Wirtschaftsexperten rechnen in den nächsten Jahren mit zehn Prozent Wachstum der globalen Raumfahrtindustrie. Davon können andere Branchen nur träumen. Auch in Deutschland tut sich einiges.

Victor Maier steht beim "Weltraumkongress" in Berlin neben einem Modell, das etwas größer ist als er selbst. Eine weiße Kapsel, geöffnet, darin sitzen zwei Astronauten. Das sei der Zukunftstraum seiner Firma, sagt er. The Exploration Company wurde erst vor vier Jahren gegründet, hat aber schon zwei ähnliche Kapseln gebaut und zu Testflügen ins All gebracht - nur ohne Astronauten.

Transport von Fracht zur Raumstation ISS

Vorerst sind die Kapseln als reine Frachttransport-Kapsel konstruiert, sie sollen beispielsweise Lebensmittel, Klamotten, Technik oder Experimente von der Erde zur internationalen Raumstation ISS bringen. Frachtkapseln unterliegen weniger strengen Kontrollen, sind also für den Anfang schneller und günstiger zu bauen, erklärt Maier.

The Exploration Company ist eigenen Angaben zufolge "das am schnellsten wachsende Space-Start-up in Europa". Mit Sitz in München und Bordeaux ging es 2021 mit vier Mitarbeitern und 50.000 Euro Startkapital los. Nur vier Jahre später beschäftigt die Firma knapp 400 Mitarbeitende, unterhält Standorte auch in Italien, den USA, Luxemburg und Dubai. 225 Millionen Euro Privatkapital habe das Start-up eingesammelt, um all das finanzieren zu können.

Eine gute Idee alleine reicht nicht

Nur wenige Meter weiter findet sich beim "Weltraumkongress" des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) der Stand eines etablierten Traditionsunternehmens. OHB gehört zu den größten Raumfahrtkonzernen Europas, ein mittelständisch geprägter Familienbetrieb mit Hauptsitz in Bremen. 44 Jahre alt wird OHB dieser Tage und baut alles von Satellitensystemen über kleine Raketen bis hin zu Sicherheitstechnik, erzählt Sabine von der Recke. Sie sitzt im Vorstand der OHB-System AG.

Die vielen neuen Start-ups wie The Exploration Company, Isar Aerospace oder Rocket Factory Augsburg bezeichnet sie als "Innovationsgeber", ihre eigene Firma empfindet sie als "Startup der 80er". Was die kleinen Firmen so durchmachen, würde OHB auch kennen, deswegen fördert und unterstützt sie die Neuen.

Am Ende des Tages reiche es aber nicht nur, eine gute Idee zu haben, so von der Recke. "Man muss auch ein Unternehmen führen, das sich wirtschaftlich trägt." Einige der kleineren Firmen würden das bestimmt sehr gut hinkriegen, andere eine Durststrecke haben, und ein paar schaffen es vielleicht nicht, prognostiziert die OHB-Vorständin. Aber ein breit aufgestelltes Netzwerk findet sie wichtig für die Raumfahrtbranche in Deutschland und Europa.

35 Milliarden Euro vom Bund für Raumfahrtprojekte

Mit der neuen Bundesregierung ist die Raumfahrt stärker in den Fokus gerückt. Hat die Branche bis vor einigen Monaten mehr oder minder unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor sich hin gewerkelt, so hat sie jetzt mächtige politische Fürsprecher. Walther Pelzer sitzt im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und strahlt bei diesem Thema über das ganze Gesicht. Die neue Bundesregierung habe das Thema Raumfahrt "auf ein politisches Level gehoben, wie es bisher nur in Italien, Frankreich, Japan und den USA war".

Dabei wird ein Bereich immer wichtiger: Sicherheit und Verteidigung im und aus dem All. Denn die Konflikte von heute werden nicht mehr nur auf der Erde ausgetragen. NATO-Generalsekretär Rutte hat vor wenigen Monaten besorgt geäußert, dass Russland Waffen im All stationieren könnte, um damit Satelliten zu bekämpfen. Raumfahrt ist ein entscheidender Teil der kritischen Infrastruktur. Ein Satellitenausfall könnte im modernen Leben fatale Folgen haben, vom Ausfall der Handytelefonie über Flugzeugabstürze bis hin zu nicht funktionierenden Banküberweisungen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bemerkt bei seiner Rede auf dem Kongress: "Allein während ich hier zu Ihnen spreche, überfliegen uns 39 chinesische und russische Aufklärungssatelliten". Und er nennt zum ersten Mal eine konkrete Zahl, auf die die Branche lange gewartet hat: 35 Milliarden Euro plant die Bundesregierung bis 2030 für Raumfahrtprojekte. Es gehe um "vernetzte Satelliten für die militärische Aufklärung, es geht um die Verfolgung von Flugkörpern". "Wir investieren in Raumflugzeuge, das klingt für viele nach Science Fiction da draußen", sagt Pistorius.

Kartografie aller fliegender Objekte am Himmel

Ein Beispiel dafür, was heute schon möglich ist in Sachen Verteidigung aus dem All, schildert Pierre Godart, der Deutschlandchef der Ariane Group. Die Firma baut unter anderem die europäische Schwerlastrakete Ariane 6 und bietet eine vollständige Kartografie aller fliegender Objekte am Himmel an.

Das heißt: Man kann sehen, welche Satelliten wo fliegen, ob sie von anderen Satelliten verfolgt oder gestört werden, ob es auffällige Manöver gibt. KI-Modelle im Hintergrund analysieren konstant die Bewegungen am Himmel und geben Warnungen ab, davon könnte beispielsweise die Bundeswehr profitieren. Bisher wurde eine Kartografie aus den USA genutzt, aber sie war nicht vollständig. An diesem wichtigen Punkt hat sich Europa also bereits souveräner machen können.

Weltraumministerin Bär ist "wild entschlossen"

Der CSU-Weltraumministerin Dorothee Bär ist anzumerken, dass sie ihren neuen Themenschwerpunkt mit Begeisterung angeht. Beim Weltraumkongress spricht sie von "riesigen Ambitionen", sie sei "wild entschlossen", die Raumfahrt ins Zentrum zu rücken, verweist auf die Hightech-Agenda, wo die Raumfahrt eine exponierte Stellung einnimmt. Einige Firmen aus der Branche berichten, dass Bär sie in den vergangenen Monaten besucht habe. Sie muss sich schnell einarbeiten, denn Ende November ist sie Gastgeberin der Ministerratskonferenz der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Bremen.

Dort werden die über zwanzig Mitgliedsstaaten die Budgets und Programme der ESA für die nächsten drei Jahre festlegen. Bundesländer wie Bremen, Bayern oder Baden-Württemberg, allesamt wichtige Raumfahrt-Standorte, fordern sechs Milliarden Euro als deutschen ESA-Beitrag - fast das doppelte der derzeitigen Leistung. Das ist gut durchdacht, denn der größte Teil des investierten Geldes fließt über Aufträge zurück nach Deutschland - davon profitieren diese Bundesländer.

Gerade die zivile und militärische Raumfahrt müsse Hand in Hand gehen, sagt Bär. "Dual Use" ist auf dem Kongress das Stichwort der Stunde: Ein Satellit, der beispielsweise die Höhe des Meeresspiegels im Mittelmeer kontrolliert, könnte theoretisch auch die europäischen Grenzwächter von Frontex unterstützen. Gerade bei Entwicklung und Bau von Satelliten ist Deutschland Spitzenklasse. Und könnte noch besser werden, wenn die Politik ähnlich schnell handelt, wie die Branche wächst.

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