Die Weltpolitik wird volatiler, und damit ändert sich auch das Denken in deutschen Unternehmen. Mittelständler hierzulande reagieren zunehmend strategisch auf Engpässe und Preisschwankungen bei kritischen Rohstoffen. Das zeigt eine aktuelle Befragung der bundeseigenen Wirtschaftsförderagentur Germany Trade & Invest (GTAI). Demnach rechnen viele kleine und mittlere Unternehmen mit steigenden Beschaffungskosten und sind bereit, sie zu tragen, wenn nur die Versorgung gesichert ist. Den Unternehmen geht es nicht mehr darum, den günstigsten Preis zu bekommen, sondern inzwischen vorrangig um stabile Lieferketten und verlässliche Partner.
Die Mehrheit der 84 zwischen Juni und Juli 2025 befragten Mittelständler bezeichnet ihre Rohstofflieferketten zwar als stabil, doch zugleich haben viele ihre Strategien angepasst. Rund drei Viertel suchen aktiv neue Lieferanten, zum Beispiel außerhalb Asiens. Etwa die Hälfte stockt Lagerbestände auf und verabschiedet sich damit vom jahrelang dominierenden Just-in-time-Prinzip. Die Befragten kommen aus der Elektro-, Digital- und Beschaffungswirtschaft. Sie kaufen ihre Rohstoffe weiterhin vor allem in China, der EU und in geringerem Umfang in den USA.
Die Studienautoren warnen allerdings vor einer Schein-Diversifizierung. Selbst Importe aus Europa oder Amerika bedeuteten keine echte Unabhängigkeit von Asien, weil viele Zwischenhändler in Europa und den USA ihre Ware weiterhin aus China beziehen. Das scheinen auch immer mehr Unternehmen zu erkennen, die sich darum bemühen, direkte Lieferantenbeziehungen zu knüpfen.
Für sie bedeutet das mehr Aufwand, aber den sind die Manager offenbar bereit, einzugehen: 70 Prozent der Befragten nennen direkte Kontakte als wichtigste Bezugsquelle, deutlich vor Handelshäusern. Vertrauen, persönliche Kontakte und langfristige Verträge gelten als entscheidend. Auch der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) beobachtet, dass Firmen „bewusst in Diversifizierung investieren – trotz zusätzlicher Kosten“, sagt Referentin Franziska Brall.
Recycling spielt laut Umfrage noch eine geringe Rolle. Die Gründe sind hohe Kosten und schwankende Qualität. „Die Verfügbarkeit und Qualität recycelter Materialien ist häufig nicht konstant“, sagt Lisa Immensack vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). „Primärrohstoffe sind oft günstiger und leichter zu zertifizieren.“ Zu den kritischen Rohstoffen gehören für 80 Prozent der Befragten Kupfer, für 39 Prozent Seltene Erden und für 32 Prozent Nickel. Daneben geht es auch um Lithium, Kobalt, Platin und Wolfram.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzcenter von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.
Tobias Kaiser verfolgt als Senior Editor Arbeit & Soziales die großen Verschiebungen in Arbeitswelt und Gesellschaft und die Reaktionen der Politik.
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