Es ist schon erstaunlich, dass der seeseitige Handel weiter wächst – obwohl die globalen Transportketten unter Streß stehen wie seit Jahrzehnten nicht mehr, durch Kriege, Zölle, Klimawandel, Streiks und Malheure aller Art. Dennoch legt allein das Volumen des seeseitigen Containertransport in diesem Jahr im Verhältnis zum Vorjahr noch einmal um 4,7 Prozent zu. Wachstum zeigen auch die Transporte bei verflüssigtem Erdgas (LNG), bei Rohöl oder Massengütern wie Erzen und Getreide.

Das berichtet an diesem Vormittag bei der Fachkonferenz Hamburg Port Summit Tim Power, Managing Dircetor des renommierten maritimen Berstungsunternehmens Drewry mit Sitz in London. Und er nennt einen Erfolgsfaktor für Häfen weltweit, der immer wichtiger werde – „eine bruchlose, verlässliche Trasnsportkette“. Zunehmend habe auch die Geopolitik wie etwa der Handelskrieg zwischen den USA und China mit immer neuen Zöllen wieder „einen direkten Einfluss auf die Häfen“.

In dieser Gemengelage versuchen die Außenhändler und die Reedereien, steigenden Kosten bei den Transporten entgegenzuwirken und ihre Waren auf die möglichst effizientesten Wege zu bringen. Das fördert unter anderem die Bildung neuer Reedereiallianzen wie etwa der Gemini Cooperation von von Hapag-Lloyd und Marsk, aber auch den Aufstieg jüngerer Hafenstandorte wie etwa des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven, von Tanger in Marokko oder Tanjung Pelepas in Malaysia, nicht weit entfernt von Singapur – von Standorten mit viel Platz, logistischem Spielraum und moderner Infrastruktur.

„Gerade die Seehäfen sind aktuell in höchstem Maße gefordert“

Die deutschen Seehäfen, die vor allem an der Nordsee in den vergangenen Jahren bereits Marktanteile verloren haben, drohen weiter zurückzufallen – wenn sie nicht umfassend modernisiert werden, bei den Verkehrswegen, an den Logistikflächen und Kaikanten. Das wurde beim Hamburg Port Summit in der Handelskammer Hamburg deutlich, den die Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft gemeinsam mit der Handelskammer organisiert hat. Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) schätzt die Größe des Investitionsstaus auf rund 15 Milliarden Euro.

„Gerade die Seehäfen als Scharnier des internationalen Handels sind aktuell in höchstem Maße gefordert, sich weiterzuentwickeln, angesichts der weltweiten Herausforderungen“ , sagt Handelskammer-Vizepräses Kay Schiebur. „Und die Politik ist dabei mehr denn je gefordert, endlich die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Häfen ihrer tragenden Rolle besser gerecht werden können.“

Der Bund verabschiedete Anfang 2024 eine „Nationale Hafenstrategie“, unterlegte die einzelnen Kapitel und Maßnahmen aber nicht mit Zusagen für Finanzierungen. Nur insgesamt jährlich 38 Millionen Euro gibt der Bund für die Instandhaltung der Seehäfen dazu – dramatisch zu wenig, wie die verfallende Infrastruktur an den Hafenstandorten zeigt. Die deutsche Hafenwirtschaft fordert eine konstante Co-Finanzierung des Bundes von mindestens 400 Millionen Euro im Jahr. Eine solche Summe stellte die neue schwarz-grüne Koalition in Berlin kürzlich bereit, allerdings nur als einmalige Förderung für einen besseren Klimaschutz bei Seehäfen, Schifffahrt und Binnenhäfen gleichermaßen. „Nur wenn Bund, Länder, Hafenwirtschaft und Wissenschaft zusammenarbeiten, sichern wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Häfen“, sagt Jan Ninnemann, Präsident der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft.

Die kalkulierten 15 Milliarden Euro Investitionsbedarf entsprächen weniger als drei Prozent des vom Bund aufgelegten Sondervermögens für die Ertüchtigung der Infrastruktur, sagt Sebastian Jürgens, Chef der Lübecker Hafen-Gesellschaft und Vizepräsident des ZDS. Dieses Sondervermögen soll ein Gesamtvolumen von 500 Milliarden Euro haben, verteilt über zwölf Jahre. „Es ist gut, dass wir eine Nationale Hafenstrategie haben“, sagt Jürgens, „aber die muss der Bund dann auch finanzieren und nun in die Priorisierung kommen.“ Allein 40 Prozent des deutschen Bahn-Güterverkehrs laufe in die und aus den Seehäfen: „Schon das würde einen Anteil der Häfen von drei Prozent an den Mitteln des Sondervermögens rechtfertigen.“

Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, fordert einen „nationalen Hafengipfel“, ähnlich der Konferenz, die die Bundesregierung am Donnerstag für die Stahlindustrie organisert hat. An den Häfen hingen weitaus mehr Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und mindestens ebenso viele Innovationspotenziale wie an der deutschen Stahlbranche. „Für etliche Prozesse – von der digital vernetzten Logistik bis hin zur Erzeugung, dem Import und Einsatz von ,grünem‘ Wasserstoff sind die Hafenstandorte reine Innovationsmotoren“, sagt Heyne. „Häfen sind absolut Zukunft.“

Wie fragil dabei Deutschlands größter Seehafen Hamburg derzeit ist, erläutert dann Rainer Fabian, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH). Die zentrale Hafenquerung der baufälligen Köhbrandbrücke, die regelmäßig wegen Reparaturen gesperrt werden müsse, sei in aller Munde. Niemand könne heute sagen, wie die Brücke zuverlässig in Betrieb gehalten werden könne, bis 2040 ein Ersatzbauwerk zur Verfügung stehe.

Die logistischen Verengungen des Hafens allerdings begännen schon weit unter dem Niveau der Köhlbrandbrücke, sagt Fabian: Nach einer Schiffskollision sei derzeit die Freihafenbrücke über die Elbe gesperrt. Das sorge im östlichen Hafenteil für massive Verkehrsbehinderungen. „Und diese Brücke“, sagt Fabian, „ist schon längst abgelastet und gar nicht mehr für den Güterverkehr zugelassen. Wenn uns schon das aus der Bahn wirft, dann haben wir ein Problem.“

Olaf Preuß ist Wirtsdchaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten über die maritime Wirtschaft, über Schiffahrt, Häfen und Werften.

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