Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) warnt vor den wirtschaftlichen Auswirkungen der Zollpolitik unter US-Präsident Donald Trump „in bisher ungekannter Höhe“. „Die USA sind Deutschlands wichtigster Exportmarkt“, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der DIHK. „Doch die Hochzollpolitik und zusätzliche Handelshemmnisse gefährden das Fundament unserer Wirtschaftsbeziehungen.“
Um die transatlantische Partnerschaft „zukunftsfähig gestalten“ zu können, müsse man dringend handeln. In einem Analysepapier, das WELT vorab vorliegt, stellt die DIHK zehn Forderungen an Berlin und Brüssel, von denen „klare Signale für freien und fairen Handel“ ausgehen sollen. „Wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen“ müssten entschieden zurückgewiesen werden.
„Ob Planungsunsicherheit oder erschwerte Investitionen auf beiden Seiten des Atlantiks: Die deutsche Wirtschaft spürt die Auswirkungen der US-Zollpolitik intensiv“, sagt Treier. Gleichzeitig wachse der Druck auf die EU, sowohl in handelspolitischen Verhandlungen voranzukommen als auch im internationalen Standortwettbewerb mitzuhalten. „Unsere exportorientierten Unternehmen brauchen eine starke, entschlossene EU, die Abhängigkeiten reduziert und die eigene Wettbewerbsfähigkeit stärkt“, sagt Treier.
„Die neue US-Handelspolitik gefährdet das Welthandelssystem“, heißt es in der DIHK-Analyse. Nicht nur verstoße sie gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), sondern schaffe auch Rechtsunsicherheit und störe globale Lieferketten massiv.
Zudem sei nicht mit einem Kurswechsel der Amerikaner zu rechnen, so die Warnung der Ökonomen. „Dem Einsatz von wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen, um die EU und Deutschland zu politischen Entscheidungen zu bewegen, muss Europa entschlossen und geschlossen entgegentreten und sich für verlässliche Rahmenbedingungen unserer Unternehmen einsetzen“, lautet die Kernforderung.
Um den Kurs der Trump-Regierung etwas entgegenzusetzen, hat die DIHK zehn Forderungen an die Bundesregierung und die EU gestellt. Der wichtigste Punkt aus Sicht von Treier: „Die EU-Kommission muss bereit sein, ihre wirtschaftlichen Interessen stärker zu verteidigen und wo nötig robuster zu verhandeln – im Falle einer weiteren Eskalation notfalls auch mit Maßnahmen wie Gegenzöllen oder dem Einsatz des Instruments der EU gegen wirtschaftlichen Zwang.“
USA sind nach wie vor wichtigster Handelspartner
Um mehr Planbarkeit sicherzustellen, sollten Brüssel und Berlin „verbindliche und transparente Prozesse etablieren, welche helfen, weitere protektionistische Schritte zu unterbinden“, so die zweite Forderung. Weniger technokratisch könnte man auch sagen: Die Wirtschaft ist enttäuscht, was von der Leyen und Co. bislang am Verhandlungstisch mit den Amerikanern herausgeholt haben. Schließlich sind beim Zoll-Deal mit den USA noch längst nicht alle Details geklärt.
Ein wichtiger Punkt dabei wäre das, was Treier „regulatorische Kooperation“ nennt. „Nicht-tarifäre Handelshemmnisse im transatlantischen Handel resultieren aus Unterschieden, etwa bei den technischen Produktanforderungen, Regulierungen und Kennzeichnungssystemen.“ Würde man sich mit den Amerikanern auf gemeinsame Regeln verständigen, könnte das erhebliche Kosten einsparen.
Die anderen Punkte des Forderungskatalogs haben zwar ebenfalls mit der US-Handelspolitik zu tun, lesen sich aber eher wie allgemeine Empfehlungen, die Deutschlands Wirtschaft wieder zu Wachstum verhelfen könnten. Auch das wäre bitter nötig: Seit drei Jahren herrscht hierzulande Stagnation – der längste Zeitraum seit 1945.
Und das schuldenbasierte „Investitionsvermögen“ von 500 Milliarden Euro, das das BIP wieder nach oben schrauben sollte, zeigt bislang kaum Effekte. Deshalb, so die Forderung der DIHK, müsse die Bundesregierung nun etwa die digitale Autonomie stärken, wettbewerbsfähige und krisenfeste Energie-Deals schließen und gemeinsame Lieferkettenvorgaben praktikabel machen.
Während all das auf sich warten lässt, schreitet die Deindustrialisierung des Landes weiter voran. Allein innerhalb eines Jahres wurden im verarbeitenden Gewerbe mehr als 165.000 Stellen abgebaut, davon rund 124.000 in der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie. Deutliche Zuwächse gibt es hingegen im Gesundheitswesen und dem Öffentlichen Dienst: Mehr Staat, weniger Wirtschaft – so ließe sich die volkswirtschaftlich bedenkliche Entwicklung zusammenfassen.
Die Ursachen dafür sind vielfältig: der Wettbewerbsnachteil durch hohe Strompreise, lähmende Auflagen und zähe Bürokratie, hohe Lohnnebenkosten, dazu die eingebrochene Nachfrage aus China. Und allmählich macht sich ein weiterer Grund bemerkbar, wie eine kürzlich erschienene Studie des ifo-Instituts zeigt: die US-Zölle von 15 Prozent auf EU-Waren. „Die Einführung eines Zollsatzes dürfte den Handel zwischen beiden Regionen empfindlich treffen und insbesondere zu Wertschöpfungsverlusten im verarbeitenden Gewerbe führen“, sagt Marcel Thum, Leiter der Ifo-Niederlassung in Dresden.
Im Analysepapier betont die DIHK dennoch die Wichtigkeit der Handelsbeziehungen mit den USA. Schließlich sind die Vereinigten Staaten – knapp vor China – Deutschlands wichtigster Exportmarkt mit einem Gesamthandelsvolumen von 250 Milliarden Euro. Rund zehn Prozent der Ausfuhren gehen in die Vereinigten Staaten.
Gleichzeitig ist die deutsche Wirtschaft vor Ort in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Über 6000 deutsche Unternehmen schaffen dort knapp eine Million Arbeitsplätze und haben Investitionen in Höhe von etwa 530 Milliarden Euro aufgebaut, was die Bundesrepublik zum drittgrößten ausländischen Investor in den USA macht.
Dennoch, so die abschließende Forderung der DIHK, müsse Deutschland sich wirtschaftlich breiter aufstellen und „globale Allianzen“ vorantreiben. „Nur gemeinsam mit Ländern wie Japan, Kanada oder Südkorea lässt sich in Verhandlungen mit den USA zielgerichteter Druck aufbauen“, sagt Treier. „Anstelle von Schmalspurabkommen sind ehrgeizige Vereinbarungen nötig, die den Marktzugang umfassend ausbauen, Exportrestriktionen verbieten und Investitionen langfristig absichern.“
Die Abkommen wie Mercosur mit südamerikanischen Staaten oder wie die mit Mexiko, Indonesien und der Schweiz gelte es, so schnell wie möglich zu ratifizieren. Gerade Mercosur ist ein wunder Punkt: Die Verhandlungen ziehen sich nunmehr ein Vierteljahrhundert hin, drohen immer wieder zu scheitern. Deutlich rascher müsse es nun bei Handelsabkommen mit Indien, Thailand, Malaysia, den Philippinen, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten laufen, fordert die DIHK.
Auch sei es sinnvoll, sagt Treier, Länder für eine Art Stillhalteabkommen zu gewinnen, bei dem sie sich verpflichten, untereinander WTO-Recht und Prinzipien, wie die Meistbegünstigung und das Inländerprinzip sowie die vereinbarten Zollhöhen, weiterhin anzuwenden – also quasi jenen Vertrag, den Donald Trump vor knapp einem Jahr aufgekündigt hat.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.
Jan Klauth ist US-Korrespondent mit Sitz in New York.
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