Die großen Gewerkschaften in Frankreich haben aus Protest gegen angekündigte Sparmaßnahmen zu Streiks aufgerufen - zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr und Gesundheitssektor. Die Behörden rechnen mit mehr als 400.000 Teilnehmenden.

Im Keller der Geschäftsstelle der Gewerkschaft Force Ouvrière in Versailles: Auf den Tischen liegt das Material für die Demo schon bereit - weiße Streikwesten, Fähnchen mit Gewerkschaftslogo, Masken gegen Tränengas, der Lautsprecher für die Durchsagen. Claude Bacca, Generalsekretär der FO im Départment Yvelines, und sein Schatzmeister prüfen den großen roten Ballon, der über den Demonstranten schweben soll.

Drei Busse haben sie reserviert, um die Streikenden nach Paris zu bringen. Voll ausgebucht sind sie nicht. Viele Kolleginnen und Kollegen seien noch erschöpft von den Protesten gegen die Rentenreform vor zwei Jahren. Die wurde dann trotzdem umgesetzt.

"Es ist ein schwieriges Thema, wir haben 13 mal dagegen demonstriert - für quasi kein Resultat. Jetzt fällt es uns schwer, die Leute zu motivieren, ihnen deutlich zu machen, dass wir nicht nachlassen dürfen. Dass wir Präsenz zeigen müssen, um es der Regierung nicht zu einfach zu machen", sagt Bacca.

"Das ist eine Warnung"

Mit ihrem Streiktag wollen Gewerkschaften Front machen gegen den Sparhaushalt von Ex-Premierminister Francois Bayrou. Mit dessen Sturz Anfang letzter Woche sei der Grund für den Protest aber keineswegs weggefallen. "Wir wollen als Arbeitnehmer Präsenz zeigen, dass die zukünftige Regierung die Beschäftigten nicht vergisst. Dass es uns reicht. Es gibt noch kein Regierungsprogramm - aber das ist eine Warnung, dass es viele Menschen gibt, die sich mobilisieren lassen", so Bacca.

Die Gewerkschaften streiken eine gute Woche nach dem ersten Protesttag der neuen Bewegung "Bloquons tout". Mit deren Ziel, ganz Frankreich lahm zu legen, kann sich der Bezirksleiter der Gewerkschaft überhaupt nicht identifizieren: "Wir machen keine Politik. Wir dürfen nicht alles vermischen. Wenn ich sehe, wie diese Randalierer die Autos von den Menschen zerstören, die zur Arbeit fahren wollen, bricht es mir das Herz. Das ist nicht unsere Linie."

Angst vor gewaltsamen Protesten

Ein weiterer Grund, sagt Claude Bacca, warum einige nicht mit nach Paris kommen wollen: Weil sie Angst vor möglichen Ausschreitungen haben.

Auch der französische Innenminister Bruno Retailleau befürchtet, dass es am Rande der Demonstrationen gewaltsame Proteste geben könnte. "Es gibt starke Anzeichen dafür, dass sich 'Bloquons tout' animiert fühlen könnte, Rache zu üben. Weil sie letzte Woche versucht haben, Frankreich zu blockieren und überhaupt gar nichts blockiert war. Darauf werden wir im Zweifel mit massiven Mitteln antworten", so Retailleau.

Das heißt, mit einem ähnlich starken Aufgebot wie vergangene Woche. 80.000 Polizistinnen und Polizisten werden im Einsatz sein. Die Sicherheitsbehörden rechnen mit 400.000 Menschen, die in ganz Frankreich auf die Straße gehen.

Neun von zehn Apotheken bleiben geschlossen

Dabei sein werden auch die Apothekerinnen und Apotheker. Unabhängig von den Gewerkschaften haben ihre Verbände auch für heute zum Protest aufgerufen - gegen den Plan der Regierung, den Apotheken beim Verkauf von so genannten Generika weniger Geld zu erstatten. Was deren Margen deutlich senkt.

Armaud Faugère, Inhaber der Pariser Apotheke "Voltaire" und Vizepräsident des Apothekerverbandes der Region Île de France, warnt vor einer möglichen Pleite-Welle: "Die Apotheker sind nicht unbedingt wütend, sie machen sich einfach Sorgen. Weil es infolge dieser Maßnahme weniger Apotheken in Frankreich geben wird und, wenn wir die Gehälter der Mitarbeiter nicht senken, Entlassungen."

Am Protesttag werden etwa neun von zehn Apotheken in Frankreich geschlossen bleiben.

Störungen im öffentlichen Nahverkehr

Vor allem der öffentliche Nahverkehr wird massiv gestört sein. Metro, Busse, die Stadtbahnen der RER - hier wird wenig gehen. Im Fernverkehr der Bahn rechnen die Behörden mit deutlich weniger Störungen. Die Flughäfen werden nicht betroffen sein, weil die Gewerkschaft der Fluglotsen ihre Protestaktion verschoben hat.

Beim Beladen des Transporters zeigt Bezirksleiter Claude Bacca den Inhalt der großen Kühltruhe. "Rund um unseren Wagen wird Stimmung sein. Auch wenn wir demonstrieren: Wir wollen zeigen, dass wir Spaß haben und froh sind, da zu sein", sagt er.

Die Gewerkschaft Force Ouvrière richtet sich auf einen Streiktag ein - mit allem was dazu gehört. Auch gegrillt wird in Frankreich dann traditionell gerne; die scharfen Merguez-Würstchen dürfen nicht fehlen.

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