Hamburg Messe und Congress (HMC) startet am 22. und 23. Oktober eine neues Kongress- und Messeformat, den „Global Security and Innovation Summit“, bei dem es um die Entwicklung und Innovationen von Rüstungstechnologien geht. „Diese Veranstaltung soll eher eine Ergänzung und weniger Konkurrenz zur Münchner Sicherheitskonferenz sein“, sagte Messe-Geschäftsführer Heiko M. Stutzinger WELT AM SONNTAG. „In Hamburg soll es um die Verbindung geopolitischer Debatten mit technologischer Innovation bei den Sicherheits- und Verteidigungstechnologien und deren industrieller Umsetzung gehen.“

National und international gibt es viele Sicherheitskonferenzen. Die bekannteste in Deutschland ist die Münchner Sicherheitskonferenz jedes Jahr im Februar, an der regelmäßig auch Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Im Jahr 2007 zeigte Russlands Präsident Wladmir Putin bei seiner Rede in München seinen Zorn über die vermeintliche Vormachtstellung der USA und machte deutlich, dass es mit dem Frieden in Europa bald wieder vorbei sein könnte.

Der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat den Strukturwandel in der Rüstungswirtschaft noch einmal deutlich beschleunigt. Plattformen auf der Basis von künstlicher Intelligenz, Systeme für eine höhere Cybersicherheit, Drohnen für den Einsatz in der Luft, an Land und auf dem Wasser werden mit hohem Tempo entwickelt, unter anderem auch von jungen Unternehmen wie Helsing oder Quantum Systems, die in Bayern sitzen. Mit dem Global Security and Innovation Summit will Hamburg Messe und Congress auch dieser sich rasch verändernden Landschaft in der Rüstungsbranche Rechnung tragen. „Ich kenne bislang kein Format wie den GSIS“, sagt Stutzinger.

Gute Chancen für die Austragung des „Global Security and Innovation Summit“ rechnet sich HMC auch deshalb aus, weil es dabei mit einem renommierten Institut kooperiert. „Unser Partner, The International Institute for Strategic Studies (IISS) in London, ist ein weltweit vernetzter, exzellenter Thinktank. Das IISS hat bereits ähnliche Formate etabliert, etwa den jährlichen Shangri-La Dialogue in Singapur mit hochkarätigen Rednern wie etwa Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron oder den IISS Prague Defence Summit mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte“, sagt Stutzinger. „Diese Formate sind allerdings auf einen kleinen Kreis eingeladener Personen begrenzt. Wir wollen ein wachsendes, für die Fachwelt offenes Dialogforum schaffen.“

Geplant sind für die Auftaktveranstaltung etwa 300 bis 400 Teilnehmer, darunter mehr als 50 internationale Rednerinnen und Redner. Bei einer begleitenden Ausstellung werden voraussichtlich etwa zehn bis 15 Unternehmen dabei sein, mit Technologiebeispielen für Cybersecurity, Robotik oder Drohnen: „Wir starten dieses Jahr klein und wollen mit unseren Erfahrungen wachsen, anstatt groß und bis ins letzte Detail fest geplant zu beginnen.“ Das Treffen findet im Congress Center statt, künftig soll der GSIS jährlich veranstaltet werden, 2026 Anfang Dezember.

Hamburg Messe und Congress will auch die Rüstungswirtschaft im Norden perspektivisch mit einbinden. In Schleswig-Holstein zählte man zuletzt etwa 40 Rüstungsunternehmen mit etwa 9000 Beschäftigten, darunter Schwergewichte wie die U-Boot-Werft TKMS in Kiel, der ebenfalls zu ThyssenKrupp gehörende Elektronikhersteller Atlas Elektronik, das Unternehmen Flensburger Fahrzeugbau für den Umbau von Panzerfahrzeugen oder auch Vincorion in Wedel, das Elektronik und andere Komponenten für Panzer und landbasierte Waffensysteme wie etwa für Patriot-Flugabwehrbatterien herstellt.

In Hamburg ist die Rüstungswirtschaft bislang noch kleiner und diffuser als im nördlichen Nachbarland. Das größte Unternehmen in der Hansestadt ist das Marinerüstungsunternehmen Naval Vessels Lürssen (NVL) mit 450 Beschäftigten bei Blohm+Voss und etwa hundert auf der Reparaturwerft Norderwerft. Auch Airbus, das in seinem Werk auf Finkenwerder den weltweit drittgrößten Standort des zivilen Flugzeugbaus betreibt, könnte die Produktpalette seiner Rüstungssparte ausbauen – künftig vielleicht auch in Hamburg.  „Derzeit gehen wir davon aus, dass in Hamburg rund hundert Unternehmen aller Größenordnungen der Verteidigungsindustrie zugeordnet werden können“, sagt Philip Koch, Geschäftsführer des Bereichs International bei der Handelskammer Hamburg. „Nach wie vor ist dieses Bild aber nicht sehr präzise, weil die Verteidigungsindustrie in Deutschland jahrzehntelang nicht im Vordergrund stand. Wir arbeiten weiterhin daran, die Verteidigungsindustrie in Hamburg genauer zu beschreiben.“

Klar wird allerdings auch in Hamburg jetzt schon, dass und wie sich etablierte Rüstungsunternehmen auf die neuen Verhältnisse am Markt für Waffen und andere Verteidigungsgüter einstellen. Das Bremer Familienunternehmen Lürssen verkauft seine Marinesparte NVL demnächst an Deutschlands größten Rüstungskonzern Rheinmetall. Zeitgleich steigt NVL in den Markt mit unbemannten, autonomen und auch ferngesteuerten Marinefahrzeugen ein, Drohnen für den Einsatz auf See, die zu einem großen Teil auch bei Blohm+Voss produziert werden sollen (siehe Text rechts). „Dieser neuen Welt der Verteidigungsindustrie wollen wir – im engen Dialog mit Politik und Sicherheitsexperten – Rechnung tragen“, sagt Stutzinger. „Wir bauen damit ein völlig neues Themenfeld um Innovationen im Sicherheitsbereich und auch um das Thema ,Dual Use‘ herum auf, die beidseitige Nutzbarkeit von Hochtechnologie für militärische und für zivile Zwecke.“

Tatsächlich ist Hamburg Messe und Congress bei der Welt-Leitmesse SMM für die maritime Wirtschaft seit Jahrzehnten auch mit dem Thema der militärischen Sicherheit verbunden – durch die Marinerüstung und zahlreiche Werften und Zulieferunternehmen, die ihre entsprechenden Produkte in Hamburg ausstellen. Neue Typen von Marineschiffen – von Fregatten mit der „Stealth“-Tarntechnologie bis hin zu U-Boot-Systemen – sind bei der alle zwei Jahre stattfindenden SMM in den Messehallen seit jeher ein fester Bestandteil. Zudem veranstaltet HMC – bislang alle zwei Jahre, nun jährlich – den Fachkongress Maritime Security and Defence, dieses Jahr am 25. November im Internationalen Maritimen Museum.

Mit dem Global Security and Innovation Summit will HMC auch über Hamburg hinaus eine Marke entwickeln und weltweit präsent sein. Neben der Hauptveranstaltung in Hamburg plant das Messeunternehmen kleinere Ableger in anderen Ländern, vom Roundtable bis hin zu hochkarätigen Kamingesprächen. „Dafür wollen wir das Netzwerk des International Institute for Strategic Studies intensiv nutzen“, sagt Stutzinger. „Wir sehen für den Global Security and Innovation Summit ein erhebliches Potenzial. Die Zukunft der Sicherheit ist technologiegetrieben, und genau da setzen wir an.“

Neben dem Austausch von Informationen geht es beim „Global Security and Innovation Summit“ auch um Geld. Etliche Start-up-Unternehmen drängen in den Markt für Rüstungsgüter, oft mit exzellenten Ideen, aber ohne genügend Kapital. In Hamburg wäre künftig, wenn es mit der neuen Kongressmesse tatsächlich klappt, alles vorhanden – das Netzwerk, die Akteure und die Finanzen. „Viele europäische Start-up-Unternehmen aus der Verteidigungsbranche suchen genau so eine Plattform. Und viele Start-ups suchen vor allem noch das nötige Eigenkapital“, sagt Stutzinger. „Für solche Unternehmen veranstalten wir in Hamburg zusammen mit der Speer Group den GSIS Accelerator, bei dem junge Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen präsentieren und bei Kapitalgebern um finanzielle Förderung werben können.“

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet unter anderem auch über die Rüstungswirtschaft.

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