Heute startet Prothesenhersteller Ottobock auf dem Parkett. Börsengänge sind in Deutschland selten geworden. Fehlt das Vertrauen in den Kapitalmarkt - oder was sind die Gründe?
Herbst 2022: Mit großem Jubel wurde der Börsengang von Porsche auf dem Frankfurter Parkett gefeiert. Das war nach dem Börsendebut der Telekom der bis dahin zweitgrößte Börsengang in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Auch als der Münchner Chiphersteller Infineon aufs Parkett ging, wurde groß gefeiert. Bei der Deutschen Post und bei vielen anderen Unternehmen war es ähnlich. Es gab sogar Jahre, da gehörten Börsengänge fast schon zur Tagesordnung. Doch diese Zeiten sind vorbei.
Mit Ottobock geht jetzt ein Prothesenhersteller an die Frankfurter Börse. Ottobock ist Weltmarktführer in seinem Bereich. Zuletzt war das Umfeld für Börsengänge allerdings schwierig.
"Börsengänge derzeit nicht sexy"
"Im Augenblick ist das Thema Börsengang nicht ganz so sexy", sagt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz im Gespräch mit der ARD-Finanzredaktion. "Das liegt an der unsicheren geopolitischen Lage, die sich auf die Kapitalmärkte auswirkt." Dann der Krieg in der Ukraine. Die Handelsstreitigkeiten. Auch was derzeit in den USA passiert, spiele eine große Rolle.
"Geografisch gesehen sind die USA zwar weit weg. Aber die Welt ist eng miteinander vernetzt", so Nieding. Und die Zollpolitik des amerikanischen Präsidenten und seine erratische Art Politik zu betreiben, mache das langfristige Planen für viele Unternehmer schwieriger - auch was das Investieren angeht.
Und das lässt manch einen Unternehmer, auch kurz vor knapp, am Ende doch noch vor einem Börsengang zurückschrecken. In diesem Jahr passierte das beim Münchner Medizintechnik-Anbieter Brainlab. Kurz zuvor hatte auch der Online-Autoersatzteile-Händler Autodoc einen Rückzieher gemacht.
Ein weltweites Phänomen
Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management beobachtet solche Phänomene nicht nur bei uns hier in Deutschland, sondern auch an anderen Finanzplätzen. Für ihn sei das ein Widerspruch, denn die Börsenkurse steigen. Viele Indizes hätten in jüngster Zeit sogar neue Rekordstände erreicht. "Aber neue Börsengänge sind in den USA, auch bei uns in Europa die Ausnahme geworden", so der Experte.
Wobei - in den USA, und auch in China gehen immer noch deutlich mehr Unternehmen an die Börse als in Deutschland. Nach einer neuen Studie der Beratungsgesellschaft EY gab es in den USA 180 Börsengänge in diesem Jahr. Erstaunlich dabei ist, dass viele Börsenneulinge aus dem Ausland kommen. Auch deutsche Unternehmen gehörten in der Vergangenheit schon dazu.
Börsengänge in den USA interessanter
Berühmte Beispiele: Das Mainzer Biotech-Unternehmen BioNTech oder der Sandalenhersteller Birkenstock. Begründet wird ein solcher Schritt immer wieder damit, dass es in den USA, bislang zumindest, mehr Investoren, ein interessantes Umfeld zum Expandieren und weniger Regulierungen gibt.
Klaus Nieding nennt noch einen weiteren Grund, der für einen Börsengang in New York spricht. Denn: Es konzentriere sich alles mehr oder weniger auf eine Stadt, auf New York, "und nicht wie hier, dass ich noch einen Wettbewerb habe zwischen London, Paris, Frankfurt, um mal drei große Plätze zu nennen."
Vorsichtiger Optimismus
Martin Steinbach von der Beratungsgesellschaft EY ist dennoch optimistisch. "Die Stimmung in Deutschland hat sich wieder gebessert. Die Pipeline für mögliche Börsenkandidaten ist gut gefüllt."
Auch für Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance hat der Finanzplatz Frankfurt nichts an Attraktivität verloren. Er denkt dabei vor allem an größere, familiengeführte Unternehmen oder an sogenannte "Hidden Champions", also Unternehmen, die in ihrer jeweiligen Nische zu den Weltmarktführern gehören oder zumindest in Europa einen Spitzenplatz belegen.
"Ich glaube, die Börse wird auch wieder attraktiv werden für Verkäufe durch Finanzinvestoren", glaubt Schalast. Börsengänge sind zumindest eine Möglichkeit, sich frisches Kapital zu besorgen. Es geht um Geld, das zum Expandieren oder zum Investieren genutzt werden kann - oder aber wenn es darum geht, Schulden zurückzuzahlen.
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