Manchmal geht es eben nicht um technische Überlegenheit. Anders ist es kaum zu erklären, warum Teenager ihre Eltern fragen, ob sie noch alte Kompaktkameras in ihren Schubladen liegen haben.
Oder warum aus dem früheren Elektroschrott plötzlich bei Ebay wieder nachgefragte Auktionsartikel werden. Doch auch bei neuen Geräten erlebt die digitale Kompaktkamera ein Revival.
Nach Jahren des Niedergangs sind die Verkäufe im vergangenen Jahr wieder um mehr als neun Prozent gewachsen. Wie die Camera & Imaging Products Association (CIPA) meldet, wurden 2024 weltweit 1,88 Millionen Kompaktkameras neu verkauft.
Die CIPA-Zahlen gelten als Goldstandard der Branche, alle relevanten Kamerahersteller sind in dem weltweiten Dachverband der japanischen Kamerahersteller organisiert.
In einer Ära der klinisch reinen, durch Künstliche Intelligenz optimierten Smartphone-Bilder wächst offenbar die Sehnsucht nach einer visuellen Unperfektheit, die sich authentischer anfühlt. Ein Smartphone-Foto lügt heute fast immer: Es rechnet den Himmel blauer, die Haut reiner, die Nacht heller.
Doch der Hype um digitale Fotografie in Vintage-Anmutung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kamerahersteller einen brutalen Wandel hinter sich haben. Die einst gigantische Industrie ist auf einen Bruchteil ihrer Größe geschrumpft.
Im Rekordjahr 2010 verließen weltweit über 121 Millionen Digitalkameras die Fabriken. Heute dümpeln die Auslieferungszahlen bei unter neun Millionen Einheiten pro Jahr. Allein hierzulande wurden 2008 mehr Digitalkameras verkauft als heute weltweit.
Damit ist eine paradoxe Situation entstanden. Nie zuvor wurde so viel fotografiert wie heute, und doch war das klassische Kamerageschäft nie so herausfordernd. In einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom sagen zwei Drittel der Befragten, sie hätten ihren Fotoapparat durch das Smartphone ersetzt.
„Für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher hat das Smartphone die klassische Digitalkamera inzwischen abgelöst“, sagt Sebastian Klöß, Experte für Consumer Technology beim Bitkom. „Moderne Smartphones kombinieren hochwertige Optik mit enormer Rechenleistung, sodass sie eine sehr gute Bildqualität liefern.“
Nach Schätzungen des Marktforschers Rise Above Research werden in diesem Jahr mehr als zwei Billionen Fotos gemacht, etwa 95 Prozent davon mit Smartphones.
Insbesondere die Spiegelreflexkameras verschwinden langsam von der Bildfläche. Im vergangenen Jahr ist ihr Verkauf weltweit noch einmal um fast 15 Prozent zurückgegangen und damit unter die Eine-Million-Marke gerutscht.
Die großen Traditionshersteller haben die Entwicklung neuer Modelle weitgehend eingestellt und setzen alles auf spiegellose Systemkameras (DSLM), von denen im vergangenen Jahr 5,6 Millionen Stück verkauft wurden.
Diese Fotoapparate sind leiser, schneller und präziser. Wie bei den Spiegelreflexkameras (DSLR) können ihre Objektive ebenfalls gewechselt werden.
Der Markt polarisiert sich extrem: Unten regiert das Smartphone die Masse, oben bedienen hochpreisige Spezialkameras eine kleine, zahlungskräftige Elite von Enthusiasten und Profis.
Die bürgerliche Mitte, die früher zur Konfirmation oder zum ersten großen Urlaub eine Spiegelreflexkamera kaufte, greift heute zum iPhone oder Android-Smartphone.
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit „Business Insider Deutschland“.
Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.
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