Anfang November stellte Chinas Marine mit der „Fujian“ ihren neuesten Flugzeugträger in Dienst. Wie wichtig das Projekt für China ist, zeigte hoher Besuch zum Festakt: Präsident Xi Jinping persönlich begleitete die Feier in der Marinebasis Yulin in der Küstenprovinz Hainan. Das Schiff ist der dritte Flugzeugträger der chinesischen Volksmarine, vor allem aber der erste Träger, der nicht auf veralteten russischen Designs basiert.
Mit ihm kann China erstmals echte Machtprojektion betreiben, kann eine relevante Anzahl Kampfflugzeuge bis zur umstrittenen zweiten Inselkette im südchinesischen Meer bringen und sie dort einsetzen. Das Schiff trägt nicht umsonst den Namen der Küstenprovinz, die Taiwan direkt gegenüberliegt. Es befördert Chinas See-Dominanz in der Region und stellt für die Philippinen, für Taiwan, Vietnam und Japan ein echtes Problem dar.
Mit der „Fujian“ kann China auch Einsätze im Pazifik, im Indischen Ozean oder entlang wichtiger Handelsrouten nach Afrika unterstützen. Chinas Marine wandelt sich mit dem neuen Flugzeugträger von einer reinen Küstenflotte zu einer Blauwasser-Marine, die weltweit operieren kann. Doch ein genauer Blick auf den neuen Träger zeigt: Noch muss China beim Bau eine steile Lernkurve bewältigen. Ausgerechnet die „Fujian“ wird durch eine Fehlplanung ausgebremst.
Öl-Turbinen statt Nuklear-Antrieb
Auf den ersten Blick gleicht die „Fujian“ in vielerlei Hinsicht den Flugzeugträgern der Nimitz-Klasse der USA. Das Schiff ist mit 315 Metern Länge und 80.000 Tonnen Verdrängung der größte Träger weltweit, der nicht von der US-Navy betrieben wird. Es ist allerdings noch immer etwa 20 Prozent kleiner als die größten US-Träger, und fährt anders als diese noch mit konventionellen Öl-Turbinen statt Nuklear-Antrieb.
Die „Fujian“ kann ihre Trägerflugzeuge wie die neuesten US-Träger mittels elektromagnetischen Katapulten (EMALS) starten, benötigt keine veraltete Startrampe mehr am Bug. Dieses EMALS-System erlaubt den Start schwererer Flugzeuge mit größerer Reichweite, womit China den Einsatzradius seiner Trägerflugzeuge gegenüber den Vorgänger-Schiffen deutlich steigert. Zudem ist der Träger groß genug, um verschiedene Flugzeugtypen zu tragen und mehrere vollständige Trägergeschwader inklusive Frühwarnflugzeugen gleichzeitig einzusetzen.
Noch 2012 hatte Chinas Marine keinen einzigen einsatzfähigen Flugzeugträger im Dienst. Nun haben die Chinesen mit drei Schiffen die Fähigkeit, mindestens einen Träger immer auf See im Einsatz zu lassen, dies war bislang ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal der US-Navy. Doch gegenüber seinen US-Pendants hat die „Fujian“ eine entscheidende Schwäche, die auf mangelnde Erfahrung der chinesischen Designer im Bau von Trägern hinweist: Trotz seiner Größe kann der Träger nicht gleichzeitig Flugzeuge starten und landen lassen.
Das angewinkelte Landedeck ist so angelegt, dass die landenden Jets die Bahn von zwei der drei Startkatapulte kreuzen. Damit bliebe der dritte Katapult auf dem Bug als letzte Option für den Simultan-Start. Doch dessen Startposition ist genau so angelegt, dass der Strahlabweiser dahinter, der den Abgasstrahl der startenden Jets vom Deck nach oben ablenkt, im Weg steht: Gelandete Jets können weder auf der Instandhaltungs-Fläche vor dem Träger-Inselaufbau betankt und neu bewaffnet werden, noch zum vorderen Aufzug zum Hangar unter Deck wenden, solange der Abweiser in der Startposition hochgefahren steht. Sie müssten aufwendig auf der Landebahn wenden und blockieren dabei weitere Landungen.
Dieser Designfehler bei der Auslegung des Trägerdecks ist ausgerechnet zuerst von chinesischen Militärbloggern öffentlich kritisiert worden. Das Problem war aufgefallen, nachdem das chinesische Staats-Fernsehen CCTV Anfang August eine Dokumentation aus vom ersten Testbetrieb des neuen Trägers gesendet hatte. „Haixian Xianfeng“ („Maritime Vorhut“), eine chinesische Online-Plattform mit Fokus auf militärische und geopolitische Analysen im maritimen Kontext, analysierte Mitte September die Bilder und fanden den frappierenden Planungsfehler.
Die anonymen Autoren zeigten auf, dass simultane Starts und Landungen unmöglich sein dürften. „Gleichzeitige Starts und Landungen sind eine Mindestanforderung für große Flugzeugträger (80.000–100.000 Tonnen Klasse), doch die ,Fujian‘ ist trotz ihrer Größe nicht in der Lage, diese Manöver durchzuführen“, so die ungewöhnlich deutliche Kritik aus dem eigenen Lande. „Der J-15-Kampfjet der ,Fujian‘ ist ein schweres Flugzeug, das eine beträchtliche Landebahnlänge zum Anhalten benötigt. Während der Landung sind sowohl die Startbahn 1 als auch die Startbahn 2 praktisch unbrauchbar“, so die Plattform weiter. Ursache für den Planungsfehler sei ein später Wechsel bereits in der Bauphase von klassischen Dampfkatapulten auf die neuen elektromagnetischen Katapulte, die eine längere Startstrecke benötigen.
Laut der Analyse, die von diversen asiatischen Medien aufgegriffen wurde, dürfte der neue chinesische Träger dank der Einschränkung nur etwa die Hälfte der 120 bis 160 Starts pro Tag schaffen, die auf US-Trägern Standard sind. Hinzu kommt die mangelnde Erfahrung im Alltagsbetrieb eines modernen Trägers, lautet eine Analyse des US-Fachmediums „National Security Journal“. Die Choreografie der Jets an Deck muss ebenso erst erlernt werden wie die Logistik des täglichen Flugbetriebs oder das richtige Training der Starts und Landungen – alles Lektionen, die die US-Navy über siebzig Jahre lang gelernt hat. Auch China muss nun zuerst erproben, wie der Einsatzalltag eines großen Trägers funktioniert.
Damit wäre das Drohpotenzial der „Fujian“ zumindest gegenüber den USA zunächst deutlich eingeschränkt, da sie nicht die gleiche Anzahl Jets gleichzeitig in der Luft halten kann wie ihre US-Pendants. Doch bereits in der Vergangenheit haben die chinesischen Rüstungskonzerne vor allem eines bewiesen: Ihre Bereitschaft, Erfolgsmodelle aus den USA zu übernehmen und zu verbessern. Bereits jetzt wird laut aktuellen Satellitenaufnahmen von einer Werft in Dalian der nächste Träger gebaut.
Luftbilder zeigen gewaltige Rumpfsegmente im Bau, sichtbar sind zudem Reaktor-Abschirmungen – der kommende, noch namenlose Träger Nummer vier wird nuklear angetrieben sein. Die Größe der im Bau befindlichen Rumpfsegmente deutet auf eine Verdrängung von über 110.000 Tonnen hin, damit wäre der nächste chinesische Träger genauso groß wie die neuesten US-Träger. Wie diese wird es voraussichtlich etwa 90 Flugzeuge tragen und könnte monatelang ohne Nachschub operieren. Bei diesem Projekt wird China die Lektionen aus dem Betrieb der „Fujian“ aufgreifen, der Vorsprung der USA ist voraussichtlich zeitlich begrenzt.
Die „Fujian“ ist mehr als nur ein neues Kriegsgerät – sie ist ein Symbol für Chinas Willen zum Aufstieg zur maritimen Weltmacht. Trotz noch bestehender technischer Schwächen und fehlender Einsatzerfahrung markiert das Schiff den Beginn einer neuen Phase: China kann erstmals mit Trägerkampfgruppen weitab der Heimat Präsenz zeigen. Peking zeigt, dass es schnell lernt und bereit ist, konsequent nachzuziehen. Die Fujian ist trotz der eingebauten Schwäche ein Warnsignal für alle Anrainer im Westpazifik – und ein Weckruf für jene, die Chinas maritime Ambitionen unterschätzen.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.
Benedikt Fuest ist Wirtschaftsredakteur und schreibt über künstliche Intelligenz, Technologie-Unternehmen und Rüstungstechnologie
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