Menstruationsblut hatte lange die Farbe Blau. Erst im September 2021 kam der Wendepunkt, als der Damenhygienehersteller Procter & Gamble mitteilte, Produkte wie Damenbinden künftig mit roten Blutstropfen zu bewerben. Jahrzehnte wurde das Blut auf Postern, in Magazinen und TV-Spots als blaue Flüssigkeit dargestellt, das sah steril und sauber aus. Mit der Realität hatte es jedoch nichts zu tun.
Die monatliche Blutung der Gebärmutter war mit Scham und Ekel verbunden. Nicht nur in der Werbung wurde die Menstruation tabuisiert, auch in der Forschung kam sie weitestgehend nicht vor. Das soll sich jetzt ändern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit untersuchen Menstruationsblut und entwickeln Tests, um darin auf Krankheiten wie Krebs oder Diabetes schließen zu können. Auch Start-ups erkennen darin einen Markt. Damit sich die Methode durchsetzt, braucht es mehr Forschung – und Akzeptanz in der Gesellschaft.
„Periodenblut ist ein informatives Bio-Fluid mit zusätzlichen Biomarkern aus der Vaginalflüssigkeit“, sagt Inge Herrmann, Chemieprofessorin der Universität Zürich und Leiterin des Ingenuity Lab an der Universitätsklinik Balgrist. Zusammen mit anderen Forschern hat sie im Fachmagazin „Advanced Science“ kürzlich ein Schnelltestverfahren vorgestellt, mit dem sich Biomarker im Menstruationsblut in der Binde nachweisen lassen.
Dafür wird die Binde mit einem nicht elektronischen Sensor ausgestattet, das ist ein papierbasierter Schnellteststreifen eingebettet in eine flexible Silikonkammer. Nach dem Tragen wird ein Bild mit dem Smartphone gemacht und anschließend mittels Künstlicher Intelligenz in einer App ausgewertet. Im Wesentlichen funktioniert der Schnelltest für zu Hause wie ein Covid-Test, nur wird anstelle von Speichel Blut analysiert. Kommt der Biomarker im Menstruationsblut mit einem spezifischen Antikörper auf dem Teststreifen in Kontakt, erscheint ein Strich. Je höher die Konzentration des entsprechenden Proteins, desto dunkler die Farbe. Es kann also visuell abgelesen oder die App genutzt werden, die mithilfe maschinellen Lernens die Farbintensität genau errechnet und dazu objektive Messwerte liefert.
Der Test basiert auf drei Biomarkern: Das C-reaktive Protein (CRP) ist bekannt als Entzündungsmarker, der Tumormarker CEA ist bei Krebs erhöht, und das Protein CA-125 kann bei Endometriose und Eierstockkrebs erhöht sein. „Unser Testverfahren kann nicht nur auf frauenspezifische Erkrankungen hinweisen, sondern generell auf alle Krankheiten, die im Blut erkennbar sind“, erklärt Herrmann. Es handele sich um den ersten funktionierenden Sensor, der Vollblut in der Binde analysieren könne – ganz ohne Labor.
Menstruationsblut liefert Hinweise für Krebs und Diabetes
Hermann ist nicht die Einzige, die derzeit Periodenblut erforscht. Ein Pionier in dem Feld ist der Gynäkologe Paul Blumenthal von der amerikanischen Stanford University. In einer seiner Studien konnte er im Jahr 2022 unter anderem nachweisen, dass sich im Menstruationsblut zwei wichtige Indizien verbergen: einmal HPV-Viren, bei denen in der Hochrisiko-Variante die Gefahr für Gewebeveränderungen besteht, die zu Krebs führen können. Gebärmutterhalskrebs zählt dazu.
Und zweitens konnte Blumenthal Hämoglobin A1c nachweisen, ein wichtiger Parameter zur Diagnose und Behandlung von Diabetes. Gegenüber der Uni-Zeitung „The Stanford Daily“ betonte Blumenthal bereits damals: „Frauen müssen generell wissen, dass das Blut kein Abfallprodukt ist. Es hat einen gesundheitlichen Wert.“
Auch außerhalb der Universitäten und Unikliniken wird Menstruationsblut mittlerweile als wertvolle Ressource angesehen. Auf der Welt gibt es eine Handvoll „Femtech“-Start-ups, – oft von Frauen geführt – die solch spezielle Bluttests anbieten. Eines der bekanntesten ist Qvin mit Sitz in Kalifornien, USA. Die Gründer arbeiten ebenfalls an einer speziellen Menstruationsbinde, auch das „Q-Pad“ erkennt die Gesundheitsmarker im Blut. CEO und Medizinerin Sara Naseri hat gemeinsam mit Blumenthal Studien durchgeführt.
In Deutschland gibt es Theblood aus Berlin. Das Team um Isabelle Guenou hat ein Analyseverfahren entwickelt, um mithilfe von Menstruationsblutproben Krankheiten wie Diabetes oder Endometriose zu diagnostizieren. Guenou leidet selbst an Endometriose. Ihre persönliche Krankheitsgeschichte habe ihr gezeigt, wie dringend es eine Diagnostik brauche, die Frauen glaubt und ihre Biologie von Anfang an ernst nehme, sagt die Gründerin. Menstruationsblut war für sie die Lösung: „Non-invasiv, monatlich, zugänglich für Millionen Menschen.“
Hormonelle, gynäkologische und metabolische Beschwerden könnten so niedrigschwellig erkannt werden. „Wenn wir dieses Potenzial nutzen, können wir nicht nur frühere Diagnosen stellen, sondern machen weibliche Gesundheit auch sichtbar und messbar.“
Nur weil ein Biomarker im Blut erhöht sei, bedeute das aber bislang nicht, dass die Frauen erkrankt seien oder erkranken müssen, erklärt die Chemikerin Herrmann aus Zürich. Teure medizinische Untersuchungen könnten nach einem ersten Check zu Hause allerdings gezielter und effizienter eingesetzt werden. Die Schnelltests über App und Binde seien einfach anzuwenden und wahrscheinlich auch kostengünstig. Wie teuer genau, das lässt sich bisher nicht sagen. Solche Periodenbluttests könnten die Vorsorge in Zukunft ergänzen; besonders in Regionen, in denen Frauen kaum Zugang zu medizinischer Versorgung haben.
Periodenbluttests kein Lifestyle-Produkt
In Zeiten, in denen Menschen ihren gesamten Körper vermessen, Schlaf und Blutzucker tracken, wäre es vermutlich leicht, die Bluttests für Frauen als reines als Lifestyle-Produkt zu vermarkten. Einige Start-ups streben das vielleicht auch an. Doch Forscherinnen wie Herrmann wollen mit den Tests einen tatsächlichen Mehrwert schaffen: „Wir möchten eine Technologie entwickeln, die sinnhaft ist und einen medizinischen Nutzen bietet“, sagt sie.
Periodenblut ist in der Wissenschaft noch immer kein dankbarer Forschungsgegenstand, zu wenig ist bekannt und dokumentiert. Da die Fachliteratur Lücken aufweist, hat es Hermanns Team anfangs Zeit gekostet, die Menstruation und die Unterschiede sowie die Zusammensetzung des Bluts zu verstehen. „Wir mussten nicht nur die Chemie entwickeln, sondern gleichzeitig auch die Grundlagen, die Biologie erschließen“, sagt sie.
Für ihre Arbeit wird die Schweizer Professorin angefeindet, Menschen schreiben ihr Nachrichten und beschweren sich. Einige störe es, dass ihre Methode sich nur an Frauen richtet. Andere hätten Sorge vor „KI in der Unterhose“, berichtet Herrmann. Der Binden-Test inklusive App trägt den Namen „MenstruAI“ und spielt auf die Nutzung künstlicher Intelligenz an.
Nach der ersten Machbarkeitsstudie mit freiwilligen Teilnehmerinnen ist in den kommenden Jahren eine Feldstudie mit mehr als 100 Probandinnen geplant. Dabei sollen die realen Bedingungen im Alltag geprüft werden. Wenn alles nach Plan läuft, könnte es den Test laut Herrmann bereits Ende 2027 im Handel geben. Der soll dann mit gewöhnlichen Binden aus der Drogerie kompatibel sein. Ob es eine Kostenerstattung oder Kostenbeteiligung der Krankenkassen geben wird, ist noch offen.
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