Christian Lindner ist keiner, der sich lange bitten lässt. Kaum hat der Chef der Börse Stuttgart den einstigen Bundesfinanzminister und früheren FDP-Chef angekündigt, da ergreift Lindner auch schon das Wort: "Schön, mal wieder unter Leuten zu sein", sagt der Mann, der sich nach dem Ende der Ampel-Koalition erst einmal in die Babypause verabschiedet hatte. Es folgt noch eine kleine Schmeichelei für das Publikum, das an diesem Tag zum "Finance Summit" der Börse im Haus der Wirtschaft gekommen ist: In Berlin liefen ja jetzt die Verhandlungen über den Bundeshaushalt, so der Ex-Minister. "Da fühle ich mich beim privaten Kapital doch wohler."
Es ist der erste öffentliche Auftritt des 46-Jährigen in Deutschland nach seiner kleinen Auszeit. Das Publikum in Stuttgart, eine Mischung aus traditionellen Investoren und jungen Fintech-Angreifern, empfängt den einstigen Minister wohlwollend, aber nicht euphorisch. Größeren Applaus gibt es eigentlich nur, als Lindner die EU dafür kritisiert, dass sie Krypto-Vermögenswerte in Europa ausgebremst habe. Auch in wirtschaftsliberalen Kreisen, das wird in den Gesprächen am Kaffeetisch klar, ist nicht überall gut angekommen, dass die FDP zum Platzen der alten Koalition beigetragen hat. Es ist kein hundertprozentiges Heimspiel.
Christian Lindners Halb-Lob für die Frühstart-Rente
Lindner selbst wirkt für seine Verhältnisse fast zahm, weniger schneidend als oft in seinen Zeiten als aktiver Politiker. Anders als sein ehemaliger grüner Amtskollege Robert Habeck hat er sich offenkundig vorgenommen, nicht nachzutreten. "Ich wünsche der Regierung Fortune, und das sollte eigentlich jeder tun", sagt er mit Blick auf das schwarz-rote Kabinett in Berlin. Und er rutscht fast in die Rolle eines Regierungssprechers, als er fordert, man möge den Ministerinnen und Ministern doch etwas mehr Zeit geben, bevor man als Öffentlichkeit über sie herfalle. Selbst die Frühstart-Rente, ein weithin eher belächelter Plan, um Kinder früh am Aktienmarkt zu beteiligen, bekommt von Lindner ein mildes Halb-Lob.

Ex-FDP-Chef Christian Lindner ist zurück. Was ist sein Ziel?
Aber was ist jetzt eigentlich sein Thema, worauf will der FDP-Mann hinaus? Das wird deutlich, als Börse-Stuttgart-Chef Matthias Voelkel die private Altersvorsorge anspricht. Lindner hat zu seiner Zeit als Finanzminister ein Altersvorsorgedepot entworfen, dessen Erträge erst bei Auszahlung versteuert werden sollten. Es war ein Leuchtturmprojekt der Ampel, aus dem nichts mehr geworden ist – ein neuer Versuch, die Deutschen endlich an den privaten Kapitalmarkt zu bringen.
Was wird aus dem Altersvorsorgedepot?
Nun hofft Lindner, er wünscht es fast herbei, dass dieses Projekt unter der neuen Bundesregierung wieder aufgelegt wird. Dass seine Arbeit es noch irgendwie in die neuen Zeiten schafft, in denen die FDP nicht viel zu melden hat. "Wir sparen uns arm, weil die Deutschen auf ihre Girokonten vertrauen und nicht die Möglichkeiten der Kapitalmärkte nutzen", warnt er. Es ist kein neuer Weckruf, aber einer, der in der neuen Bundesregierung nur noch selten zu hören ist.
Wie groß aber ist die Wahrscheinlichkeit, dass sein altes Vorhaben noch einmal eine Chance bekommt? Lindner prescht zuerst vor, er will "größer als 50 Prozent" sagen und kommt dann ins Stocken. Pause, leises Gelächter im Publikum. "Auf jeden Fall drücke ich die Daumen", sagt er.
Capital ist eine Partnermarke des stern. Ausgewählte Inhalte können Sie mit Ihrem stern+ Abo sehen. Mehr aus Capital finden Sie auf www.stern.de/capital.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke