Der Bundesrechnungshof drängt vehement auf die Beseitigung einer der größten Steuersubventionen. Gemeint ist die Steuerermäßigung von bis zu 1200 Euro im Jahr für Handwerkerleistungen, von der Millionen Bürger jedes Jahr profitieren.
„Die Steuerermäßigung verfehlt ihre Ziele deutlich“, schreibt der Rechnungshof. Es fehle der Beleg, dass Handwerker dadurch mehr Aufträge erhielten. Ebenso wenig sei festzustellen, dass Schwarzarbeit zurückgehe. Stattdessen gebe es „unvertretbare Mitnahmeeffekte“, wie in den vergangenen Jahren mehrfach gezeigt worden sei. Die 2006 eingeführte Subvention gehöre „endlich abgeschafft“. Das Bundesfinanzministerium solle die dafür notwendigen Schritte einleiten.
Wer für Reparaturarbeiten in seiner Wohnung einen Handwerker beauftragt, der kann bis zu 6000 Euro der Lohn- und Fahrtkosten im Jahr steuerlich geltend machen. Jeder fünfte Euro wird einem davon erstattet – also bis zu 1200 Euro im Jahr. Dacharbeiten, die Wartung der Heizung, das Verlegen von Parkett, oder auch die Schornsteinfegergebühren kommen dafür beispielsweise infrage. Materialkosten werden nicht erstattet. So steht es in Paragraf 35a des Einkommensteuergesetzes.
Die Vergünstigung ist bei Bürgern seit Jahren beliebt. Laut Rechnungshof trugen im Vorjahr zwölf Millionen Steuerpflichtige die entsprechenden Ausgaben in Zeile 6 der Anlage „Haushaltsnahe Aufwendungen“ in der Steuererklärung ein. Dies führte zu einer geringeren Steuerbelastung in Höhe von 2,4 Milliarden Euro. Das bedeutet, jeder Steuerpflichtige zahlt dank der Förderung im Durchschnitt 200 Euro weniger Steuern im Jahr. Wobei es sich oft lediglich um einstellige Euro-Beträge handeln soll.
Ob alle Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung tatsächlich erfüllt sind, bleibt meist offen, kritisiert der Rechnungshof. In bis zu 90 Prozent aller Fälle habe es keinerlei Prüfung gegeben. „Die fast gänzlich fehlende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen machen sie zu einem ‚Blankoscheck‘, den die Steuerpflichtigen nur einlösen müssen“, heißt es in dem Bericht.
Dabei könnten auch Doppelförderungen nicht ausgeschlossen werden. „Die Steuerpflichtigen erhielten die Steuerermäßigung häufig zusätzlich zu anderen Förderungen für dieselbe Leistung – obwohl sie dadurch eigentlich ausgeschlossen war.“ Als Beispiel werden direkte Zuschüsse für die energetische Gebäudesanierung genannt.
Nur mit Rechnung und Überweisungsbeleg
Zudem reklamiert der Bundesrechnungshof Mitnahmeeffekte. Gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsprüfungen bei Aufzügen oder Schornsteinfegerarbeiten müssten in jedem Fall gemacht werden. Die Ermäßigung führe also zu keinem Zusatzgeschäft für das Handwerk, die Aufträge müssten mit und ohne Steuererstattung erteilt werden.
Um die Handwerkerleistung auf Nachfrage des Finanzamts zu belegen, ist nicht nur eine Rechnung notwendig, sondern auch der Beleg, dass diese Rechnung elektronisch beglichen wurde – und damit auch beim Handwerker eine Datenspur hinterlässt. Mit diesem Bargeldverbot sollte die Schwarzarbeit eingedämmt werden. Eine Reduzierung sei allerdings nicht zu erkennen, so die Kritik des Rechnungshofs.
Im Vorjahr hatte eine vom Bundesfinanzministerium selbst eingesetzte Expertenkommission zur Steuervereinfachung ähnliches gefordert. Eine Steuererklärung sei zwingend, um Steuerrabatt zu bekommen, die Angaben könnten von der Finanzverwaltung aber nur mit erheblichem Aufwand kontrolliert werden. Zudem fehle der Nachweis, dass diese Steuererleichterung, wie erhofft, zu weniger Schwarzarbeit führt, heißt es auch in diesem Bericht.
Im Bundesfinanzministerium reagiert man ausweichend auf die Forderungen. Subventionsabbau und Steuervereinfachung seien wichtige Themen, die allerdings in einem Gesamtkontext gesehen werden müssten. Dabei spielten die Entlastung von unteren und mittleren Einkommen sowie der Bürokratierückbau eine wesentliche Rolle. „Welche Bedeutung Paragraf 35a Einkommensteuergesetz in dieser Betrachtung zukommt, bleibt abzuwarten“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.
Auch in den Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD will man über eine eventuelle Abschaffung nur in größerem Zusammenhang sprechen. „Ich halte wenig davon, jetzt über einzelne Steuersubventionen zu diskutieren“, sagte Fritz Güntzler (CDU), finanzpolitischer Sprecher der Union. Notwendig sei ein Gesamtkonzept, bei dem die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen im Mittelpunkt stehe. Auch die Steuerbürokratie müsse sinken. Er kündigte an: „Union und SPD werden im kommenden Jahr intensiv an einer großen Einkommensteuerreform arbeiten.“
Frauke Heiligenstadt, finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sieht die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen ebenfalls als einen von zahlreichen möglichen Ansätzen. „Vor dem Hintergrund der Überlegungen zu mehr Steuergerechtigkeit und einer Vereinfachung des Steuerrechts sind momentan viele Punkte anzuschauen“, sagte Heiligenstadt. Jede Maßnahme müsse unter anderem daraufhin abgeklopft werden, wie teuer sie für den Staat sei und ob mit ihr das ursprünglich gesetzte Ziel erreicht werde. Auch allgemeine Vereinfachungs- und Gerechtigkeitsfragen spielten bei der Überprüfung eine Rolle.
Klarer Widerspruch gegen eine Streichung der Steuerermäßigung kommt erwartbar aus dem Handwerk. „Wer aktuell über die Abschaffung der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nachdenkt, verkennt ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung“, sagte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Dieses Instrument sei keine Subvention, vielmehr ein Investitionsbonus für Verbraucher, der qualifizierte Aufträge an legale Handwerksbetriebe lenkt und Schwarzarbeit wirksam eindämmt. „Eine Streichung wäre ein fatales Signal an die Verbraucherinnen und Verbraucher.“
Die Steuerermäßigung ist für Dittrich „keineswegs ein Kostenfaktor für den Staat, sondern eine Einnahmequelle, weil legalisierte Aufträge zu mehr Steuereinnahmen und Sozialabgaben führen und hohe Qualitätsstandards sichern, statt riskante Eigenleistungen oder Schwarzarbeit zu fördern“, sagte er. All das spreche für eine Weiterentwicklung statt für eine Abschaffung der Steuerermäßigung, die zudem dem Koalitionsvertrag und dem politischen Ziel, Schwarzarbeit zu bekämpfen, widersprechen würde. Es müsse gelten: nicht zurückbauen, sondern verbessern.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.
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