Drohen, Massregeln, Verspotten: Der US-Präsident mache die Weltbühne zum Schulhof, sagt der Psychoanalytiker Peter Schneider. Und er erklärt, warum Donald Trump sicher nicht in seiner Praxis auftauchen würde.
SRF News: Wie ist Trumps Art zu regieren psychologisch zu deuten?
Peter Schneider: Es gibt gar nicht viel zu deuten. Es ist genau das, was es ist: Trump benimmt sich wie ein Bully in der Primarschule. Er hat seine «Gspändli», von denen er Loyalität fordert. Umgekehrt teilt er wie wild aus und plagt andere Kinder. An und für sich wäre das noch nichts Besonderes – wenn er nicht gewissermassen zum Klassensprecher gewählt worden wäre und die gesamte Lehrerschaft hinter ihm stehen würde.
Er kann regieren, wie er will – und das ist erschütternd.
Im Moment ist nicht erkennbar, wer Trump irgendwelche Grenzen setzen könnte. Nicht einmal die Gerichte schaffen das, denn um deren Entscheide schert er sich nicht.
In der Geschäftswelt gilt ein solch autoritärer Führungsstil als überholt. Weshalb wendet Trump dieses Prinzip weiterhin an?
Er agiert zwar durchaus wie ein Geschäftsmann, als Präsident wird man aber nicht unmittelbar an ökonomischen Erfolgen gemessen. Das geschieht erst bei den Zwischenwahlen oder gegen Ende der Amtszeit. Trumps Verhalten ist derzeit rein ideologisch bestimmt. Das erkennt man auch an seinem zusammengewürfelten Kabinett. Trump muss gar nicht auf der Höhe der Management-Praxis sein. Er kann regieren, wie er will – und das ist erschütternd.

Die Loyalität, die Trump von Mitstreitern erwartet, erinnert an einen Mafiaboss: Was halten Sie von diesem Vergleich, den Experten bisweilen machen?
Dieser Vergleich ist gar nicht so unangemessen. Wie man einem Biopic über Trump entnehmen kann, ist er in seinen frühen Jahren unter die Fittiche des Mafia-Anwaltes Roy Cohn geschlüpft. Sein Verhalten hat tatsächlich etwas von dem eines Mafiabosses. Trump spielt ihn aber eher auf eine Weise, wie er sie im Fernsehen gesehen hat.
Trump ist eher ein schlechter Mafiaboss, der sich von einer kleinen Gruppe von Claqueuren den Ring küssen lässt.
In der Realität ist aber auch die Mafia ein Wirtschaftsunternehmen. Aus geschäftspolitischer Rationalität sieht sie schon seit einiger Zeit von spektakulären Attentaten und dergleichen ab. Rationalität lässt sich in Trumps Handeln aber am wenigsten erkennen. Trump ist eher ein schlechter Mafiaboss, der sich von einer kleinen Gruppe von Claqueuren den Ring küssen lässt.
Präsident Trump lügt und zeigt kaum Mitgefühl – also Dinge, die Eltern versuchen, ihren Kindern auszutreiben oder beizubringen. Trump ist hier ein schlechtes Vorbild.
Das ist er mit Sicherheit. Er ist auch ein schlechtes Vorbild in Bezug auf die Wahl seiner engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von Elon Musk weiss man explizit, dass er Empathie für völlig überflüssig und schlecht hält. Das scheint auch Trumps Maxime zu sein: Mitgefühl ist etwas für Weicheier.

Was würden Sie Trump sagen, wenn er bei Ihnen in der Praxis Patient wäre?
Die Voraussetzung dafür wäre nicht gegeben. Ich wüsste nicht, warum Trump bei mir Patient werden sollte. Denn das setzt irgendeine Art von Selbstzweifel oder Leidensdruck voraus. Selbst wenn er zu mir kommen würde, würde er meine Praxis schon nach fünf Minuten wieder verlassen. Mit einem Menschen wie Trump lässt sich keine Therapie durchführen: Wer lügt und derart auf den eigenen Vorteil bedacht ist, würde sicher nicht in einer Praxis auftauchen.
Das Gespräch führte Christof Forster.
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