Jeder braucht sie. Manchem reicht ein einziger enger Freund oder eine echte Freundin, andere wollen am liebsten so viele Freunde wie möglich haben. „Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen Freundschaften für unser Wohlbefinden“, sagt Emotionsforscherin Katrin Döveling von der Hochschule Darmstadt. Und das gelte für alle Menschen auf der Welt und für sämtliche Altersgruppen vom Kind bis zum Senior.

„Grundpfeiler einer Freundschaft sind Vertrauen und Verlässlichkeit“, erklärt Döveling. In einer sich stets wandelnden Welt mit Unsicherheiten und Herausforderungen könne ein Freund oder eine Freundin eine sichere Anlaufstelle sein, ein Anker und Ruhepol. Ein Freund könne emotional unterstützen und einem auch mal einen Spiegel vorhalten, selbst wenn es schmerze. „Ehrlichkeit, im geschützten Rahmen der Freundschaft, kann helfen, zu wachsen und aus Fehlern zu lernen“, beschreibt Döveling.

„Der Mensch kann nicht glücklich sein, wenn er keine guten, vertrauensvollen und belastbaren Beziehungen hat“, stellt Freundschaftssoziologe Janosch Schobin von der Universität Göttingen klar. „Freundschaften tragen direkt zur Gesundheit bei.“ Nur sehr selten gebe es Menschen mit einem geringen Sozialbedürfnis, die fast ohne Kontakte klarkämen.

„Echte Freundschaften in realen Leben haben in der Regel ohne Social Media begonnen, sind in der Kita, Schule, in der Ausbildung oder im Beruf entstanden und über die Zeit hinweg gewachsen“, erläutert Medienwissenschaftlerin Jeannine Teichert von der Universität Paderborn. Social Media habe viele Angebote parat, um Leute kennenzulernen, „ob daraus echte Freundschaften entstehen, ist allerdings eine andere Frage. Wenn man diese Kontakte nur randständig nützt, wird man davon nicht so viel haben.“

Menschen, die sich über Social Media kennengelernt und später getroffen hätten, was gar nicht so selten sei, müssten sich oft neu kennenlernen. „Und manchmal funktioniert es dann, dass eine Online-Freundschaft in eine reale Offline-Freundschaft transformiert“, berichtet die Paderborner Forscherin.

Unter Umständen könne man sogar mit einem Austausch auf reiner Online-Basis eine tiefe Freundschaftsebene erreichen. „Wenn man viel Zeit, Beständigkeit und Vertrauen investiert, können auch online echte Freundschaften entstehen, auch wenn sie vielleicht andere Ausprägungen haben als eine Offline-Freundschaft.“

Etwas anders sieht das Forscherin Döveling: Im Internet handele es sich eher um Bekanntschaften als um Freundschaften. „Wir brauchen gute Netzwerke im Internet, die dort gepflegten Beziehungen können aber nicht die Tiefe von realen Freundschaften erreichen“, meint Döveling. Bekannte im Internet erfüllten andere Funktionen als Freunde. „Ein guter Freund oder eine gute Freundin ist für das innere Gleichgewicht wichtiger als Hundert gute Bekannte im Internet.“

Zur Freundschaft gehöre, dass man sich auch mal in den Arm nehme. „Der Mensch ist auf körperliche Nähe angewiesen, schon Babys brauchen das“, weiß Döveling. Das könne das Internet nicht bieten. Interessant auch: „Der Körper schüttet bei realer Interaktion Bindungshormone wie Oxytocin und Endorphine aus, die stimmungsaufhellende Wirkung haben.“ Das passiere bei einem Austausch im Internet längst nicht in diesem Maße.

Medienexpertin Teichert beobachtet, dass unsicheren und schüchternen Menschen Online-Kontakte erst einmal leichter fielen. Diese seien unverbindlicher, auch subtiler zu beenden – indem man einfach offline bleibe. Zudem: „Bei virtuellen Kontakten besteht die Möglichkeit zu filtern, sich zu verstellen, zu verstecken, so zu tun, als wäre man jemand ganz anderes.“ Viele Ortswechsel oder ein Leben in anonymen Großstädten könnten Kontakte im realen Umfeld erschweren.

Wie viele Freunde kann ein Mensch haben?

Je mehr Freunde, desto besser? Bei Student Benedikt aus Bielefeld sind es zehn plus 220: „Ich habe zehn enge Freunde, wobei ich den Begriff ziemlich strikt definiere. Das sind Menschen, die mir richtig viel bedeuten, mit denen ich mich eins zu eins verabrede und austausche.“ Auf Instagram und Co. hat der 23-Jährige gut 220 Kontakte. „Das sind Freunde im weiteren Sinn oder eher gute Bekannte, mit denen ich auf einer Wellenlänge bin oder die ich noch aus der Schulzeit kenne, von denen mir aber ungefähr die Hälfte nicht so wichtig ist.“

Das passt recht gut zur Studienlage: Untersuchungen zeigten, dass ein Mensch etwa 150 gute Beziehungen haben könne, darunter aber sehr viel weniger wirklich enge Freundschaften, manchmal nur eine Handvoll, erklärt Jeannine Teichert. Abhängig von der jeweiligen Person seien darüber hinaus noch bis zu mehrere Tausend weitere lockere Kontakte möglich.

Soziale Bedürfnisse ändern sich im Laufe des Lebens und damit auch die Funktionen von Freundschaften: „In verschiedenen Lebensphasen kommen neue Freunde hinzu, die neuen Freundschaften sind an die aktuellsten Bedürfnisse angepasst“, schildert Soziologe Schobin. Viele enge Bindungen überdauerten mehrere Lebensphasen. „Je länger Freundschaften halten, desto wertvoller werden sie eingeschätzt.“

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ist etwa jeder sechste Mensch weltweit von Einsamkeit betroffen, sie setzt auch vielen in Deutschland zu. Unter anderem hängt Einsamkeit Döveling zufolge mit der „leistungsorientierten Konkurrenzgesellschaft“ zusammen. „Das kann wie ein Sog sein, in den man hereingezogen wird: Wir bringen Leistung, man powert den ganzen Tag und merkt dann abends, dass man ziemlich alleine ist.“

Positiver sieht es Schobin, der zugleich Einsamkeitsforscher ist. Eine zentrale Ressource für Freundschaften sei Zeit und hierzulande nehme man sich vergleichsweise viel Zeit für soziale Beziehungen. Die Gesellschaft hält er bei Freundschaften für gut aufgestellt. „Wir sehen hier eine enorme Stabilität. Die durchschnittliche Anzahl enger Freunde ist sehr konstant.“

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