Der BGH berät im Oktober über die Verfahren zum milliardenteuren Einkauf von Corona-Masken. Die Entscheidung könnte es schon im Herbst geben – mit massiven Folgen für den Haushalt.

In den Gerichtsverfahren zum Einkauf von Coronamasken, die den Bund noch eine Milliardensumme kosten könnten, rückt die Entscheidung näher. Nach Informationen von Capital will der zuständige Senat am Bundesgerichtshof Anfang Oktober über die ersten Maskenverfahren beraten. Seine Entscheidung könnte das oberste Zivilgericht dann bereits einige Wochen nach dem Beratungstermin veröffentlichen. 

Damit zeichnet sich ab, dass mehr als fünf Jahre nach dem aus dem Ruder gelaufenen Maskeneinkauf unter dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die ersten Klagen gegen den Bund in absehbarer Zeit rechtskräftig entschieden werden. Von dem Beschluss des BGH dürfte auch eine Signalwirkung für die weiteren Klagen ausgehen, die noch beim BGH selbst und bei unteren Gerichten anhängig sind. Insgesamt geht es in den Dutzenden Maskenverfahren um eine Summe von rund 2,3 Milliarden Euro. Im Fall einer Niederlage des Bundes in letzter Instanz käme der Etat von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) massiv unter Druck.

Die Maskenverfahren drehen sich um die Frage, ob der Bund den Lieferanten in einem speziellen Einkaufsverfahren, die bis heute wegen angeblicher Mängel der Ware oder verspäteter Lieferung kein Geld erhalten haben, den vollen Kaufpreis plus Zinsen bezahlen muss. In einem der zwei Fälle, über die der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jetzt als Erstes berät, geht es inklusive Zinsen um rund 120 Millionen Euro. 

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Seit dem Sommer 2024 hatte das Gesundheitsministerium vor dem Oberlandesgericht Köln in mehreren Maskenverfahren teure Niederlagen einstecken müssen. Zudem entschieden die Kölner Richter, dass gegen ihre Urteile keine Rechtsmittel eingelegt werden können. Daraufhin haben die Anwälte des Ministeriums sogenannte Nichtzulassungsbeschwerden beim BGH eingelegt. Die Karlsruher Richter müssen nun entscheiden, ob sie die Maskenverfahren zur Entscheidung annehmen. In der Regel haben Nichtzulassungsbeschwerden beim BGH nur in seltenen Fällen Erfolg.

Erhebliche Auswirkungen auf andere Verfahren

Bei den Beratungen des BGH über die ersten zwei Verfahren sind im Kern zwei Optionen möglich. Sollten die Bundesrichter die Anträge des Gesundheitsministeriums zurückweisen, dürften noch im Herbst die ersten rechtskräftigen Entscheidungen im Maskenkomplex feststehen – zugunsten der Lieferanten. Falls der BGH den Nichtzulassungsbeschwerden des Bundes stattgeben und eine Revision zulassen sollte, würde er sich selbst in der Sache mit den Maskenklagen beschäftigen. Dann wird eine rechtskräftige Entscheidung – entweder zugunsten der Lieferanten oder des Bundes – nicht vor dem Frühjahr 2026 erwartet.

Auf Anfrage von Capital wollte sich der BGH nicht zum aktuellen Stand der Maskenverfahren äußern. "Der Bundesgerichtshof wird zu gegebener Zeit über getroffene Entscheidungen in den genannten Verfahren informieren", teilte ein Sprecher mit. Zu internen Beratungsterminen könne man keine Auskunft erteilen. 

Zu welchen Beschlüssen das oberste Zivilgericht in den ersten Verfahren kommt, hat auch weitreichende Auswirkungen auf die noch rund 80 laufenden Prozesse, in denen es um den Maskeneinkauf des Bundes 2020 geht. Für die Klagen der Lieferanten zuständig ist das Landgericht Bonn beziehungsweise in zweiter Instanz das Oberlandesgericht Köln. Nach Informationen von Capital hatte das Kölner Oberlandesgericht zuletzt in mehreren Maskenverfahren wichtige Termine nach hinten verschoben. Allein in einem dieser Verfahren geht es um Masken in einem Wert von 250 Millionen Euro plus Zinsen in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro. Die Terminverlegungen deuten darauf hin, dass die unteren Instanzen eine zeitnahe Klärung durch den BGH abwarten wollen.

Risikovorsorge reicht nicht aus

Sollte die Bundesregierung die Maskenverfahren am Ende auch vor dem Bundesgerichtshof verlieren, steht sie vor einem erheblichen Haushaltsproblem. Bei einer Schlappe kommen zu dem Streitwert von 2,3 Milliarden Euro auch Verzugszinsen, die sich auf einen Milliardenbetrag summieren. Berechnungen zufolge geht es insgesamt um mindestens 3,5 Milliarden Euro. 

Gesundheitsministerin Warken hat in ihrer Haushaltsplanung zwar eine Risikovorsorge für verlorene Maskenklagen berücksichtigt. Die dafür vorgemerkten 1,4 Milliarden Euro, die aus Ausgaberesten eines Haushaltspostens aus der Coronazeit stammen, würden im Fall einer juristischen Schlappe aber bei Weitem nicht ausreichen, um die Verpflichtungen zu finanzieren. Entsprechend müsste Warken bei Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) Geld organisieren. 

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Sollte das Gesundheitsministerium in den ersten Maskenverfahren vor dem BGH scheitern, könnte es die anderen Verfahren durch alle Instanzen weiterlaufen lassen, bis auch in diesen Fällen alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Dadurch könnte es die Fälligkeit von Zahlungen strecken und wohl über mehrere Haushaltsjahre verteilen. Politisch hätte ein solches Vorgehen auch den Charme, dass die öffentliche Wirkung von kleckerweisen Niederlagen vor Gericht geringer sein dürfte, weil nur noch wenige den Überblick und das Interesse behalten. Allerdings würde ein Weiterführen der Prozesse nach den ersten Entscheidungen des BGH auch weitere Anwaltskosten produzieren – und das bei geringen Erfolgsaussichten, da die meisten Maskenverfahren in den Kernfragen ähnlich gelagert sind. 

Neue Dynamik für Untersuchungsausschuss?

Unter Warkens Vorvorgänger Spahn hatte der Bund in der Coronakrise insgesamt knapp 6 Milliarden Euro für Schutzmasken ausgegeben. Hinzu kommen weitere Hunderte Millionen Euro für Logistik, Berater und externe Anwälte, die bis heute weitere Kosten verursachen. Ein großer Teil der 5,8 Milliarden bestellten Masken wurde später vernichtet oder ist zur Entsorgung vorgesehen. 

Sollte der Bund wegen einer Niederlage vor Gericht noch Jahre nach der Pandemie weitere Milliarden für die Maskenbeschaffung bezahlen müssen, dürften Spahns Verträge auch politisch noch einmal zum Thema werden. Gleiches gilt für die Verfahrensstrategie des Gesundheitsministeriums und seiner für bislang fast 100 Millionen Euro mandatierten Anwaltskanzleien unter Spahn und Nachfolger Karl Lauterbach (SPD). 

Derzeit bemüht sich die Opposition aus Grünen und Linken um einen Untersuchungsausschuss. Da ihre Stimmen allein für die Einsetzung eines solchen Gremiums nicht ausreichen, bräuchte es jedoch Unterstützung aus der SPD. Sollten SPD-Abgeordnete einen Untersuchungsausschuss unterstützen, in dessen Fokus in Person von Spahn der heutige Fraktionschef des Koalitionspartners steht, wäre dies eine schwere Belastung für die schwarz-rote Koalition. Eine Milliardenschlappe vor Gericht könnte allerdings den politischen Druck erhöhen, die parlamentarische Aufklärung der Maskengeschäfte zu intensivieren.

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