf Dinge zu verzichten – und sind eben nicht so gut darin, eine gute Work-Life-Balance hinzubekommen, um mal den Bogen zum Anfang des Gesprächs zu spannen (lacht). Ich hatte bislang immer das große Glück, selbst entscheiden zu können, was ich tue. Dafür bin ich dankbar, aber dafür arbeite ich auch hart.
WELT: Eigentlich ein gutes Schlusswort, denn sonst hätte ich Sie noch gefragt, wie es Ihnen gelungen ist, trotz des prominenten Vaters Ihre eigene Marke zu werden, Ihren eigenen Weg zu gehen. Das werden Sie wahrscheinlich immer gefragt.
Wontorra: Ja, klar. Natürlich war das zu Beginn nicht immer einfach war, da hieß es oftmals: „Ach, die Tochter von …“ Aber das gehörte dazu. Mein Vater hat große Fußstapfen hinterlassen, doch das war für mich Chance und Herausforderung zugleich. Ich wusste für mich, dass ich es auf meine Art machen muss, wenn ich es wirklich will. Mein Vater hat mich nie gedrängt, aber immer unterstützt. Das war das Beste, was er machen konnte. Ich bin stolz auf meinen Vater und auf das, was er geleistet hat. Ich freue mich, dass ich heute als Laura Wontorra wahrgenommen werde und nicht als Tochter von Jörg Wontorra.
Laura Wontorra ist nominiert für THE POWER LIST – GERMANY’S TOP 50.
Im Rahmen der POWER LIST kürt WELT ausgewählte Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Sport: Menschen mit besonderem Profil, Einfluss oder Potenzial – gemeinsam mit POLITICO und BUSINESS INSIDER. Wer prägt Deutschland 2025? Die finale Top 50 erscheint am 5. Juni und wird präsentiert von BCG, Mercedes, Visa und Vodafone. Mehr Infos finden Sie hier.
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