Ganz sicher müssen wir in den kommenden Monaten darüber diskutieren, wie wir dieses Land wieder nach vorne bringen. Zu tun gibt es genug: hohe Mieten, eine wacklige Rente, steigende Kassenbeiträge und vieles mehr. Glaubt man Ökonomen, darf zumindest beim Sondieren kein Stein auf dem anderen bleiben. Wir müssen jeden einzelnen Baustein einmal umdrehen.
Wenn wir da schon einmal dabei sind, hätte ich eine dringende Bitte:
Man müsste genauer dorthin sehen, wo die Bevölkerung ohne die Politik schon ihre eigenen Reformen eingeleitet hat. Bei der Frage nämlich, wie die meisten Menschen in diesem Land leben und in welcher Art von Haushalt sie sich organisieren. Wer das tut, sieht: Überwiegend leben die Menschen allein. Das ist ein Fakt, der vielen Menschen gar nicht klar ist. Vor allem bei Politikern ist er nicht sehr populär, sie reden fast immer nur von Familienförderung, aber nie von der Unterstützung der Einzelnen, der Alleinlebenden. Wer sich wirklich um das Gros der Haushalte hierzulande kümmern will, der sollte dringend kleiner denken.
Es ist nämlich so: Es gibt 17 Millionen Alleinlebende in diesem Land, das ist jeder fünfte Bundesbürger. Noch beeindruckender: Sie machen fast die Hälfte aller Haushalte aus, nämlich 42 Prozent. In fast jeder zweiten Wohnung hierzulande lebt also nur ein Mensch. Und Dreiviertel aller Haushalte werden höchstens von zwei Menschen bewohnt, in aller Regel von Paaren. Wer in diesem Land also Politik für die Mehrheit der Menschen machen möchte, für immerhin rund 50 Millionen Bewohner, der denkt nicht zuerst an Familien. Sondern er muss sich die Lebensbedingungen dieser Klein-Einheiten genauer ansehen.
Lebenshaltungskosten: Allein leben ist teuer
Ihre Probleme werden nämlich immer größer. Wer allein lebt, kann sich Kosten für Lebenshaltung, Miete, Strom und Versicherungen mit niemandem teilen. Folglich leidet er umso mehr unter explodierenden Mieten, steigenden Lebensmittelpreisen und teurer Energie. Er muss all das von nur einem einzigen Gehalt bestreiten. Ganz zu schweigen davon, dass stetig steigende Sozialabgaben und Steuern ihm immer weniger davon zum Leben übriglassen.
Allein für das Nötigste müssen Alleinlebende rund 1800 Euro Nettoeinkommen im Monat zur Verfügung haben, sagen die Daten des Statistischen Bundesamts. Das entspricht rund 3000 Euro Brutto. In größeren Städten aber reicht selbst das nicht, denn das Statistikamt setzte als durchschnittliche Wohnkosten keine 700 Euro an, inklusive der Strom- und Heizkosten sogar. Das dürfte in vielen Großstädten längst nicht mehr als Wohnbudget ausreichen. Im Schnitt wenden Alleinlebende in Großstädten rund 30 Prozent ihres Netto fürs Wohnen auf, in den größten Metropolen sogar 40 Prozent, ermittelten Immobilienplattformen. Immobilienökonomen sagen: Ab dieser Höhe seien Mieter finanziell überlastet.
Wer als jüngerer oder mittelalter Mensch allein in einer Metropole lebt, sollte also mindestens Gutverdiener sein. Doch spätestens im Alter wird es dann für Alleinlebende wirklich knapp. Zwar arbeiten Ledige laut Statistik mehr und länger als der Arbeitnehmerschnitt und erwerben dadurch im Schnitt höhere Rentenansprüche. Vermutlich weil sie davon ausgehen, später ohne Hilfe von ihrer Rente leben zu müssen. Doch im Mittel beträgt das Monatsbudget alleinlebender Rentner nur rund 1650 Euro bei Frauen und 2000 Euro bei Männern. Jeder Zweite bekommt jeweils mehr, die andere Hälfte weniger. Rentnerpaare haben im Schnitt rund das Doppelte an Einkommen zusammen, tragen aber bei Weitem nicht die doppelten Grundkosten.
Immer mehr Menschen leben allein
Nicht überraschend also, dass die Armutsquote unter Alleinlebenden enorm hoch ist. Fast jeder Dritte im Einpersonenhaushalt kommt kaum über die Runden, das sind doppelt so viele wie im Bevölkerungsschnitt. Bei den alleinlebenden Älteren steigt die Armutsquote noch an. Und wie viele alleinlebende Großstädter es am Rande des Existenzminimums gibt, erfasst keine Statistik im Detail, doch es sind etliche der 17 Millionen. Und die Zahl der Einpersonenhaushalte wächst weiter. Noch größer ist die Armutsgefahr nur bei den Alleinerziehenden, die zwar Zweipersonenhaushalte sind, aber eben auch nur Alleinverdiener.
Die Politik müsste diese 40 Prozent Einpersonen- und 75 Prozent Zweipersonenhaushalte endlich mal im Kopf haben. Wer Politik auch für diese Menschen machen will, muss dringend nicht nur mehr Wohnungen bauen, sondern vor allem kleinere. Er darf bei der Wohneigentumsförderung nicht nur Familien bedenken, sondern muss endlich auch Normalverdiener-Singles in Städten helfen, aus der Mietwohnung hinauszukommen. Er muss Sozialbeiträge und Steuern so setzen, dass auch Normalverdienern ohne Trauschein noch genügend Geld zum Sparen und Vorsorgen bleibt. Damit sie nicht in Metropolen oder im Rentenalter trotzdem zum Sozialfall werden.
Im Gegenzug kann sich die Politik darauf verlassen, dass sie gerade von dieser Klientel etwas zurückbekommen wird. Weil gerade Alleinlebende weiter arbeiten und gut in die Rentenkasse einzahlen werden, damit das Geld auch künftig noch im Alleingang reicht.
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