Sie treffen sich immer häufiger, begrüssen sich mit Küsschen und strahlen – als hätte es den Brexit nie gegeben. Auch diesmal wieder: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird vom britischen Premierminister Keir Starmer in London herzlich empfangen.

Und sie reden am Rande des Gipfeltreffens der Internationalen Energieagentur (IEA) und des britischen Energieministeriums eine Dreiviertelstunde hinter verschlossenen Türen über drängende Themen, die ganz Europa betreffen: die militärische Bedrohung, die von Russland ausgeht, und die wirtschaftlichen Turbulenzen der US-Zollpolitik.

Neuer Sicherheitspakt

Vor fünf Jahren hat Grossbritannien der EU mit dem Brexit den Rücken gekehrt. Der Beziehungsstatus bleibt kompliziert. Der Brexit bremst die Exportwirtschaft beträchtlich – mit Ausfuhrbestimmungen, Deklarationspflichten und hohen Zöllen. Aus ökonomischer Sicht wäre ein Wiederbeitritt zur EU die einfachste Lösung.

Wir müssen anerkennen, dass eine neue Ära begonnen hat. Und wir müssen unsere Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit der EU mit einem Reset ausbauen.
Autor: Keir Starmer Britischer Premierminister

Doch politisch ist dies ein No-Go. Keir Starmers Labour-Partei ist in dieser Frage gespalten und würde Flügelkämpfe neu entfachen. Zudem würden neue Beitrittsgespräche der rechtsnationalen Reform-UK-Partei kräftig Auftrieb geben.

Legende: Strahlend und mit Küsschen: Der Britische Regierungschef Keir Starmer begrüsst Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission in London. Keystone / EPA / TOLGA AKMEN

Starmer setzt deshalb auf eine vorsichtige Annäherung und spricht seit seinem Amtsantritt nebulös von einem «Reset» der Beziehungen. Sicherheit ist Starmers Lieblingswort, um die Annäherung voranzutreiben. «Die letzten Monate lehren uns, dass alle europäischen Länder mehr für Sicherheit und Verteidigung tun müssen», wiederholt er bei jeder Gelegenheit. «Wir müssen anerkennen, dass eine neue Ära begonnen hat. Und wir müssen unsere Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit der EU mit einem Reset ausbauen.»

Seit Wochen verhandeln die EU und Grossbritannien über einen Sicherheitspakt. Am 19. Mai wird Starmer in London von der Leyen zu «einem wichtigen Gipfel» empfangen, an dem er einen Sicherheits- und Verteidigungspakt abzuschliessen hofft.

Wachstum durch gemeinsame Rüstungsprojekte

Grossbritannien möchte auch Zugang bekommen zum 150 Milliarden Euro schweren Rüstungsprogramm der EU-Staaten. Doch dazu braucht es ein Sicherheits- und Rüstungsabkommen. Frankreich bremste bisher, möchte nun Grossbritannien aber nicht länger im Weg stehen, wie die britische «Times» erfahren hat. Die Regierung sei offenbar bereit, britische Gewässer für Fischer aus der EU zu öffnen.

Der Premierminister anerkenne damit die wirtschaftlichen Realitäten, schreibt die «Times»: Grossbritannien habe 2023 Rüstungsgüter für 14.5 Milliarden Pfund in die EU exportiert. Das sei lukrativer als 1.7 Milliarden Pfund für Fischexporte.

Streitpunkt Personenfreizügigkeit

Doch die EU verlangt von Grossbritannien noch mehr, wie aus Verhandlungskreisen durchgesickert ist: unter 30-jährige EU-Staatsangehörige sollen wieder ohne Visum in Grossbritannien arbeiten und studieren dürfen, so möchte es die EU-Kommission.

Diese Forderung führe zu Spannungen in der britischen Regierung, kolportieren britische Medien – zwischen Finanzministerin Rachel Reeves, die der EU entgegenkommen möchte, der britischen Exportwirtschaft zuliebe. Doch auf der Bremse steht Innenministerin Yvette Cooper. Sie möchte die Aufenthaltsdauer auf unter 12 Monate beschränken, um die Zuwanderung im Griff zu behalten.

Das ist viel Gesprächsstoff für eine Beziehungsklärung am «Reset»-Gipfel von Mitte Mai.

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