Herr Klein, lesen Sie nicht gern, oder warum haben Sie eine App erfunden, die Sachbücher kurz und knapp zusammenfasst?
Ich hatte immer mindestens drei Bücher gleichzeitig rumliegen, schaffte es aber selten, eines zu Ende zu lesen. Und ich wusste, dass es anderen genauso ging. 2009 fing ich dann an, über einen E-Mail-Verteiler Buchzusammenfassungen zu verschicken, als Hobby. Damals entstand auch der Traum, von Berufs wegen fünf Jahre einfach nur lesen zu können.
Trotzdem gründeten Sie Blinkist nicht sofort.
Nein, nach dem Studium arbeitete ich als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group. Das Spannende war, dass man dort direkt mit den Dax-Vorständen zusammenarbeiten und mitgestalten konnte. Aber nach spätestens drei Monaten wollte ich kündigen, es war ein Albtraum und so, wie man es sich vorstellt: viel zu viel Arbeit und Druck, das Einzige, was zählte, war Leistung, Materielles, Geld. Ich war zu 100 Prozent fremdgesteuert, man gehört der Firma. Keine Freiheiten, keine Autonomie. Ein Vorgesetzter war schwer depressiv, er hat sich bei der Arbeit Tabletten eingeworfen und wirkte oft, als wäre er kurz vor dem Zusammenklappen. Ich wollte nicht so unglücklich werden wie die Kollegen um mich. Nach 15 Monaten kündigte ich.
Zur Person
Sebastian Klein, 41, wuchs in einem Akademikerhaushalt auf, in einem Haus mit Garten im Allgäu. Es dauerte fast 30 Jahre, bis er verstand, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Während seines Psychologiestudiums in Marburg gründete er mit Kommilitonen eine studentische Unternehmensberatung. Schon damals entwickelte er die Idee für die Firma, die ihn einmal reich machen sollte: Blinkist, eine App, die das Wichtigste aus Sachbüchern zusammenfasst.
Mit welcher Hoffnung?
Ich dachte, jetzt starte ich durch, werde reich und erfolgreich. Ein Kumpel und ich überlegten, wie wir mit wenig Aufwand viel Geld verdienen können, und kamen auf kühlende Halstücher. Wir dachten, ein Sommer, und wir sind Millionäre. Immerhin: Wir haben uns in drei Monaten ein Produkt ausgedacht, es herstellen lassen und eine Website aufgebaut. Aber wir vergaßen das Marketing. Nach einem Jahr hatten wir einen Umsatz von weniger als 5000 Euro. Ich merkte, dass Halstücher kein Herzensprojekt werden. Also habe ich weiter an der Buchidee gearbeitet.
Wie ist daraus dann eine Geschäftsidee geworden?
Wir hatten angefangen, einen ersten Prototyp zu entwickeln, der hieß damals Wait Mate und sollte kleine, kluge Texte für Wartezeiten aufs Smartphone liefern. Als der dritte Mitgründer dazukam, entstand die Idee, das in Richtung Buchzusammenfassungen weiterzuentwickeln. Im Frühjahr 2012 haben wir dafür Investoren gesucht, im Sommer haben wir unsere Firma gegründet.

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Wie haben Sie mit der Blinkist-App dann Geld verdient?
Blinkist arbeitet mit einem Abomodell: Die Nutzer bezahlen für eine Premiumversion. Inzwischen nutzen das ziemlich viele.
Und wann kam die erste Million?
Das hat gedauert. Wir haben uns in der ersten Zeit so niedrige Gehälter ausgezahlt, dass ich dauerverschuldet und pleite war. 2017, da war ich operativ schon ausgestiegen, konnte ich dann zum ersten Mal Unternehmensanteile verkaufen. Das war schon ein tolles Gefühl: Von den Nullen und dem Minus auf dem Konto auf ein paar Hunderttausend zu kommen. Endlich raus aus der Unfreiheit und Fremdbestimmung. Ich kaufte mir ein teures Fahrrad, eine Hi-Fi-Anlage und einen Anzug. Die Million war dann ein gradueller Schritt: 2018 konnte ich wieder Anteile verkaufen, und 2023 haben wir mit dem Exit dann das ganze Unternehmen verkauft, da hatte ich dann etwa fünf Millionen. Zehn Prozent habe ich als Altersabsicherung behalten, den Rest in eine gemeinnützige GmbH gegeben.
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