Ist man verliebt, kann schon der Gedanke an den anderen genügen, um sexuelle Erregung auszulösen. Das bleibt aber nicht ewig so. Warum?
Gerade bindungsaffine Menschen haben zu Beginn einer Beziehung den Wunsch, möglichst viel Zeit mit dem anderen zu verbringen, eine Bindung aufzubauen. Außerdem zeigen wir uns am Anfang meist nur von unserer Schokoladenseite, ziehen uns schön an, sind verständnisvoll, und alles ist spannend. Gleichzeitig wissen wir noch wenig vom anderen und projizieren viel in unser Objekt der Begierde.
Klingt, als gründe sich die starke Anziehung vor allem auf Illusionen …
Je länger wir den anderen kennen, desto öfter merken wir, wo unsere eigene Idee vom Partner mit der Realität nicht übereinstimmt. Und es melden sich auch andere Bedürfnisse wieder. Das Ich merkt: Ups, ich bin ja noch mehr als das Wir, und ich habe auch noch Freunde und Hobbys. Es tauchen vielleicht Aufgaben auf, die schwieriger sind, als immer nur schick essen zu gehen – eine Krankheit, ein Karriereknick, die Kindererziehung. Irgendwann muss man die rosarote Brille absetzen und sich fragen, ob man als Paar wirklich alltagstauglich ist.
Der Alltag ist das eine, aber was, wenn der Partner irgendwann 30 Kilo mehr wiegt oder plötzlich jeden Abend eine Flasche Wein trinkt. Was, wenn man den anderen einfach nicht mehr sexy findet?
Es ist ganz wichtig, in der Partnerschaft auch den Elefanten im Porzellanladen anzusprechen und nicht immer nur über seinen Rüssel, der hin- und herschlägt, zu springen und sich das Porzellan anzuschauen.
Wenn sich einer gehen lässt, ist es, als fahre man Tandem, und der andere tritt nicht mehr mit
Wie meinen Sie das?
Liebe ist das eine, aber Sexualität ist auch an bestimmte äußere Attribute gebunden. Verändert sich der eine, betrifft das auch den anderen. Wenn sich einer gehen lässt, ist es, als fahre man Tandem, und der andere tritt nicht mehr mit. Das beflügelt nicht gerade, sondern fühlt sich dann eher wie ein Klotz am Bein an. Das muss man ansprechen, auch wenn das nicht einfach ist. Die Konkurrenz schläft nicht. Verlockungen außerhalb der Beziehung, Datingbörsen und Apps gibt es viele.

Zur Person
Dr. med. Heike Melzer ist Neurologin und Psychotherapeutin. In ihrer Praxis bietet sie unter anderem Paar- und Sexualtherapie sowie Coachings an. Außerdem ist Melzer Autorin der Bücher "Scharfstellung – die neue sexuelle Revolution" und "Versteckte Köder".
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