Fast kann man die Uhr danach stellen, wann die Debatten um die Sommer- und die Winterzeit neu entbrennen. Ende Oktober ist jedes Jahr einer der beiden Termine, so auch dieses Mal. Das Europäische Parlament will sich mit dem Thema befassen – und im Deutschen Bundestag gab es schon einen kuriosen Schlagabtausch dazu.

Auf der Tagesordnung in Straßburg steht die Zeitumstellung am 23. Oktober, wenige Tage, bevor die Europäer ihre Uhren eine Stunde zurückdrehen müssen. Mehrere EU-Abgeordnete kämpfen für ein Ende des Hin und Hers, darunter der Christdemokrat Seán Kelly aus Irland.

Kelly leitet eine Arbeitsgruppe des Europäischen Parlaments zur Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung. Gemeinsam mit dem deutschen EU-Parlamentarier Peter Liese (CDU) rief er nun die dänische Ratspräsidentschaft in einem Brief dazu auf, die Sache endlich anzugehen.

„Die Zeitumstellung ist eine veraltete und unnötige Praxis, die Bürgern und Wirtschaft im Jahr 2025 keinen wirklichen Nutzen mehr bringt“, sagt Kelly. „Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass die Umstellung der Uhren zweimal im Jahr den Schlaf stört, Gesundheitsrisiken wie Herzinfarkte erhöht und sogar zu mehr Verkehrsunfällen führt.“ Zugleich seien die versprochenen Energieeinsparungen ausgeblieben. „Es ist an der Zeit“, meint Kelly, „dass wir endlich einen Schlussstrich ziehen.“

Abschaffung der Zeitumstellung eigentlich beschlossen

Tatsächlich hat das Europäische Parlament bereits 2019 die Abschaffung der Zeitumstellung beschlossen. Doch die Zustimmung des Europäischen Rates steht immer noch aus. Die Mitgliedstaaten können sich nicht darauf einigen, was denn jetzt dauerhaft gelten soll, Sommer- oder Winterzeit, oder nach welchen Kriterien sich die einzelnen Länder einer Zeitzone zuordnen.

Zudem wollen die nationalen Regierungen vermeiden, dass Mitteleuropa in viele unterschiedliche Mini-Zeitzonen zerfällt – das würde den Binnenmarkt stören. Behielte Polen die Sommerzeit und Deutschland die Winterzeit, wäre es in Warschau plötzlich eine Stunde später als in Berlin. So etwas würde Unternehmen und Bürgern das Leben erschweren.

Nord- und Südeuropa wiederum haben unterschiedliche Präferenzen: Finnland und Schweden bevorzugen Winterzeit, so haben sie mehr Helligkeit am Morgen. Spanien und Italien hingegen hätten lieber dauerhaft Sommerzeit – und so längere Abende mit Sonne. Die Gespräche sind völlig festgefahren.

In Deutschland haben die Rechten das Thema für sich entdeckt. Der Bundestag diskutierte am späten Donnerstagabend über einen schlichten Gesetzentwurf der AfD-Fraktion und einen damit verbundenen Entschließungsantrag. Im Kern geht es um die Streichung zweier Sätze im deutschen Einheiten- und Zeitgesetz. Dort steht: „Für den Zeitraum ihrer Einführung ist die mitteleuropäische Sommerzeit die gesetzliche Zeit. Die mitteleuropäische Sommerzeit ist bestimmt durch die koordinierte Weltzeit unter Hinzufügung zweier Stunden.“

Zeitumstellung belastet die Gesundheit

Fielen die beiden Sätze weg, würde in Deutschland fortan im Sommer die mitteleuropäische Normalzeit (MEZ) gelten, also die Winterzeit. Zusätzlich hat die AfD einen Antrag eingebracht, der den Titel trägt: „Belastende Zeitumstellung auf EU-Ebene abschaffen – Dauerhafte Beibehaltung der Normalzeit.“

Von den Rednern der anderen Fraktionen ernteten die AfD-Abgeordneten viel Häme. In der Debatte um 22.47 Uhr war mehrmals von Michael Endes Jugendroman Momo die Rede und von den „grauen Herren“, die den Menschen ihre Zeit stehlen. Die AfD stehe für die Dunkelheit, sagte der CSU-Abgeordnete Andreas Lenz. Denn im Sommer würde man mit der vorgeschlagenen Regelung im Biergarten eine Stunde früher in der Finsternis sitzen. Auch Agnes Conrad (Linke) sprach sich für die Sommerzeit aus: „Wir Linken stehen für die Zeit des Sommers“, sagte sie.

Die Verteidigung für die AfD übernahm Stephan Brandner. „So absurd ist der Antrag gar nicht“, sagte er schon vor den erwartbaren Gegenreden. Die Umstellung der Uhren führe – argumentierte auch Brandner – an den Tagen danach zu einem Anstieg bei Verkehrsunfällen und Herzinfarkten. Pro Jahr entstünden so Kosten von 100 bis 400 Millionen Euro. Selbst Milchkühe würden unter der Zeitumstellung leiden.

„Mit dieser Neuregelung würde dem erklärten Mehrheitswillen der Bürger Rechnung getragen“, schreibt die AfD in der Begründung zum Gesetz. Sie bezieht sich auf ein Beteiligungsverfahren der EU-Kommission aus dem Jahr 2018, bei dem 4,6 Millionen Bürger mitmachten: 84 Prozent lehnten darin die Zeitumstellung ab. In einer aktuellen Forsa-Umfrage in Deutschland sprachen sich rund 70 Prozent gegen die Zeitumstellung aus.

Unterschiedliche Zeiten in Europa – „blanker Wahnsinn“

Dass eine eigene Zeitzone nur für Deutschland nicht sinnvoll wäre, gestand sogar Brandner ein. Darauf würde das AfD-Gesetz allerdings hinauslaufen, wenn die anderen Parteien es nicht ohnehin ablehnten. Der Grünen-Abgeordnete Julian Joswig bezeichnete diese Idee als „blanken Wahnsinn“. Es brauche eine europäische Lösung. „Wenn wir mitten in Europa eine andere Zeit hätten als unsere Nachbarn, würde Chaos herrschen“, sagte er.

Die AfD ist nicht die erste Partei im Bundestag, die ein Ende der Zeitumstellung fordert. Auch die Linke hatte in der Vergangenheit entsprechende Anträge eingebracht, zuletzt im Jahr 2019 (abgelehnt 2021) und 2016. Und auch die FDP hatte sich über Jahre immer wieder für eine dauerhafte Einführung der Sommerzeit eingesetzt. Allerdings bezogen sich die Anträge der anderen Parteien darauf, dass die Bundesregierung in der EU auf eine gemeinsame Lösung hinwirken sollte.

Die AfD hatte im vergangenen Jahr schon einmal einen gleichlautenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Dieser Entwurf schaffte es nach dem Ende der Ampel-Koalition nicht mehr in die Zweite Lesung.

In Deutschland gilt die Sommerzeit seit 1980, im Jahr 1996 einigte man sich in der EU auf einheitliche Tage für die Zeitumstellung: den jeweils letzten Sonntag im März und Oktober. In diesem Jahr wird die Uhr daher am 26. Oktober umgestellt.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.

Stefan Beutelsbacher ist Korrespondent in Brüssel. Er berichtet über die Wirtschafts-, Handels- und Klimapolitik der EU. Zuvor war er US-Korrespondent in New York.

Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur in Berlin und berichtet für WELT über Wirtschafts- und Energiepolitik, Digitalisierung und Staatsmodernisierung.

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