Bei einem Schleusen-Unfall Ende 2024 auf der Mosel hatte das betreffende Schiff eine Art Auto-Pilot im Einsatz. Jetzt will die Bundesregierung für diese Systeme strenge Regeln einführen.
Der Unfall brachte den Verkehr auf der Mosel tagelang zum Erliegen: Ein Güterschiff fuhr in ein Schleusentor bei Müden und verursachte einen Schaden von mehr als fünf Millionen Euro. Im Mai erhielt der Schiffsführer vom Amtsgericht St. Goar eine Geldstrafe wegen fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs.
Autopilot an Bord
Laut dem Strafbefehl, der dem SWR vorliegt, steuerte der Schiffsführer das Schiff bis vier Sekunden vor der Kollision mit einem Spurführungsassistenten in Behördensprache, ein "Track Guidance Assistant for Inland Navigation" (TGAIN) genannt. Außerdem sei er mit "unverminderter Geschwindigkeit von 13 km/h" in den Schleusenvorhafen eingefahren.
Ein TGAIN ermöglicht es, eine genaue Route auf einem Fluss vorzugeben. "Das erleichtert nicht nur das Steuern, sondern spart auch Treibstoff", sagt Alexander Lutz von der Stuttgarter Firma Argonics. Seine Firma bietet das System unter dem Namen "Track-Pilot" an und hat auch das betreffende Schiff vom Dezember ausgestattet. "Vor einer Schleuseneinfahrt rate ich dringend, den Track-Piloten zu deaktivieren", erklärt Lutz. Zudem müsse die Geschwindigkeit des Schiffs weiterhin manuell eingestellt werden.
Unfallursache weiter unklar
Unklar ist weiterhin, warum der Schiffsführer bei dem Unfall im Dezember nicht eingriff. Einen technischen Defekt schließen Ermittlungsbehörden aus. In Insiderkreisen ist zu hören, der Mann habe von einem "Blackout" gesprochen. Sein Anwalt wollte sich dazu wegen laufender Verfahren nicht äußern.
TGAIN-Systeme kommen erst seit einigen Jahren verstärkt zum Einsatz. Die Bundesregierung fördert deren Anschaffung seit November 2023 mit bis 80 Prozent der Kosten. Man wolle damit die Wettbewerbsfähigkeit von "emissionsreicheren Verkehrsträgern" verbessern und die "Gefahr von Schiffsunfällen" senken, heißt es auf SWR-Anfrage von der "Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt" (GDWS), die dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist.
Der "Europäische Ausschuss zur Ausarbeitung von Standards im Bereich der Binnenschifffahrt" (CESNI), ein Fachgremium mit Experten aus EU-Mitgliedsstatten und der Binnenschifffahrt, schätzt, dass - Stand Juli 2024 - etwa zehn Prozent aller Schiffe, die auf dem Rhein verkehren, einen TGAIN einsetzen.
Mehr Unfälle mit TGAIN?
Der Duisburger Gutachter Marco Reinhart hat den Unfall bei Müden für die Ermittlungsbehörden untersucht. Nach seinen Angaben hat es Anfang des Jahres mehrere Unfälle gegeben, bei denen ein TGAIN zum Einsatz gekommen sei: "Ich allein hatte etwa drei Fälle im ersten Quartal. Das war schon außergewöhnlich."
Bundesweite Statistiken dazu gibt es laut GDSW nicht. Derzeit würden neben dem Fall Müden auch der Unfall an der Rhein-Schleuse Iffezheim im November 2023 untersucht. Genaue Angaben dazu will die Behörde nicht machen.
Bisher ist der Einsatz von TGAIN-Geräten weder national noch international geregelt. Das will die GDSW nun ändern und Auflagen auf den Weg bringen, die in die deutsche Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung eingefügt werden sollen. Hierzu gehört die Pflicht, geschultes Personal einzusetzen und solche Systeme im Bereich von Schleusen auszuschalten.
Zudem wird ein Wachalarm gefordert, umgangssprachlich "Totmannknopf" genannt. Bei diesem System muss der Schiffsführer in einem bestimmten Rhythmus einen Knopf drücken, um seine Anwesenheit im Schiffshaus zu bestätigen. Tut er das nicht, wird Alarm ausgelöst. Auch Versicherer fordern eine solche Vorrichtung.
Kaffeekochen statt steuern
In der Branche wird vermutet, die automatische Steuerung mit einem TGAIN könnte manchen Schiffsführer zu Leichtsinn verleiten. So heißt es in einer CESNI-Broschüre, das System sei "nicht dafür gedacht, dass der Schiffsführer/Steuermann kurz das Steuerhaus verlässt, um zur Toilette zu gehen, Kaffee zu kochen oder in Ruhe seine Serie 'im Bord-TV' anzuschauen."
Argonics-Chef Lutz sagt, sein Track-Pilot habe bereits einen Wachalarm integriert, dieser könne prinzipiell aber auch deaktiviert werden. Er persönlich rate davon ab. Den Unfall in Müden habe er zudem zum Anlass genommen, ein Software-Update vorzunehmen. Wenn der Schiffsführer den Track-Pilot vor Einfahrt in eine Schleuse nicht aktiv deaktiviere, ertöne ein Alarmsignal.
Verband lehnt Regelungen ab
Der "Bundesverband der Selbständigen Abteilung Binnenschifffahrt", der einzelne selbständige Unternehmer vertritt, lehnt die nun geplanten Regeln des Bundes ab. Er sieht darin eine weitere Bürokratisierung. "Die übergroße Mehrheit der verantwortlich handelnden Schiffsführer wird für Fehlverhalten einer verschwindend kleinen Minderheit bestraft und mit überflüssigen Zusatzkosten belegt", heißt es auf SWR-Anfrage. Als "niedrigstschwelligen Eingriff" kann sich der Verband allenfalls vorstellen, dass der Einsatz eines Wachalarms nicht vorgeschrieben, sondern lediglich empfohlen wird.
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