Pflege kostet jährlich 70 Milliarden Euro, belastet Beitragszahler, Staat und Betroffene - und viele Senioren fühlen sich schlecht versorgt. Ein Unternehmer aus Baden-Württemberg will das ändern.
Gurken, Paprika und Karotten schneiden - die Bewohnerinnen der Wohngruppe "Dorfblick" helfen bei der Zubereitung des gemeinsamen Mittagessens tatkräftig mit. Auch die 92-jährige Mina Köplin freut sich über die Aufgabe, sie arbeite gern, sagt sie. Sie und viele andere ältere Damen im "Haus Rheinaue" packen auch mit an, wenn es um das Zusammenlegen von Handtüchern und Putzlappen geht. Und entscheiden gemeinsam, welcher Kuchen am Nachmittag gebacken wird
Es soll nicht "ins Bett gepflegt" werden
Das "Haus Rheinaue" in Wyhl am Kaiserstuhl ist ein sogenanntes "Mitmach-Heim". 56 Menschen leben hier in vier Wohngruppen. Alle haben ein eigenes Zimmer aber das Zentrum ist die geräumige Wohnküche, wo sich das Leben abspielt.
Ausgedacht hat sich das Konzept Kaspar Pfister. Der Unternehmer betreibt mittlerweile 27 stationäre Einrichtungen, vorwiegend in Süddeutschland. Bei BeneVit, verspricht er, werde nicht "ins Bett gepflegt". Sondern man versuche, die Bewohnerinnen und Bewohner möglichst fit zu halten. Durch gesundes Essen, Bewegung und eben soziale Teilhabe. "Das heißt auch, im Alter eine sinnvolle Aufgabe zu haben, nicht überflüssig zu sein und auf den Tod zu warten", so Pfister.
Das Konzept geht offenbar auf: Fünf Mal bereits haben die Professorin Anke Simon und ihr Team von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg seit 2014 bereits die Lebensqualität der Bewohner der BeneVit-Häuser erhoben. Das Ergebnis: Die Menschen dort sind fast genauso zufrieden mit ihrer Lebenssituation wie Gleichaltrige, die noch zu Hause leben.
Immer mehr Pflegebedürftige
Eine qualitative und würdevolle Pflege alternder Menschen ist einer der großen Herausforderungen der kommenden Jahre. Denn die Lebenserwartung steigt und mit ihr die Zahl der Menschen, die gepflegt werden müssen - zu Hause oder im Heim. Waren 2021 noch knapp fünf Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig, stieg die Zahl bis Ende 2023 auf knapp 5.7 Millionen, auch weil mittlerweile auch Menschen mit Demenz als pflegebedürftig anerkannt werden. Bis zum Jahr 2050 wird mit gut 7 Millionen Pflegebedürftigen gerechnet.
Damit verbunden sind enorme Kosten. Im vergangenen Jahr gaben die Pflegekassen 1,54 Milliarden Euro mehr aus als sie einnahmen. Schon 2026 könnte das Defizit auf 3,5 Milliarden Euro steigen. Der Bundesrechnungshof erwartet bis 2029 sogar eine Finanzlücke von 12,3 Milliarden Euro.
Beiträge steigen
Und Pflege wird immer teurer. Seit Jahresbeginn liegt der Beitragssatz der gesetzlichen Pflegeversicherung bei 3,6 Prozent, Kinderlose zahlen 0,6 Prozent mehr. Ein Bundesdarlehen von 0,5 Milliarden Euro in diesem und 1.5 Milliarden Euro im kommenden Jahr kaschiert die Lücke nur - zurückgezahlt werden muss es ohnehin.
Parallel steigt der Eigenanteil im Heim: Derzeit muss ein Pflegebedürftiger während des ersten Jahres - Zuschüsse eingerechnet - durchschnittlich 3108 Euro zahlen pro Monat. Die höchsten Beträge werden in Bremen und NRW verlangt, die niedrigsten in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen Anhalt.
Im BeneVit-Haus Rheinaue läuft seit über neun Jahren das sogenannte "Stambulant"-Modell. Ein Team aus Pflegefachkräften, Hauswirtschaft und Pflegehelfern betreut Bewohner, Grundleistungen werden pauschal abgerechnet, Extras übernimmt bei Bedarf ein ambulanter Dienst. Angehörige können durch Mithilfe den Eigenanteil senken.
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