Die wirtschaftliche Abkehr vom Westen infolge des Ukraine-Krieges und der Sanktionen gehört zu den größten Umwälzungen, die Russlands Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat. Im Handumdrehen wurde der russische Außenhandel, der die längste Zeit von Europa dominiert war, nach Asien umgelenkt.

„Einen Schwenk der Konsumenten in dieser Geschwindigkeit hat es noch nie gegeben“, sagte Wladislaw Inozemcew, einst Wirtschaftsberater des Kremls und später Mitgründer des Zentrums für Analysen und Strategien in Europa (CASE), im Gespräch mit WELT.

Wie sehr dies auch den Dollar und den Euro aus dem russischen Außenhandel verbannt hat, zeigt sich inzwischen an einer eindrucksvollen Zahl.

Im August nämlich hat Russland bereits 55,2 Prozent seines Außenhandels in der eigenen Landeswährung Rubel abgewickelt. Dies hat die russische Nachrichtenagentur Interfax auf Grundlage von vorläufigen Daten der Zentralbank eruiert. So hoch war der Anteil noch nie zuvor gewesen. Nimmt man nur den russischen Export, so wurde dieser im August zu 56,3 Prozent in Rubel abgerechnet – auch das ein neuer Rekord. Beim russischen Import lag der Prozentsatz bei 54,1 Prozent.

Russland selbst hat den Weg der De-Dollarisierung seiner Wirtschaft – also die zunehmende Reduzierung des US-Dollars in Reserven, inländischen und grenzüberschreitenden Finanztransaktionen – spätestens mit der Annexion der Krim im Jahr 2014 eingeschlagen. Ziel war, die diesbezügliche Bindung an die USA zu reduzieren und daher weniger anfällig für Strafmaßnahmen zu sein. Zu diesem Zweck hat Moskau auch zunehmend US-Staatsanleihen aus dem Anlageportfolio seiner Währungsreserven verbannt und diese vor Ausbruch des Ukraine-Krieges auf fast null reduziert. Beim Außenhandel hingegen gewann die De-Dollarisierung erst mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges Anfang 2022 richtig an Fahrt.

Waren im Vorkriegsjahr 2021 noch 84,6 Prozent der russischen Exporte und 67,6 Prozent der Importe in Dollar und anderen westlichen Währungen abgewickelt worden, so waren es im August gerade mal noch 14,3 Prozent, beziehungsweise 15,7 Prozent.

Jenseits von Rubel und westlichen Währungen ist im russischen Außenhandel natürlich der Anteil von Währungen aus den so genannten freundschaftlichen Ländern gestiegen. Beim russischen Export betrug er im August 29,4 Prozent, beim russischen Import 30,1 Prozent.

Vor allem der chinesische Yuan spielt hier die wichtigste Rolle. Schließlich hat China seit dem Ukraine-Krieg die Lücke gefüllt, die westliche Handelspartner durch ihren Rückzug hinterlassen hatten. Waren vor 2014 gerade einmal zehn Prozent des russischen Außenhandelsvolumens auf China gekommen, so sind es inzwischen 40 Prozent der russischen Importe und 30 Prozent der russischen Exporte. Im Jahr 2024 wurden Waren für 245 Milliarden Dollar zwischen beiden Ländern ausgetauscht – ein Rekord.

Auch die Bedeutung von Indien nahm zu, da das Land plötzlich zum Großabnehmer russischen Erdöls wurde.

Mit angedrohten Sekundärsanktionen will der Westen die russischen Handelspartner dazu bewegen, sich wirtschaftlich von Russland zu distanzieren und vor allem den Import russischer Energieträger (allen voran Erdöl) zu reduzieren. Der Erfolg bleibt überschaubar.

Auch deswegen haben kürzlich zwei Wirtschaftsexperten im Magazin „Foreign Affairs“ vorgeschlagen, die Sanktions-Strategie zu ändern. Der Fokus müsse weniger darauf liegen, dass möglichst wenig Geld nach Russland fließe. Stattdessen sollten Anreize geschaffen werden, damit möglichst viele gut ausgebildete und vermögende Russen mit ihrem Geld und ihrem Know-how das Land verlassen.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

Eduard Steiner schreibt für WELT vor allem über die russische Wirtschaft.

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