Das Wachstum der US-Wirtschaft hängt fast komplett an den Billionen-Investments der Tech-Riesen für KI-Datenzentren. Doch dahinter ächzt die Wirtschaft an allen Enden. Trotzdem wird künstliche Intelligenz als magische Lösung gehypt - und damit zum systemischen Risiko.

Als Jeff Bezos kürzlich auf einem Tech-Forum sprach, hatte er für sein Publikum eine gute und eine schlechte Nachricht. "Das ist so etwas wie eine industrielle Blase", sagte der Amazon-Gründer über den KI-Hype. "Es wird eine Korrektur geben, irgendwann wird es einen Einschnitt geben, einen Rücksetzer." Aber keine Sorge: Solche Blasen "können sogar etwas Gutes haben: Wenn sich der Staub gelegt hat und die Gewinner feststehen, profitiert die Gesellschaft von ihren Erfindungen."

Der KI-Hype eine Blase - aber eine gute Blase? So ähnlich hat es auch Sam Altman gesagt: "Sind die Investoren derzeit zu euphorisch, wenn es um KI geht? Ja, ganz klar", gab der OpenAI-Gründer gegenüber Reporter zu. "Ist KI trotzdem das Wichtigste, was seit Langem passiert ist? Ebenfalls ja."

Nicht nur zwei der größten Player der Tech-Welt nennen den wichtigsten Trend ihrer Branche inzwischen also klar eine Spekulationswelle. Für "vergleichbar mit dem Höhepunkt der Dotcom-Blase" hält selbst die Bank of England, eigentlich kein Hort der Panikmache, die Kurse an den US-Börsen mittlerweile: "Die Bewertungen der Aktienmärkte scheinen massiv überzogen, besonders bei Tech-Firmen mit Fokus auf KI", schreiben die Zentralbanker. "Angesichts ihrer zunehmenden Bedeutung für die Marktindizes besteht an den Börsen großes Rückschlagspotenzial, sollten sich die hohen Erwartungen an die wirtschaftlichen Auswirkungen von KI nicht einstellen."

Die Gefahr für einen großen Crash ist atemberaubend: Fast ein Drittel des gesamten Börsenwerts der 500 größten US-Firmen hängt an den Tech-Giganten. Falls die Blase platzt, drohe Investoren zwar eine riesengroße Kapitalvernichtung. Aber den Rest der Wirtschaft jucke es kaum, argumentieren die KI-Optimisten. Die investierten Milliarden verschwinden schließlich nicht einfach, sondern fließen in reale Sachwerte: Datenzentren, die man auf jeden Fall brauche, auch wenn ihre jetzigen Besitzer vielleicht pleitegehen. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Die KI-Euphorie übertüncht Probleme

Der KI-Boom ist längst keine reine Börsenblase mehr. Wenn sie platzt, "wird es richtig schlimm, und nicht nur für Leute in der KI" sagt Tech-Pionier Jerry Kaplan. "Es wird den Rest der Wirtschaft in den Abgrund ziehen." Über ein Prozent Wachstum hätten die KI-Investments der Tech-Riesen der US-Wirtschaft im ersten Halbjahr beschert, schätzt die Investmentbank JP Morgan. Laut dem Harvard-Ökonom Jason Furman haben sie sogar für 92 Prozent des gesamten US-Wachstums in dem Zeitraum gesorgt.

Der Hype übertüncht massive Probleme: Das Jobwachstum ist bestenfalls wacklig. Die Inflation zieht an und hat das Verbrauchervertrauen gefährlich angeknackst. Der volle Kostenschock von Donald Trumps globalem Handelskrieg ist noch längst nicht vollständig in der US-Wirtschaft angekommen. Und die US-Regierung schiebt einen gigantischen Schuldenberg vor sich her, der akut einsturzgefährdet ist.

Ohne den KI-Boom wären die USA womöglich schon längst in die Rezession gerutscht. Er wird als magisches Allheilmittel für alles gesehen: Der drohende Arbeitskräftemangel durch Trumps Migrantenjagd könnte das US-Wachstumspotential um ein Fünftel verringern, fürchtet Goldman Sachs. Aber dank der kommenden gigantischen Produktivitätsgewinne durch KI werden künftig sowieso viel weniger Arbeitskräfte gebraucht.

Die Schuldenquote der USA liegt heute so hoch wie auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs. Trotzdem werde das Land mühelos aus seinen Schulden herauswachsen, sobald der KI-Ausbau einen Wirtschaftsboom auslöst, glauben manche Analysten. "KI muss für die USA liefern - sonst bricht der Wirtschaft und den Märkten das einzige Standbein weg, auf dem sie derzeit noch stehen", warnt Fondsmanager Ruchir Sarma vom Investmentgiganten Rockefeller in der "Financial Times".

Woher sollen die KI-Profite kommen?

Auf den ersten Blick scheint der Boom solide: Die meisten Tech-Riesen bezahlen ihren KI-Ausbau bislang aus der Portokasse. Fast 500 Milliarden Dollar Gewinn machten Microsoft, Amazon, Alphabet und Meta zusammen im vergangenen Jahr. Trotz dreistelliger Milliarden-Investments für KI bleiben ihnen immer noch Hunderte Milliarden Dollar Cash.

Doch in den kommenden Jahren werden die KI-Investments noch um ein Vielfaches zunehmen. Meta-Chef Mark Zuckerberg und Sam Altman reden wie selbstverständlich von Billioneninvestments, als wären sie eine Nebensache. Und der wichtigste Vorreiter der KI-Wette, der die gesamte Industrie zieht, steht unter extremem Finanzdruck: OpenAI, mit 500 Milliarden Dollar das inzwischen höchstbewertete Startup der Welt.

Die KI-Schmiede ist der Dreh- und Angelpunkt der Tech-Industrie. Und damit auch von Amerikas Wette auf KI. Niemand weiß bisher, wie sie mit ihren Chatbots jemals genug Geld verdienen will, um nur die 300 Milliarden Dollar einzuspielen, für die OpenAI allein Rechenpower bei Oracle eingekauft hat. Geschweige denn Gewinn abwerfen soll: Der "Economist" schätzt, dass es frühestens 2029 sein wird.

Weiter, immer weiter

Für Startups ist das zwar nicht ungewöhnlich. Doch wie sich die Firma bis dahin weiter finanzieren will, ist schleierhaft. Bisher bekommt sie ihr Geld allein von Microsoft und anderen Wagniskapitalgebern - und verbrennt es in atemberaubender Geschwindigkeit. Sie hat nun faktisch noch fünf Jahre Zeit, um ihren Umsatz von aktuell gut 13 Milliarden Dollar jährlich in mindestens eine Billion Dollar zu verwandeln (die Summe ihrer eingekauften KI-Rechenleistung) - ein Zuwachs um das 76-Fache. Um diesen gigantischen Finanzbedarf zu decken, müsste OpenAI faktisch das gesamte Wagniskapital der US-Tech-Branche absaugen. Auf kurz oder lang wird die KI-Schmiede also Banken oder den Anleihemarkt anpumpen oder an die Börse gehen müssen. Und spätestens die wollen harte Zahlen sehen.

Vielleicht auch deshalb hat der Chiphersteller Nvidia selbst inzwischen 100 Milliarden in OpenAI gepumpt. Man kann das als smartes Investment sehen, um günstig einzusteigen, bevor sich die KI-Schmiede womöglich aufs Parkett wagt. Oder als dringend benötigte Kreditlinie an OpenAI, um den Tag der Wahrheit hinauszuschieben - und ohne die Nvidias wichtigster Kunde womöglich bald ins Straucheln gerät.

Jede historische Erfahrung spricht dagegen, dass Amerikas Wette auf KI ungebrochen weitergeht: Bei keinem Investitionsboom der Geschichte ging es jemals nur aufwärts. Dagegen sprechen schon die physikalischen Engpässe, die dem KI-Hype Grenzen setzen: Stromversorgung, Elektrizitätsnetze, Kühlung der Serverfarmen. All das hochzufahren, könnte deutlich länger dauern, als die Börsenparty vermuten lässt. Sie klingt verdächtig nach dem kollektiven Wahn, der Investoren bei allen Investmentblasen den Verstand vernebelt hat: Diesmal ist alles anders. Wehe, wenn sie falsch liegen.

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