Was ist der Maßstab für die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern mit vergleichbaren Jobs? Reicht der Vergleich mit einem Kollegen, der die gleiche Arbeit macht, oder muss es der Mittelwert einer vergleichbaren Arbeitnehmergruppe sein? Diese Fragen, die in vielen Unternehmen und Verwaltungen für Streit sorgen, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt mit einem Grundsatzurteil in einem Fall von Daimler Truck in Baden-Württemberg geklärt - und damit die Position von Frauen gestärkt.
Die höchsten deutschen Arbeitsrichter entschieden, dass sich Frauen nicht mit einem Mittelwert begnügen müssen, wenn sie auf gleiche Bezahlung wie Männer pochen. Sie können sich im besten Fall am Spitzenverdiener oder einem anderen Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit in ihrem Unternehmen orientieren, sollten sie den Verdacht haben, sie werden wegen ihres Geschlechtes diskriminiert, entschied das Bundesarbeitsgericht (8 AZR 300/24).
Benachteiligungsverbot bekommt schärfere Zähne
"Es wird künftig leichter sein, eine geschlechtsbedingte Entgeltdiskriminierung darzulegen", sagte der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing der Deutschen Presse-Agentur. "Das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechtes bekommt damit immer schärfere juristische Zähne."
Verhandelt wurde die Klage einer Frau aus der mittleren Führungsebene der Daimler Truck AG, die sich den Spitzenverdiener in der Riege ihrer männlichen Abteilungsleiter-Kollegen als Vergleichsmaßstab ausgesucht hatte. Bei dem Verfahren geht es um viel Geld: Ihre Anwältin gab den Streitwert mit mehr als 100.000 Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren an.
Eine männliche Vergleichsperson reicht aus

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Bei Streitigkeiten über eine unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern gelte der sogenannte Paarvergleich, sagte die Vorsitzende Richterin des Achten Senats, Martina Ahrendt, bei der Urteilsverkündung. "Der Mittelwert ist ohne Bedeutung". Zudem sei das Entgeltsystem des Unternehmens für die Abteilungsleiterposition nicht transparent. Der Senat orientierte sich bei seinem Urteil an der europäischen Rechtsprechung.
Wenn Frauen den Verdacht hätten, sie würden wegen ihres Geschlechtes schlechter bezahlt, "können sie sich eine Person heraussuchen, die die gleiche oder eine vergleichbare Arbeit macht", sagte eine Gerichtssprecherin nach dem Urteil. Der Senat habe deutlich gemacht, der Paarvergleich sei auch in größeren Unternehmen zulässig, in denen es eine Gruppe möglicher Vergleichspersonen gibt, oder die nach dem Entgelttransparenzgesetz einen Mittelwert (Median) für eine Vergleichsgruppe zur Verfügung stellen können.
Neuverhandlung in Baden-Württemberg
Die Anwältin von Daimler Truck argumentierte, die Bezahlung der Frau sei wegen ihrer individuellen Leistung geringer. Sie sei nicht mit dem Spitzenverdiener unter den Abteilungsleitern vergleichbar, der die Verantwortung für einen ganzen Geschäftsbereich trage. Sie befürchtete, "letztlich haben wir dann ein gleiches Gehalt für alle".
Das BAG hob ein Urteil des Landesarbeitsgerichts, das sich an den von Daimler Truck erhobenen Mittelwerten (Median) für eine weibliche Vergleichsgruppe sowie einer männlichen Vergleichsgruppe orientierte, in großen Teilen auf. Der Fall geht an das Landesarbeitsgericht zurück. Dort soll auch der Arbeitgeber Gelegenheit haben, darzulegen, welche sachlichen Gründe es für die bessere Bezahlung des männlichen Abteilungsleiters gibt.
Sechs Prozent Lohnunterschied in Deutschland
Dass es Lohngleichheit von Frauen und Männern bei vergleichbarer Arbeit geben muss, ist nicht nur durch eine Vielzahl von Gerichtsurteilen verbrieft, aber nicht immer Realität. Die Bundesregierung will bis 2030 Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern erreichen. Noch liegt die Lohnlücke nach Statistiken bereinigt um Effekte wie unterschiedliche Branchenschwerpunkte oder Berufe bei sechs Prozent.
Daimler Truck stellte seinen Arbeitnehmern im Intranet Daten zur Entgelttransparenz (Dashboard) zur Verfügung. Seit einigen Jahren gilt in Deutschland das Entgelttransparenzgesetz, das Gehaltsauskünfte ermöglicht - allerdings nur bei Unternehmen mit mindestens 200 Beschäftigten. Seit Jahren landen beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt Fälle, bei denen es um Detailfragen zum Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts und damit das Equal-Pay-Gebot geht.
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